# taz.de -- Skiabfahrt-Rennen am Hahnenkamm: Giftig wie selten | |
> Während der Schweizer Didier Cuche triumphiert und den Österreichern die | |
> Party verdirbt, befördert der Hahnenkamm den US-Amerikaner Scott | |
> Macartney ins Krankenhaus. | |
Bild: Böse Schräglage: Macartneys Flug vor dem Sturz. | |
KITZBÜHEL taz Ein paar Stunden später kehrte wieder Normalität ein in | |
Kitzbühel. Und normal ist am Abend nach dem Hahnenkamm-Rennen in dem | |
Tiroler Skiort, dass aus allen Ecken laute Partymusik tönt, alkoholisierte | |
Besucher durch die Straßen torkeln und sich in teuren Lokalen unter | |
Ausschluss der Öffentlichkeit die mehr oder weniger bekannten Schönen und | |
Reichen treffen. Die gedämpfte Stimmung, die während des berühmtesten | |
Skirennens im Zielraum herrschte, hatte nur am Rande etwas mit dem Resultat | |
zu tun.Der Schweizer Didier Cuche verdarb der rotweißroten Skination zwar | |
die Party, er gewann die Abfahrt vor dem Österreicher Mario Scheiber und | |
Bode Miller aus den USA, die sich den zweiten Platz teilten. Aber nach | |
einem spektakulären Sturz gleich zu Beginn war den 42.000 Zuschauern | |
ohnehin nicht nach Feiern zumute. Scott Macartney aus den USA war mit der | |
Startnummer zwei ins Rennen gegangen. Die Geschwindigkeitsmessung kurz vor | |
dem Zielsprung zeigte mehr als 140 Stundenkilometer, schneller war kein | |
anderer an dieser Stelle. | |
Der Abfahrtsdritte von Gröden hatte das Ziel schon vor Augen und | |
Streckensprecher Michael Horn setzte zu einem Geburtstagsständchen an, denn | |
Macartney wurde am Samstag 30 Jahre. Fast im gleichen Moment verpasste der | |
Rennläufer den Absprung, geriet in der Luft in Schräglage und stürzte aus | |
vier, fünf Metern auf die Piste. Er verlor Ski und Helm, trudelte ins Ziel | |
und blieb dort liegen. Es wurde plötzlich still am Hahnenkamm. Macartney | |
wurde erstversorgt im Zielraum und nach 25 Minuten mit dem Hubschrauber ins | |
Krankenhaus geflogen. Erst weit nach Ende des Rennens war klar, dass der | |
Amerikaner wohl doch viel Glück hatte. | |
Nach Auskunft der behandelnden Ärzte zog er sich ein isoliertes | |
Schädel-Hirn-Trauma zu. Noch in der Nacht wurde er aus dem künstlichen Koma | |
aufgeweckt. Es heißt, er soll sich zusammen mit dem amerikanischen Trainer | |
sogar schon Bilder von seinem Sturz angeschaut haben. Die Hahnenkammabfahrt | |
ist ihrem Ruf, spektakulärer und gefährlicher zu sein als alle anderen | |
Schussfahrten im Weltcup, in diesem Jahr wieder einmal gerecht geworden. | |
Macartney war schon der fünfte Skirennläufer seit dem ersten Trainingstag, | |
den die Streif schmerzhaft abgeworfen hatte. Am Samstag landeten außerdem | |
Pierre-Emmanuel Dalcin (Frankreich), Daniel Albrecht (Schweiz), Hans Olsson | |
(Schweden), Walter Girardi (Italien) und der Deutsche Johannes Stehle im | |
Schnee. Aber diese Stürze waren allesamt harmlos, verglichen mit Macartneys | |
Flug über die Piste. | |
Stürze gehören zu Kitzbühel wie die Prominenten, die VIP-Partys, sie | |
begründeten einst den Mythos der Streif. Fast alle Jahre fordert die | |
Abfahrt ihre Opfer, aber dieses Mal geriet der Veranstalter in Verruf, die | |
Unfälle mit einer höchst aggressiven Präparierung womöglich provoziert zu | |
haben. Die Piste sei noch giftiger als sonst, hatte der Österreicher | |
Michael Walchhofer nach der ersten Trainingsfahrt gesagt. Die Strecke war | |
wegen der ungünstigen Wetterprognose vorsorglich von oben bis unten vereist | |
worden, gleichzeitig waren aber die Wellen nicht geglättet worden, so dass | |
sich die Strecke extrem ruppig und hart präsentierte. Der Sprung, der | |
Macartney zum Verhängnis wurde, war vor der Abfahrt zum dritten Mal in fünf | |
Tagen verändert worden. Die Jury hatte Sorge, die Rennläufer könnten zu | |
weit nach unten getragen werden. Aber für die Athleten war es dadurch nicht | |
einfacher geworden. "Der Sprung ist untauglich", kritisierte Bode Miller. | |
Auch der Deutsche Stephan Keppler, der bei seiner ersten Abfahrt auf der | |
Streif als 30. einen Weltcuppunkt ergattert hatte, fand den ständigen Umbau | |
überflüssig. "Wenn man sich bei jeder Fahrt umstellen muss, ist das | |
nichts." Allerdings war die Stelle außer Macartney keinem anderen Fahrer | |
zum Verhängnis geworden. Sieger Didier Cuche schien sich mit derlei trüben | |
Gedanken nicht beschäftigen zu wollen: Er habe die Streif noch nie leicht | |
erlebt. | |
21 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Elisabeth Schlammerl | |
## TAGS | |
Ski Alpin | |
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