# taz.de -- Ökostromer verweigert Tarifverhandlungen: Als Arbeitgeber kein Lic… | |
> Die Gewerkschaft Ver.di fordert Deutschlands größten Ökostromanbieter | |
> Lichtblick zu Tarifverhandlungen auf. Das Hamburger Unternehmen mauert. | |
Bild: Vor Tarifverhandlungen setzt die Lichtblick-Geschäftsführung ein deutli… | |
HAMBURG taz | Sucht man auf der Internetseite des Hamburger | |
Ökostromanbieters [1][Lichtblick] nach offenen Stellen, bekommt man schnell | |
den Eindruck, es gehe um mehr als einen Job. „Andere gehen morgens | |
arbeiten. LichtBlickende gehen das Klima retten“, ist dort zu lesen. Oder: | |
„Lichtblick sucht keine Mitarbeitenden. Sondern Mitdenkende“. Das | |
Unternehmen verbreitet das Image eines Start-ups, wirbt mit modernen | |
Arbeitsbedingungen: flexible Bürotage, großzügige Rahmenarbeitszeiten, die | |
Möglichkeit eines Sabbaticals, Option auf Teilzeit und so weiter. | |
Was Lichtblick jedoch nicht bietet, sind Tarifverträge. Die | |
[2][Gewerkschaft Ver.di] fordert nun, dass sich das ändert. „Es ist Zeit | |
für einen Tarifvertrag“, sagt Björn Krings, zuständiger | |
Gewerkschaftssekretär von Ver.di Hamburg. „Lichtblick ist kein Start-up | |
mehr.“ | |
1998 von Hamburger Unternehmern gegründet, gehörte Lichtblick zu den ersten | |
Firmen, die nach der Liberalisierung des Strommarktes Strom ohne Kohle und | |
Atom anboten. 2018 übernahm der niederländische Energieversorger Eneco den | |
Hamburger Anbieter, von den Manager:innen der Aufbauphase arbeitet | |
[3][niemand mehr im Unternehmen]. Ob der einstige Ökopionier immer noch so | |
öko ist, wie er sich gibt, wird in [4][der Umweltbewegung bezweifelt]. | |
Lichtblick selbst bezeichnet sich heute als Deutschlands größten | |
Ökostrom-Anbieter, hat 400 Mitarbeitende und setzt jährlich über eine | |
Milliarde Euro um. | |
Die Unternehmensführung zeigt wenig Bereitschaft, Ver.dis Forderung | |
nachzukommen. „Wir streben eine innerbetriebliche Lösung an“, erklärt | |
Sprecher Ralph Kampwirth. „Wir glauben, dass wir mit dem Betriebsrat eine | |
gute Lösung finden.“ Mehrfach betont er, Lichtblick sei ein attraktiver | |
Arbeitgeber. | |
## Gute Sachen, die aber nicht garantiert sind | |
Das zweifelt Ver.di auch gar nicht an. „Es gibt gute Sachen, zum Beispiel | |
das Sabbatical“, sagt Gewerkschaftler Krings. Die seien jedoch nicht | |
garantiert. „Mit dem Tarifvertrag wollen wir deshalb auch die bestehenden | |
guten Arbeitsbedingungen absichern.“ Allerdings kämen bestimmte tarifliche | |
Standards bei Lichtblick bisher nicht vor. So fehlten Weihnachtsgeld, | |
Gehaltsaufstockung beim Krankengeld und regelmäßig mit der Gewerkschaft | |
ausgehandelte Tariferhöhungen. Auch das will Ver.di ändern. | |
„Die Hauptpunkte für die Beschäftigten sind Gehälter und Arbeitszeiten“, | |
sagt Sven Peters, Betriebsratsvorsitzender und Mitglied der | |
Ver.di-Tarifkommission. Lichtblick setze weiterhin auf die | |
40-Stunden-Woche. Das sei nicht zeitgemäß. Auch eine Bezahlung unter | |
branchenüblichem Tarif sei vielen Beschäftigten nicht mehr zu vermitteln. | |
Für Peters ist es ein deutliches Zeichen, dass Ver.di derzeit einen enormen | |
Zuwachs an Gewerkschaftsmitgliedern erhalte – auch wenn er keine genaueren | |
Zahlen preisgeben will. Bei einer Umfrage vor zwei Jahren hätten sich | |
jedoch fast 80 Prozent von 170 Beschäftigten für einen Tarifvertrag | |
ausgesprochen. „Die Höhe des Gehalts ist für die Mitarbeitenden bei | |
Lichtblick schon länger ein Thema.“ Für ein eigentlich sozial engagiertes | |
Unternehmen sei der Tarifvertrag ein fehlender Baustein, so Peters. | |
## Keine Mitsprache bei Gehältern | |
Bei den „innerbetrieblichen Lösungen“ habe der Betriebsrat nur ein | |
beschränktes Mitspracherecht. „Wie hoch die Gehälter sind, können wir nicht | |
beeinflussen.“ Lediglich bei der Gehaltsstruktur, also wie das Geld | |
prozentual verteilt werde, könne man mitbestimmen. Letztendlich gebe es | |
ohne Gewerkschaft und Tarifvertrag keinen Konterpart zur | |
Unternehmensführung, was die Höhe der Gehälter und wesentliche | |
Arbeitsbedingungen betreffe. | |
Lichtblick scheint jedoch kein Einzelfall zu sein. Es sei ein Problem der | |
gesamten Branche, sagt Krings. „Die meisten Unternehmen in der erneuerbaren | |
Energiewirtschaft haben noch keine tarifliche Einigung.“ Viele seien noch | |
relativ jung und kämen aus einer Start-up-Kultur mit schwachen Hierarchien. | |
Gerade im Vergleich mit den konventionellen Stromanbietern und mit dem | |
eigenen Anspruch, soziales Unternehmen zu sein, hinkten Firmen wie | |
Lichtblick hinterher, sagt Krings. „Bei den großen Energieversorgern | |
handeln Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften standardmäßig Tarifverträge | |
aus“ – und das gelte auch, wenn die Konzerne auf erneuerbare Energien | |
umstiegen. Deshalb versuche Ver.di nun bei einem der größten | |
Energieversorger Deutschlands anzusetzen. „Wenn Lichtblick mit gutem | |
Beispiel vorangeht, hat das Signalwirkung“, ist Krings überzeugt. | |
Aber auch Ver.di sei bei der Unternehmensführung auf eine „klar ablehnende“ | |
Haltung gestoßen. „Solange es keinen Tarifvertrag gibt, besteht auch keine | |
Friedenspflicht“, warnt Krings. „Beim niederländischen Mutterkonzern gibt | |
es ja auch einen Tarifvertrag.“ Sollte sich die Geschäftsführung dauerhaft | |
weigern, werde Ver.di einen Warnstreik in Betracht ziehen. | |
26 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.lichtblick.de/ | |
[2] https://hamburg.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++a3b7d586-4b64-11ec… | |
[3] /Oekostrompionier-Lichtblick-baut-um/!5685386 | |
[4] /Einstiger-Oekostrompionier-nicht-mehr-oeko/!5655155 | |
## AUTOREN | |
Tjade Brinkmann | |
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