# taz.de -- AfD und Verfassungsschutz: Vom Erfolg verführt | |
> Die AfD-Spitze beteuert immer wieder, die Partei stehe fest auf dem Boden | |
> des Grundgesetzes. Wie ernst meint sie das? | |
Bild: Postfaschismus mit gleich zwei Flügeln: Um ein Hakenkreuz bereinigtes NS… | |
Der Verfassungsschutz eröffnet der AfD eine Chance, so kann man es auch | |
deuten. Schließlich hat der Verfassungsschutzpräsident kürzlich verkündet, | |
dass seine Behörde in der Programmatik der Partei [1][nichts | |
Verfassungsfeindliches gefunden habe]. Zwar gebe es bei der AfD als | |
Gesamtpartei „Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitlich demokratische | |
Grundordnung ausgerichtete Politik“. Doch die reichten für eine Beobachtung | |
nicht aus. | |
Dass die AfD als Gesamtpartei also lediglich [2][ein sogenannter Prüffall] | |
bleibt, hätte die Parteispitze – theoretisch – auch positiv kommunizieren | |
können: Seht her, der Verfassungsschutz hat unsere Programme als | |
verfassungskonform abgesegnet. Jetzt müssen wir nur noch bei der Jungen | |
Alternative und dem „Flügel“ [3][etwas aufräumen]. | |
Immer wieder beteuert die AfD-Spitze, sie wolle sich als Partei etablieren, | |
die zwar rechts von der Union, aber fest auf dem Boden des Grundgesetzes | |
steht. Meint sie das ernst, müsste sie diese Gelegenheit jetzt nutzen. | |
Denn dass die AfD eine solche Partei – für die es durchaus eine Nachfrage | |
gibt – derzeit nicht ist, fasst der Bericht des Verfassungsschutzes auf 436 | |
Seiten eindrucksvoll zusammen. Wer sich selbst ein Bild machen will, sollte | |
das neue Buch von „Flügel“-Chef Björn Höcke lesen. Fragt sich: Kann die … | |
diese Partei noch werden? Und will sie das überhaupt? | |
## Abspaltung nach rechts | |
Auch fünf Jahre nach ihrer Gründung und nach zwei Häutungen ist die AfD | |
eine heterogene Partei. Es gibt sie durchaus noch, die konservativen | |
Mitglieder und Funktionäre, die sich die alte CDU zurückwünschen und eine | |
Krise kriegen, wenn Höcke seine völkischen Ideen in die Welt bläst. Doch | |
sie sind leise und verlieren innerhalb der AfD immer mehr an Einfluss. Dass | |
sich das noch einmal ändert, ist unwahrscheinlich. | |
Das liegt auch an „Mut zur Wahrheit“, dem Gründungsmythos der AfD. Soll | |
heißen: In der AfD dürfen Wahrheiten ausgesprochen werden, die man woanders | |
unterdrückt. Mäßigung wird entsprechend als Schritt in Richtung der | |
verhassten „Altparteien“ gewertet, jeder Versuch der Zügelung durch die | |
Parteispitze gilt als Verrat an dieser Idee. | |
Die Parteibasis reagiert entsprechend empfindlich. Innerhalb weniger Tage | |
haben im Oktober mehr als 700 AfD-Mitglieder, viele von ihnen übrigens aus | |
dem Westen, den „Stuttgarter Aufruf“ unterzeichnet, der Parteifunktionäre | |
auf allen Ebenen vor Zugeständnissen an den Verfassungsschutz warnt – | |
obwohl Empfehlungen in dieser Richtung eher vorsichtig waren und vor allem | |
auf die Kommunikation abzielten. Und gerade gab es mit der kleinen Gruppe | |
um André Poggenburg [4][die erste Abspaltung nach rechts]. | |
Viele AfD-AnhängerInnen – gerade im Osten – haben sich längst an die | |
schrillen Töne gewöhnt und wären von moderateren Reden enttäuscht. Die | |
Dynamik, die die Partei entfacht hat, lässt sich schwer wieder einfangen. | |
Auch deshalb vertrieb die AfD ihre ehemaligen ParteichefInnen Bernd Lucke | |
