# taz.de -- Erneutes Drohschreiben gegen Anwältin: Behördenjargon als Hinweis | |
> NSU-Opfer-Anwältin Seda Başay-Yıldız hat einen weiteren Drohbrief | |
> erhalten. Die Hinweise, dass es aus Polizeikreisen stammt, verdichten | |
> sich. | |
Bild: Erhält Drohfaxe, die mit „NSU 2.0“ unterschrieben werden: Anwältin … | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız ist | |
erneut in einem anonymen Schreiben mit dem Tod bedroht und rassistisch | |
beleidigt worden. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung führen die | |
Spuren einmal mehr in die hessische Polizei. Die Frankfurter | |
Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber der taz am Mittwoch lediglich, dass | |
ein neuer Drohbrief „Mitte Januar“ bei der Anwältin eingegangen sei. Faxe | |
mit Morddrohungen gegen sie selbst, ihre zweijährige Tochter und ihren | |
Vater hatte die Anwältin bereits im August und Dezember erhalten. | |
Seda Başay-Yıldız war Ziel rechtsextremistischer Beschimpfungen geworden, | |
nachdem sie im Münchner NSU-Prozess eine Opferfamilie und im vergangenen | |
Jahr den mutmaßlichen Islamisten Sami A. als Rechtsbeistand vertreten | |
hatte. Unterschrieben waren die Faxe an sie mit „NSU2.0“. | |
Die Briefschreiber ließen jetzt in ihrem dritten Schreiben „Insiderwissen“ | |
aus der Polizei erkennen, schreibt die SZ unter Berufung auf Quellen im | |
Hessischen Landeskriminalamt. Das LKA mochte dazu nicht Stellung nehmen und | |
verwies auf die Staatsanwaltschaft; die sagte ebenfalls nichts zum Inhalt | |
und erklärte lapidar: „Bislang konnte die Identität des Absenders der Faxe | |
nicht ermittelt werden.“ | |
Schon im vergangenen Jahr hatte der Fall die hessische Polizei in | |
Erklärungsnot gebracht. Der oder die anonymen Briefeschreiber verfügten | |
nämlich über Informationen zum persönlichen Umfeld der Anwältin, die nicht | |
öffentlich zugänglich sind. Die Spuren führten die ErmitterInnen zu einem | |
Polizeicomputer. Eine Beamtin der Frankfurter Polizei hatte | |
personenbezogene Daten der Anwältin aus dem Informationssystem der Polizei | |
abgerufen, ohne dass es dafür dienstliche Gründe gegeben hätte. Zudem | |
stießen die Fahnder bei Durchsuchungen von Büros und Handys auf einen | |
Chat-Ring in der Frankfurter Polizei, in dem Hitlerbilder, Hakenkreuze und | |
rassistische Parolen ausgetauscht worden waren. | |
## Daten der Anwältin auf Polizeicomputer abgerufen | |
Sieben BeamtInnen sind suspendiert. Gegen sie wird ermittelt. Noch gebe es | |
aber keinen Beweis für einen Zusammenhang zwischen den Drohschreiben und | |
dem mutmaßlichen rechtsextremen Chat-Ring in der Polizei, hatte Mitte | |
Januar Innenminister Peter Beuth (CDU) im Landtag versichert. | |
Mit dem neuen Fax verdichten sich die Hinweise darauf, dass eine | |
PolizeibeamtIn AbsenderIn der Drohschreiben ist. Laut SZ wird in dem Fax | |
das Landeskriminalamt nicht, wie allgemein üblich, als „LKA“, sondern als | |
„HLKA“ geführt. „H“ für Hessisches. Diese Abkürzung entspreche dem | |
„Behördenjargon“. | |
Außerdem sei das Schreiben mit dem Namen eines Polizeibeamten | |
unterzeichnet, der nach Einschätzung der Ermittler zwar wohl nicht der | |
Urheber sei, dessen Nennung aber Insiderwissen zeige. LKA, | |
Staatsanwaltschaft und die Betroffene selbst mochten gegenüber der taz | |
diese Bewertungen nicht kommentieren. | |
„Ungeheuerlich“ nannte es die innenpolitische Sprecherin der | |
SPD-Landtagsfraktion, Nancy Faeser, dass sie als zuständige Abgeordnete des | |
Hessischen Landtags auch von dem dritten Schreiben erst aus der Zeitung | |
erfahren habe. Sie erwarte von Innenminister Beuth, dass er die Obleute der | |
Fraktionen umgehend und vollständig informiere, sagte Faeser der taz. | |
Der FDP-Landtagsabgeordnete Stefan Müller nannte die Informationspolitik | |
des Innenministers inakzeptabel. SPD und FDP beantragten gemeinsam eine | |
Sondersitzung des Innenausschusses. Der Linken-Abgeordnete Hermann Schauss | |
kündigte an, seine Partei werde den Skandal um rechte Netzwerke in der | |
hessischen Polizei auf die Tagesordnung der nächsten Plenarwoche im Landtag | |
setzen. | |
30 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
## TAGS | |
Drohungen | |
Seda Basay-Yildiz | |
Rechtsextremismus | |
Peter Beuth | |
Hessen | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Rigaer Straße | |
Innenausschuss | |
Seda Basay-Yildiz | |
Hessen | |
Frankfurt/Main | |
Bayern | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schmähungen und Bombendrohungen: „Wir werden dich durchlöchern“ | |
Politiker und Prominente erhalten rechte Schmähbriefe, Gerichte bekommen | |
Bombendrohungen. Die Ermittler sind ratlos. | |
Kommentar zu Polizei-Datenmissbrauch: Noch lange nicht aufgeklärt | |
Die Polizei scheint nicht sonderlich interessiert an Aufklärung, nachdem | |
ein Polizist Drohbriefe mit sensiblen Daten schrieb. Was soll das? | |
Drohungen gegen NSU-Opfer-Anwältin: Ermittler stochern im Sumpf | |
In Hessens Innenausschuss zeigt sich, dass Regierung und Behörden erst | |
wenig zu den Drohbriefen gegen Anwältin Başay-Yildiz wissen – oder sagen. | |
NSU-Opfer-Anwältin erneut bedroht: Schon der vierte Brief | |
Anwältin Seda Başay-Yıldız erhält einen weiteren Drohbrief. Erst wenige | |
Tage zuvor hatte sie das dritte Schreiben des „NSU 2.0“ erreicht. | |
Rechtsextreme in Hessens Polizei: Ein Dutzend Beamte im Visier | |
Bei einer Sitzung in Wiesbaden wird klar, dass gegen mehr Polizisten als | |
bisher bekannt wegen möglicher rechter Umtriebe ermittelt wird. | |
Rechte Polizisten-Gang in Hessen: Anwältin erhält zweites „NSU 2.0“-Fax | |
Seda Başay-Yıldız erhielt ein Drohfax mit Daten, die von einem | |
Polizeicomputer stammten. Nun ging ein zweites Fax ein – wieder mit | |
Absender „NSU 2.0“. | |
Debatte Rechter Terror in Bayern: 100 Jahre NSU | |
Mit der Ausrufung des Freistaats kam die Demokratie nach Bayern. Zugleich | |
bildete sich ein extrem rechter Untergrund – der bis heute geduldet wird. |