# taz.de -- Bericht zu Pflanzenschutzmitteln: Die Gärtner und das Gift | |
> Hobbygärtner, Hausmeister, Hausbesitzer, aber auch Landwirte und andere | |
> Profis setzen Pflanzenschutzmittel oft falsch ein. Das kann teuer werden. | |
Bild: Und wer macht das jetzt weg? (Also das Unkraut, nicht den Berliner Pannen… | |
Mitten in einer Fuge im Pflasterweg, in der Ritze zwischen den | |
Terrassensteinen sprießt plötzlich grün, macht sich etwa ein Löwenzahn oder | |
Wegerich breit. Das passt nicht jedem. Doch viele Hausbesitzer, | |
Hausmeister, Hobbygärtner handeln illegal, weil sie dem Kraut den Garaus | |
mit Giftmitteln wie dem umstrittenen Glyphosat machen wollen. Das geht aus | |
dem Jahresbericht 2017 zum Pflanzenschutz-Kontrollprogramm hervor, den das | |
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Dezember | |
herausgegeben hat. | |
Bei jeder zweiten Kontrolle, genauer bei 51 Prozent, stellten die | |
Behördenmitarbeiter „unzulässige Pflanzenschutzmittel-anwendungen“ fest u… | |
verhängten Bußgelder von bis zu 2.000 Euro. Theoretisch sind sie bis zu | |
einer Höhe von 50.000 Euro möglich. Der hohe Anteil der Verstöße hänge auch | |
damit zusammen, dass diese Kontrollen „gezielt“ stattfänden, heißt es in | |
dem Bericht. Die Kontrolleure rücken bei diesen Fällen erst aus, wenn | |
Nachbarn oder die Polizei Hinweise auf kommunale Betriebe, Unternehmen oder | |
Privatleute geben – 2017 war das rund 2.000-mal der Fall. | |
Dahinter steht aber ein größeres Problem, meint der Grünen-Agrarexperte | |
Harald Ebner: „Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden ist viel | |
zu selbstverständlich geworden. Sie sollten allenfalls das letzte Mittel im | |
Ausnahmefall sein“, so Ebner. „In Privatgärten haben sie schlicht nichts zu | |
suchen.“ Laien gingen oft falsch um mit dem Gift – die Menge zu groß, die | |
Verabreichung zu oft. In Frankreich sei es Privatleuten längst verboten, | |
Pestizide zu verwenden. | |
Auch das Umweltbundesamt hat bereits ein Verbot von Unkrautvernichtern für | |
Haus- und Kleingärten ins Spiel gebracht. „Denn regelmäßig tauchen die | |
Mittel in Kanalisation und Abwasserreinigungssystemen auf, die sich häufig | |
auf nicht sachgemäße Anwendung der Bürger zurückführen lassen“, sagt Reg… | |
Schreiber, Expertin der Behörde für Pflanzenschutzmittel. Zum Beispiel | |
dürfen selbst zugelassene chemische Unkrautvernichter nicht überall | |
versprüht werden. Erlaubt ist ihr Einsatz nur auf Flächen, die | |
landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden. | |
Auf versiegelten Flächen, auf Hofeinfahrten, Gehwegen, Terrassen, | |
Wegrändern dürfen sie im Grunde nicht verwendet werden – außer wenn die | |
zuständigen Behörden eine Ausnahmegenehmigung erteilt haben. Doch die ist | |
selten. Denn die Chemikalien können mit dem Regen, mit abfließendem | |
Oberflächenwasser, von den versiegelten Flächen in Gewässer und Kanäle | |
gespült werden und letztlich auch im Trinkwasser auftauchen. Aber wer weiß | |
das schon. | |
## Glyphosat im Naturschutzgebiet | |
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit fordert in | |
dem Jahresbericht eine „intensive Aufklärungs- und Informationsarbeit“. Die | |
Autoren meinen: „Gerade im privaten Bereich scheinen sich alte Gewohnheiten | |
im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln nur sehr langsam zu ändern.“ Zudem | |