und Frauke Petry, auch deshalb radikalisierte sich die Partei mit jeder | |
Erneuerung mehr. Viel spricht dafür, dass dies so weitergeht. | |
## Gauland schützt Höcke | |
Hinzu kommt die Abhängigkeit der Parteiführung vom „Flügel“. Parteichef | |
Jörg Meuthen wäre ohne Unterstützung von Höcke & Co weder 2015 ins Amt | |
gelangt noch später wiedergewählt worden. Er hat sich mit Anpassung und dem | |
Anlass angemessenen Reden beim Kyffhäusertreffen des „Flügels“ erkenntlich | |
gezeigt. Co-Chef Alexander Gauland, den der Verfassungsschutz selbst dem | |
Flügel zurechnet, hat früh erkannt, dass der Erfolg der AfD zunächst in | |
ihrer Breite liegt, und signalisiert, dass er nicht mäßigend einzugreifen | |
gedenkt. | |
Auch beeindruckt ihn Höcke, der wie kaum ein zweiter AfD-Politiker die | |
Straße mobilisieren, Hallen begeistern und mit dem er zudem angeregt über | |
Bismarck plaudern kann. Deshalb hat Gauland [5][stets seine schützende Hand | |
über den Rechtsaußen gehalten], auch als ein Teil des Bundesvorstands | |
versuchte, Höcke aus der Partei auszuschließen. Mit Argumenten übrigens, | |
von denen sich heute viele im Bericht des Verfassungsschutzes wiederfinden. | |
Ihr Erfolg hat die AfD längst verführt. Vielen in der Partei ist klar, dass | |
die hohen Wahlerfolge auf die Heterogenität der Partei zurückgehen – mit | |
Unterstützung aus der bürgerlichen Mitte bis weit ins rechtsextreme | |
Spektrum hinein. Den „Flügel“ zu stutzen, das würde viele Stimmen kosten | |
und könnte mittelfristig das eigene Mandat, den eigenen Job gefährden. Auch | |
der große Wunsch, es der CDU einmal so richtig zu zeigen und an ihr vorbei | |
auf den ersten Platz zu rücken, möglicherweise gar inklusive | |
Regierungsbeteiligung – das ist bislang nur im Osten vorstellbar. Bei den | |
Landtagswahlen im Herbst sind „Flügel“-Männer hier Spitzenkandidaten. Sie | |
anzuzählen, gefährdet den Erfolg. | |
## Fest mit dem „Flügel“ verwoben | |
Der „Flügel“ ist längst keine radikale Minderheit am Rand der Partei mehr. | |
Im Osten ist er die vorherrschende Kraft; in der Gesamtpartei stellt er | |
zwar noch nicht die Mehrheit, aber auf Parteitagen ist gegen ihn nichts | |
mehr durchzusetzen. Von ihrer Jugendorganisation könnte sich die AfD | |
trennen, das haben schon andere Parteien vor ihr getan. | |
Mit dem „Flügel“ aber ist die Partei zutiefst verwoben. Wer dies versucht | |
aufzulösen, könnte den Bruch der AfD provozieren. Das aber will intern | |
letztlich niemand. Bleibt für die, die sich für moderater halten, also die | |
Entscheidung, ob sie weiterhin mit Verfassungsfeinden gemeinsame Sache | |
machen wollen. | |
Viel spricht jedenfalls dafür, dass sie diese Chance verstreichen lassen. | |
Der Verfassungsschutz könnte dann wohl bald feststellen, dass der „Flügel“ | |
durchaus prägend für die Gesamtpartei ist. Dann dürfte aus dem Prüffall | |
letztlich eine Beobachtung werden. Und die AfD könnte das gleiche Schicksal | |
ereilen wie die Republikaner in den frühen Neunzigern. Von der Beobachtung | |
durch den Verfassungsschutz bis zum Bedeutungseinbruch war es damals nicht | |
weit. Nur die WählerInnen müssen mitspielen –und einer | |
verfassungsfeindlichen Partei ihre Stimme verweigern. | |
27 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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