# taz.de -- Shell und grüne Energien: Ölriese will Ökostromer schlucken | |
> Shell hat Interesse an der niederländischen Eneco, deren Tochter die | |
> Firma Lichtblick ist. Der Konzern hofft auf Ersatz für das | |
> Mineralölgeschäft. | |
Bild: Zukunftsträume: Shell sieht sich vor dem „Übergang in eine kohlenstof… | |
FREIBURG taz | Der Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick könnte in Zukunft | |
zum Shell-Konzern gehören. Das niederländisch-britische | |
Mineralölunternehmen hat zusammen mit dem niederländischen Pensionsfonds | |
PGGM Interesse an der kommunalen niederländischen Eneco-Gruppe bekundet, zu | |
der Lichtblick seit Dezember 2018 vollständig gehört. | |
Lichtblick war 1998 von Hamburger Unternehmern gegründet worden und ist | |
derzeit mit mehr als 600.000 Kunden nach eigenen Angaben Deutschlands | |
größter Anbieter grüner Energie. Als die Gesellschafter vor zwei Jahren die | |
Eneco mit 50 Prozent als Anteilseigner mit ins Boot nahmen, begründete | |
Lichtblick das damit, dass man „Kräfte für eine schnellere Energiewende in | |
Europa bündeln“ wolle. | |
Die Niederländer seien in ihrem Heimatland mit mehr als 2 Millionen Kunden | |
„Marktführer in der Erzeugung und im Handel nachhaltiger Energie“. Zudem | |
ist Eneco auch in Belgien, Frankreich und Großbritannien aktiv. Eneco | |
übernahm damals 3 von 6 Sitzen im Verwaltungsrat von Lichtblick. | |
Das niederländische Unternehmen galt aufgrund seiner kommunalen | |
Eigentümerschaft als passender Partner des deutschen Ökostromers. Eneco | |
gehört zu gut 31 Prozent der Stadt Rotterdam, große Anteilseigner sind auch | |
die Städte Den Haag und Dordrecht. Mehr als vierzig weitere Gemeinden | |
halten Anteile, die meisten weniger als jeweils 2 Prozent. | |
## Gut 90 Prozent der Anteilseigner wollen Lichtblick verkaufen | |
Doch die Kommunen haben inzwischen mehrheitlich das Interesse an dem | |
Unternehmen verloren und wollen es verkaufen. Gut 92 Prozent der | |
Anteilseigner hätten sich für einen Verkauf entschieden, sagte ein Sprecher | |
von Eneco auf taz-Anfrage. Aus diesem Grund werde das Unternehmen im | |
Frühjahr eine offizielle Ausschreibung starten. Der Verkaufsprozess werde | |
sich dann wahrscheinlich über das ganze Jahr hinziehen. Man hoffe, ihn bis | |
zum Jahresende abgeschlossen zu haben. An eine Veräußerung der Anteile über | |
die Börse sei nicht gedacht. | |
Zu weiteren Kaufinteressenten äußert sich Eneco nicht. Der | |
niederländisch-britische Erdölkonzern Shell ist mit einem Umsatz von gut | |
300 Milliarden US-Dollar und weltweit 86.000 Mitarbeitern eines der größten | |
Erdöl- und Gas-Unternehmen. Der Konzern war mit seinem Plan, für Eneco zu | |
bieten, selbst an die Öffentlichkeit gegangen. | |
„Die Energiewende bietet gute Möglichkeiten für langfristige Investitionen | |
in eine nachhaltigere Wirtschaft“, erklärte der Konzern dieser Tage. Aus | |
diesem Grund baue Shell seine Rolle in der Energiewende mit zunehmenden | |
Investitionen in Offshore-Windkraft, Solar und Elektromobilität aus. Der | |
Mineralölkonzern betonte, er sei bestrebt, Strom zu einem bedeutenden Teil | |
seines Geschäfts zu machen, von der Erzeugung über den Kauf und Verkauf bis | |
zur direkten Versorgung der Kunden. | |
Die Erneuerbaren-Sparte von Shell wurde im Mai 2016 gegründet und ist | |
bislang vergleichsweise winzig – mit einem jährlichen Investitionsbudget | |
von 200 Millionen US-Dollar pro Jahr. Bis 2020 sollen es ein bis zwei | |
Milliarden Dollar pro Jahr werden, was noch immer ein geringer Anteil des | |
gesamten Budgets von etwa 30 Milliarden wäre. | |
Sollte der Verkauf von Eneco an Shell zum Tragen kommen, stünde Lichtblick | |
in Deutschland vor der Herausforderung, sich unter dem Dach eines | |
etablierten Energiekonzerns weiterhin als Vorreiter der Energiewende zu | |
vermarkten. „Es wird einen Prozentsatz an Kunden geben, die das nicht | |
mitmachen“, sagt Dirk Briese, Geschäftsführer des | |
Marktforschungsunternehmens Trendresearch. | |
Zugleich aber betont der Energieexperte auch, dass der Markt sich längst | |
verändert habe, dass die klassische Schwarz-Weiß-Sicht – die | |
Ökostrombranche einerseits und die atomar-fossile alte Energiewelt | |
anderseits – ohnehin überholt sei. | |
Aus Sicht von Shell, das nun Geschäftsfelder „für den Übergang in eine | |
kohlenstoffarme Zukunft“ – so die Unternehmens-PR – sucht, liegt der Griff | |
nach Eneco nahe. Mit guter Marktposition und Kundenbeziehungen in mehreren | |
Ländern Mitteleuropas böten die Niederländer einen attraktiven Ersatz für | |
das traditionelle Mineralölgeschäft, das durch den Rückzug des | |
Verbrennungsmotors schrumpfen dürfte. | |
Mit Lichtblick würde Shell einen großen Schritt in die neue Energiewelt | |
gehen. Denn das Hamburger Unternehmen ist vielfältig aktiv – in den | |
Bereichen Solarstrom und Speicherung, beim Laden von Elektroautos und bei | |
der Entwicklung von „Sharing Energy“. Dabei geht es darum, dass Kunden | |
ihren lokal erzeugten Ökostrom mit anderen Kunden teilen können. | |
17 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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