| # taz.de -- Debatte US-Außenpolitik: Weder Hü noch Hott | |
| > Am Beispiel des US-Engagements in Syrien zeigt sich vor allem eines: Wie | |
| > widersprüchlich die Politik der USA im Nahen und Mittleren Osten ist. | |
| Bild: Geht er nach Hause oder nicht? Die Aussagen der US-amerikanischen Regieru… | |
| Selten seit dem Zweiten Weltkrieg waren aus der Regierung in Washington in | |
| einer wichtigen sicherheitspolitischen Frage so widersprüchliche | |
| Erklärungen zu hören wie derzeit zur Zukunft der US-Truppen in Syrien. | |
| Mitte Dezember kündigte Präsident Donald Trump [1][den vollständigen Abzug | |
| der 2.000 Soldaten] innerhalb von vier Wochen an – per Twitter und ohne | |
| zuvor die für Sicherheits- und Außenpolitik zuständigen Mitglieder seiner | |
| Regierung zu konsultieren. Nach dem anschließenden [2][Rücktritt von | |
| Verteidigungsminister James Mattis] reichten dann auch der Stabschef des | |
| Pentagon und weitere Mitglieder der Regierung aus Protest gegen die | |
| Entscheidung ihren Abschied ein. | |
| Doch letzte Woche machten Trumps nationaler Sicherheitsberater John Bolton | |
| und Außenminister Michael Pompeo den Abzug der US-Truppen von drei | |
| Bedingungen abhängig: von der „vollständigen Vernichtung aller Reste der | |
| Terrororganisation ‚Islamischer Staat‘“, vom „Ende jeglicher militäris… | |
| Präsenz des Iran“ [3][sowie von „Sicherheitsgarantien“] des türkischen | |
| Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan für die KurdInnen in Nordsyrien. Zudem sei | |
| der Verbleib von US-Truppen in Syrien erforderlich, um „den Einfluss | |
| Russlands zurückzudrängen“ und als [4][„Rückversicherung“ für Israel, | |
| schrieb Bolton] in einem Memo an Trump. | |
| Sollte sich Präsident Trump diese Zielsetzungen zu eigen machen, wäre | |
| entgegen seiner Ankündigung von Mitte Dezember die Stationierung von | |
| US-Truppen in Syrien auf viele Jahre garantiert und sogar ihre Aufstockung | |
| wahrscheinlich. Zudem wüchse die Gefahr einer militärischen | |
| Auseinandersetzung zwischen den USA – im Bündnis mit Israel und | |
| Saudi-Arabien – und dem Iran. | |
| Die Erfüllung der Bedingung einer vollständigen Vernichtung des IS ist | |
| völlig unrealistisch. Alle Versuche der vergangenen vierzig Jahre – | |
| zunächst der Sowjetunion nach ihrer Invasion in Afghanistan 1979 und dann | |
| der USA und ihrer Verbündeten seit den Anschlägen vom 11. September 2001 –, | |
| islamistische Rebellengruppen oder Terrororganisationen militärisch | |
| endgültig zu besiegen, sind gescheitert. | |
| Erdoğan hat den Trumpf in der Hand | |
| Das ist allerdings nicht nur ein strategisches Dilemma für die USA, sondern | |
| auch für Russland und den Iran, die den IS, den syrischen Al-Qaida-Ableger | |
| sowie diverse sunnitisch-islamistische Rebellengruppen in Syrien | |
| militärisch bekämpft haben. Denn zugleich verschaffen Moskau und Teheran | |
| diesen Terrororganisationen und Rebellengruppen neuen Zulauf und | |
| Unterstützung, indem sie weiterhin das Regime von Präsident Baschar | |
| al-Assad in Damaskus an der Macht halten. | |
| Unter diesen Umständen wäre auch das von Bolton und Pompeo verlangte Ende | |
| der Präsenz von iranischen Militärstützpunkten und Soldaten in Syrien – | |
| wenn überhaupt – nur durch die US-amerikanische Unterstützung der bereits | |