machen sie ein besonderes Problem aus: „Begünstigt werden die | |
Fehlanwendungen durch die Zulassung und den Verkauf von | |
Pflanzenschutzmitteln, auf deren Verpackung die (zulässige) | |
Unkrautbekämpfung auf Beeten, aber auch die (genehmigungspflichtige) | |
Anwendung ‚Wege und Plätze‘ aufgeführt ist.“ So sei vielen Laien „tro… | |
aufgedruckten Hinweises auf die Genehmigungspflicht nicht bewusst, dass sie | |
eine illegale Pflanzenschutzmittelanwendung vornehmen, wenn sie Stein- oder | |
Schotterflächen behandeln“. | |
Aber es sind nicht nur die Laien, die zu lax mit Chemikalien umgehen. Die | |
Kontrolleure – zuständig sind die Behörden der Länder, das Bundesamt für | |
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unterstützt sie – prüfen | |
grundsätzlich, ob die Vorschriften eingehalten werden, wenn die knapp 820 | |
zugelassenen Pflanzenschutzmittel unter rund 1.600 verschiedenen | |
Markennamen verkauft und verwendet werden. Sie schauen im Internet nach | |
Angeboten, fahren systematisch bei Baumarktketten und anderen Händlern | |
vorbei. | |
2017 gab es 2.300 solcher Kontrollen. Sie besuchen Bauern und Gärtnereien, | |
2017 traf es 5.260 von insgesamt 275.400 land- und gartenbaulichen | |
Betrieben. Sie schauten sich etwa 20.200 Spritzgeräte, aber auch Felder an | |
und verhängten Bußgelder von bis zu 18.880 Euro. | |
Zum Beispiel flog einer auf, der in einem Naturschutzgebiet vor der | |
Maisaussaat Glyphosat gespritzt hat. Entscheidender aber sind diese | |
Ergebnisse: Ein Drittel aller überprüften Händler bot mindestens ein | |
Unkrautvernichtungsmittel an, das nicht mehr verkauft werden durfte. 2013 | |
war es noch ein Viertel. Die Tendenz ist also steigend. Und gut ein Viertel | |
hatte im Jahr 2017 die Handelstätigkeit nicht oder nur unvollständig bei | |
den Pflanzenschutzdiensten in den Bundesländern gemeldet. Rund 11.000 | |
Verkaufsstellen für Pestizide sind in Deutschland registriert. Zudem haben | |
die Landwirte bei 22 Prozent der 399 kontrollierten landwirtschaftlichen | |
Schläge Maßnahmen zum Gewässerschutz nicht ausreichend berücksichtigt. | |
## Das Gift durch die Hacke ersetzen | |
Der Grüne Ebner hält die Zahl der Verstöße für „gravierend“ und fordert | |
einen vorsichtigeren Umgang mit Pestiziden, die die Umwelt und menschliche | |
Gesundheit belasteten. Die Kontrollen sollten schärfer und häufiger, die | |
Sanktionen höher werden. Umweltbundesamts-Expertin Schreiber rechnet vor: | |
„Statistisch gesehen wird derzeit ein Betrieb mit Landwirtschaft oder einer | |
Gärtnerei nur alle 52 Jahre kontrolliert.“ Zudem werde das mögliche | |
Strafmaß nur zu einem „Bruchteil“ ausgeschöpft, wer illegal mit den Mitte… | |
agiere, müsse wenig fürchten. Die Kontrollbehörden, sagt sie, bräuchten | |
mehr Personal und Geld. | |
Ebner rät Hobbygärtnern übrigens zu mehr Gelassenheit. „Das Moos in den | |
Fugen kann gut aussehen, alles wirkt weniger steril“, meint er. „Wer es | |
aber unbedingt loswerden will, nimmt die Hacke und spart sich das Gift rund | |
ums eigene Haus.“ Und das Umweltbundesamt hat [1][im Netz die | |
Top-Ten-Maßnahmen] fürs Gärtnern ohne Chemie zusammengestellt. Darunter | |
etwa diese: „Robuste Pflanzensorten wählen“. | |
9 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.uba.de/garten-pflanzenschutz | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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