# taz.de -- Drohungen gegen NSU-Opfer-Anwältin: Ermittler stochern im Sumpf | |
> In Hessens Innenausschuss zeigt sich, dass Regierung und Behörden erst | |
> wenig zu den Drohbriefen gegen Anwältin Başay-Yildiz wissen – oder sagen. | |
Bild: Wer hinter den Drohungen gegen NSU-Opfer-Anwältin Seda Başay-Yıldız s… | |
WIESBADEN taz | Bei den Ermittlungen zu den [1][anonymen Morddrohungen] | |
gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yildiz und ihre Familie | |
gibt es offenbar noch keinen Durchbruch. Vor dem Innenausschuss des | |
hessischen Landtags sagte am Mittwoch Innenminister Peter Beuth, CDU, es | |
seien in diesem Fall noch „erhebliche Ermittlungen zu führen.“ Bei einem | |
Besuch in Frankfurt am Main am Donnerstag wird auch Bundespräsident | |
Frank-Walter Steinmeier die Anwältin treffen und mit weiteren BürgerInnen | |
und PolizistInnen über Sicherheit und Zuwanderung diskutieren. | |
Die Anwältin hatte im NSU-Prozess eine Opferfamilie und gegenüber den | |
Behörden den mutmaßlichen Islamisten Sami A. vertreten. Innenminister Beuth | |
bestätigte zwar, dass bei der Anwältin inzwischen vier Drohbriefe | |
eingegangen seien. Ein weiteres Drohfax sei direkt an das Polizeipräsidium | |
Frankfurt geschickt worden. Der Minister wollte allerdings nicht | |
bestätigen, dass alle fünf Faxe mit „NSU 2.0“ unterschrieben waren. Solche | |
Informationen würden „tief in die laufenden Ermittlungen eingreifen,“ sagte | |
Beuth. | |
Er bestätigte jedoch den Verdacht, dass „auch Vorgänge innerhalb der | |
hessischen Polizei“ untersucht würden. Im Dezember war bekannt geworden, | |
dass personenbezogene Daten der Anwältin von einem Computer im 1. Revier | |
der Frankfurter Polizei [2][abgefragt worden waren]. Bei den Ermittlungen | |
gegen die Polizeibeamten, die Zugang zu diesem Computer hatten, waren die | |
Fahnder auf eine interne Chatgruppe gestoßen, die im Internet Hakenkreuze, | |
neonazistische Parolen und Videos ausgetauscht hatte. Inzwischen wird gegen | |
sieben PolizeibeamtInnen ermittelt, die allesamt suspendiert sind. Es sei | |
noch nicht klar, wer von den BeamtInnen für diese rechtswidrige Abfrage | |
persönlicher Daten der Anwältin verantwortlich war, sagte der Minister. | |
Die Oppositionsparteien SPD, FDP und Linke kritisierten erneut die | |
Informationspolitik des Innenministers; sie erführen Neuigkeiten regelmäßig | |
erst aus der Zeitung. Der FDP-Abgeordnete Stefan Müller sagte, der Minister | |
müsse die Abgeordneten rechtzeitig informieren, wenn er weiteren | |
Vertrauensverlust in die hessischen Polizei abwenden wolle. Mit seiner | |
mangelhaften Information sorge Beuth außerdem für Spekulationen, sagte der | |
Linken-Abgeordnete Hermann Schauss. | |
## Ermittlungen wegen Geheimnisverrats | |
Als gemeinsame Position aller Ausschussmitglieder betonte die grüne | |
Abgeordnete Eva Goldbach, dass die Serie der menschenverachtenden | |
Drohbriefe schwer zu ertragen sei. Sie plädierte dafür, Vertrauen in die | |
„sorgfältig ermittelnden Institutionen“ zu setzen. Der CDU-Abgeordnete | |
Holger Belino sagte, die Abgeordneten müssten mit Rücksicht auf die | |
laufenden Ermittlungen ein Stück weit die Füße stillhalten“. | |
Innenminister Beuth berief sich darauf, dass sich die Frankfurter | |
Staatsanwaltschaft Informationen zum laufenden Ermittlungsverfahren | |
vorbehalten habe; weil immer wieder interne Informationen durch | |
Medienberichte bekannt geworden seien, sei inzwischen sogar ein | |
Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats eingeleitet | |
worden. | |
Auch zum Fall einer zweiten Chatgruppe in der hessischen Polizei, gegen die | |
wegen des Austauschs neonazistischer Parolen und Symbolen ermittelt wird, | |
wollte Beuth mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen keine Auskunft | |
geben. In diesem Zusammenhang waren zwei Polizeibeamte aus Kirtorf im | |
Vogelsberg suspendiert worden. Der Minister sagte, es gebe keine Hinweise | |
auf Verbindungen zu einem rechtsextremistischen Aktivisten, der auf seinem | |
Privatgelände in Kirtorf Konzerte der Skinhead-Band „Gegenschlag“, Treffen | |
der „Kameradschaft Berseker“ und private „Sonnenwendfeier“ veranstaltet | |
hatte. | |
## Schleppende Informationen | |
Gegen einen Beamten aus Südhessen, der Informationen aus dem polizeilichen | |
Informationssystem an eine rechtsextremistischen Aktivistin weitergegeben | |
haben soll, ist inzwischen beim Amtsgericht Dieburg Anklage erhoben worden. | |
Der inzwischen nach Niedersachsen versetzte Beamte soll Martina H., die | |
sich vor dem Landgericht Halle wegen gewalttätiger Übergriffe verantworten | |
muss, Informationen über andere Rechtsextremisten geliefert haben. Die | |
beiden in Halle wegen schwere Gewalttaten Angeklagten werden der | |
rassistischen Gruppe „Aryans“ zugerechnet, gegen die die Bundesanwaltschaft | |
ermittelt. Nach Auskunft der hessischen Behörden hatte der Beamte die Frau | |
vor der rechten Szene gewarnt. | |
Auch über diesen Fall hatte der Minister die Abgeordneten erst informiert, | |
als Medienberichte dazu erschienen waren. Zeitgleich hatte das | |
Landeskriminalamt der taz noch versichert, der Fall habe mit der hessischen | |
Polizei nichts zu tun, weil Niedersachsen für den Beamten zuständig sei. | |
Später stellte der Minister klar, dass das Verfahren bei der | |
Staatsanwaltschaft Darmstadt geführt werde, weil der Beamte zum Zeitpunkt | |
der rechtswidrigen Abfragen der hessischen Polizei angehört hatte. | |
7 Feb 2019 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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