| laufenden israelischen Luftangriffe auf diese Ziele zu erreichen. Auf das | |
| damit verbundene hohe Risiko eines indirekten oder gar direkten Krieges | |
| gegen den Iran würden sich Bolton und Pompeo, nach ihren bisherigen | |
| Bekundungen zu urteilen, wohl einlassen, nicht aber das Pentagon und | |
| wahrscheinlich auch nicht Trump. | |
| Schließlich hat die Administration in Washington keinerlei Druckmittel, um | |
| den türkischen Präsidenten zu verlässlichen „Sicherheitsgarantien“ für … | |
| KurdInnen in Nordsyrien zu bewegen. Mit der südtürkischen Luftwaffenbasis | |
| Incirlik, die für die USA und ihre Verbündeten für alle ihre bisherigen | |
| Kriege und militärischen Operationen im Nahen Osten unverzichtbar war, hat | |
| Erdoğan den entscheidenden Trumpf in der Hand. | |
| Das strategische Dilemma der USA in Syrien und darüber hinaus in der | |
| Nahostregion, das in den widersprüchlichen Äußerungen aus der | |
| Trump-Administration deutlich wird, wird bleiben, solange Washington nicht | |
| mit dem Hauptsponsor des globalen islamistischen Terrorismus, der | |
| wahhabitischen Königshausdiktatur in Saudi-Arabien bricht und die | |
| Beziehungen zum Iran grundsätzlich verbessert. Statt die viel beschworene | |
| „schiitische Achse der Bösen von Teheran über Damaskus bis zur Hisbollah im | |
| Libanon“ ins Visier zu nehmen, sollten die USA endlich gegen die | |
| Unterstützung von IS, al-Qaida sowie diversen sunnitischen Rebellengruppen | |
| in Syrien, Irak, Afghanistan und anderswo durch ihre vermeintlichen | |
| Verbündeten in Riad und Ankara vorgehen. | |
| Keine Chance für eine Kurskorrektur | |
| Der Iran ist wegen seines Reichtums an Öl und Gas, seiner strategischen | |
| Lage am Persischen Golf, seiner Geschichte sowie seiner Rolle als | |
| Führungsmacht der Schiiten das wichtigste Land in der Region des Nahen und | |
| Mittleren Ostens. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und | |
| Iran nähme dem Regime in Teheran endlich den außenpolitischen Hauptfeind. | |
| Dann bestünde auch die Chance auf eine Demokratisierung im Iran und in der | |
| Folge auch im Irak und in Syrien. Erst damit wären die Voraussetzungen für | |
| eine demokratische Selbstbestimmung der KurdInnen geschaffen, wenn nicht in | |
| einem gemeinsamen Staat, so doch zumindest unter weitgehenden, mit den | |
| Regierungen in Teheran, Bagdad und Damaskus vereinbarten Autonomieregeln. | |
| Doch für die skizzierte Kurskorrektur der US-Politik im Nahen Osten gibt es | |
| zumindest unter der Trump-Administration keine Chance. Das machte | |
| Außenminister Pompeo vergangene Woche in einer Rede in Kairo | |
| unmissverständlich deutlich. Er bekräftigte die tiefe Feindschaft gegen | |
| Iran und das enge Bündnis mit Saudi-Arabien. | |
| Pomepo, Bolton, Vizepräsident Mike Pence sowie Jared Kushner, Trumps | |
| Schwiegersohn und Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, bestimmen die | |
| Politik der USA in dieser Region. Trumps Twitter-Ankündigung zum Abzug der | |
| US-Soldaten entsprang lediglich dem populistischen Kalkül, beim | |
| isolationistisch gestimmten Teil seiner AnhängerInnen den Eindruck zu | |
| erwecken, er werde sein Wahlkampfversprechen von 2016 einlösen, „die Rolle | |
| der USA als Weltpolizist zu beenden“. | |
| 15 Jan 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Zumach | |
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