| # taz.de -- Das Kino der Zukunft: Film ab – aber bitte grün! | |
| > Plastikschalen für Nachos, Papier und Palmöl: Der Kinobetrieb ist nicht | |
| > nachhaltig. Um das zu ändern brauchen Kinos Geld und kreative Ideen. | |
| Bild: Viele Menschen im Kino heißt auch viel Verpackung im Kino | |
| Freitagabend, und es herrschen bitterkalte Temperaturen. Eine gute Zeit | |
| also für einen Kinobesuch: Das mollig-warme Foyer des Filmtheaters ist hell | |
| erleuchtet, an der Theke warten Popcorn, Nachos mit Käsesauce in der | |
| Plastikschale und eine Limo im Becher mit Plastikstrohhalm auf die | |
| Zuschauer*innen. Überall liegen bunte Flyer und Ankündigungen für die | |
| nächsten Blockbuster aus. Wer auf die Toilette muss, kann die Abfalleimer | |
| voller Papierhandtücher nicht übersehen. | |
| Bei jährlich rund 120 Millionen Besucher*innen in deutschen Kinosälen ist | |
| das eine ganz schöne Öko-Sauerei. „Für die Kinos ist es eine | |
| Glaubwürdigkeitsfrage, wenn sie anspruchsvolle, kritische Filme zeigen, | |
| dann auch entsprechende Produkte anzubieten“, sagt Birgit Heidsiek von | |
| Green Film Shooting, dem Europäischen Zentrum für Nachhaltigkeit im | |
| Medienbereich. „Inzwischen ist das Thema Nachhaltigkeit längst auch im Kino | |
| angekommen“. | |
| Um zu zeigen, wie es gehen kann, hat Heidsiek „Das Grüne Kinohandbuch“ | |
| herausgegeben. Darin geht es beispielsweise um den Verzicht auf | |
| Plastikstrohhalme, um Kinorabatte für Bus- und Bahnfahrer*innen oder um | |
| Solaranlagen auf dem Dach der Nürnberger Cinecittà. Das größte | |
| Multiplex-[1][Kino] Deutschlands hat sich sogar zwei eigene | |
| Blockheizkraftwerke einbauen lassen und konnte damit die jährlichen | |
| Energiekosten von 700.000 Euro für Heizung, Strom und Wasser halbieren. Mit | |
| der entstehenden Abwärme lässt sich nun das gesamte Gebäude heizen. | |
| ## Plastik ist besser als Papier | |
| Doch es muss nicht immer ein eigenes Kraftwerk sein: [2][Nachhaltigkeit] | |
| beginnt bereits bei den Snacks an der Theke. Werden die Nachos in der | |
| Pappschachtel oder in der Plastikschale serviert? „Oftmals ist Pappe nur | |
| gefühlt besser als Plastik“, sagt Heidsiek. Aber eben nur gefühlt. | |
| Nachokartons sind oftmals beschichtet. Weil man beschichtetes Papier nicht | |
| in den Papiercontainer werfen kann, sondern als Leichtverpackung entsorgen | |
| muss, schneidet Kunststoff sogar besser ab. Dieser lässt sich laut grünem | |
| Kinohandbuch nämlich nicht nur je nach eingesetztem Stoff recyceln, sondern | |
| ist häufig auch noch energieeffizienter. Papierherstellung ist CO2-intensiv | |
| und verbraucht viel Strom. | |
| Wer ins Kino will, muss natürlich auch erst einmal ins Filmtheater kommen. | |
| Die Art und Weise, wie die Besucher*innen im Kino ankommen, lässt sich | |
| beeinflussen. Kooperationen mit öffentlichen Verkehrsbetrieben können für | |
| viele Besucher*innen ein Anreiz sein, auf das Auto zu verzichten und | |
| stattdessen auf Bus und Bahn umzusteigen. | |
| Korina Gutsche von der AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater leitet | |
| das von der Bundesregierung geförderte Projekt „Kino natürlich“, das den | |
| Betrieb nachhaltiger gestalten will. Für Gutsche endet das Thema | |
| Nachhaltigkeit nicht beim ökologischen Fußabdruck der Betriebe. Auch das | |
| Programm ist wichtig: „Engagierte Filmemacher*innen finden in den | |
| Arthousekinos Gehör. Diese Offenheit gehört zu unserem Verständnis als | |
| Kulturort mit Bildungsauftrag.“ | |
| ## Kinobetreiber stehen in der Verantwortung | |
| Es soll nicht nur darum gehen, Filme zu zeigen, sondern auch darum, klar | |
| Position zu beziehen. Beispielsweise über Thementage. In manchen | |
| Arthouse-Betrieben flimmern auch Dokumentationen über die Leinwände, die | |
| Palmöl-Anbau oder Plastikwahnsinn problematisieren: Bilder zeigen die | |
| Rodung von Regenwäldern, von pestizidverseuchtem Grundwasser oder | |
| Schildkröten, die an Plastikteilchen im Magen verenden. | |
| Das finden zwar alle schlimm, aber während der Film läuft, tauchen die | |
| Zuschauer*innen dann doch ihre Nachos aus der Plastikschale in die | |
| Käsesauce. Hauptzutat: Palmöl. Expertin Heidsiek kritisiert daher: „Wenn | |
| der Kinobetreiber an der Theke genau all die Produkte anbietet, in denen | |
| das Palmöl enthalten ist, unterstützt er damit das System Palmöl.“ | |
| Kinobetreiber Christian Pfeil macht es besser. Er hat neben regionalen | |
| Produkten, Mehrweggeschirr und LED-Beleuchtung sogar eine [3][Solaranlage] | |
| auf einem seiner Kinos in Gera. Das 80.000 Euro teure Gerät auf dem | |
| „Metropol“ wird sich bei steigenden Stromkosten in weniger als zehn Jahren | |
| bezahlt gemacht haben. Der Energiebedarf des Lichttheaters liegt | |
| schätzungsweise bei 35.000 Kilowattstunden jährlich, der selbst erzeugte | |
| Solarstrom deckt etwa 25.000 Kilowattstunden ab – also mehr als 70 Prozent. | |
| Das klingt gut, aber: „Das Geschäftsmodell von kleineren Kinos bildet | |
| größere Investitionen nicht ab“, sagt Pfeil. Umfassendere Maßnahmen für | |
| Nachhaltigkeit seien gut und schön, aber „man muss es sich eben leisten | |
| können“. Die Subventionen, die es für einen nachhaltigen Umbau der | |
| Filmtheater gebe, seien marginal und nicht aufeinander abgestimmt. | |
| Pfeil wünscht sich daher einen Fördertopf mit klaren Kriterien, über den | |
| man für nachgewiesene Maßnahmen entlohnt wird. Solange das große Geld | |
| fehlt, können sich Kinobetreiber*innen durch Korina Gutsche beraten lassen | |
| oder sich auf der Webseite von „Kino natürlich“ umschauen. Dort heißt es: | |
| „Jede Maßnahme, die Ressourcen spart und CO2-Emissionen reduziert, zählt!“ | |
| 3 Feb 2019 | |
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| Sinan Recber | |
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