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# taz.de -- Kinderbauernhof Pinke Panke: Streit um Pinkepinke
> Der Kinderbauernhof Pinke Panke wehrt sich gegen drastische
> Mittelkürzungen des Bezirks. Eine umstrittene Änderung im Haushaltsgesetz
> könnte nun helfen.
Bild: Der Kinderbauernhof bietet etwas Landfeeling für Großstadtkinder
Mit einer Änderung im Haushaltsgesetz hat sich der rot-rot-grüne Senat mehr
Einfluss darüber gesichert, wie die Bezirke ihre Mittel verteilen dürfen.
Der Passus, der bei einigen StadträtInnen jetzt für Unruhe sorgt, versteckt
sich unter dem Punkt „Sonderfinanzierungen“ im Haushaltsgesetz 2018/19, das
das Abgeordnetenhaus vor Weihnachten beschlossen hatte. Dort heißt es: Bei
Projekten, die sowohl Geld vom Land als auch vom Bezirk bekommen, „ist eine
Absenkung der bezirklichen Leistungen […] nicht zulässig.“ Mit anderen
Worten: Wenn das Land irgendwo zuschießt, bestimmt es jetzt auch darüber,
was die Bezirke in welcher Höhe weiter fördern müssen.
Zwar ist die Absicht dahinter eine gute: Die Bezirke sollen sich nicht aus
der Finanzierung eines Projekts zurückziehen können, weil das Land sich ja
schon kümmert. Man wolle nicht, dass Senatsmittel mit Kürzungen aus dem
Bezirkshaushalt „kompensiert bzw. überkompensiert“ werden, sagt ein
Sprecher von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD).
Doch die gute Absicht sorgt in den Bezirken für Aufregung, wie der Streit
über die Weiterfinanzierung des Pankower Kinderbauernhofs Pinke Panke
zeigt. Dort war man im November entsetzt über den Beschluss des
Jugendhilfeausschusses im Bezirksamt, die Zuwendungen für den Bauernhof von
rund 65.000 im letzten Jahr auf nur noch 32.000 Euro in 2019 zu halbieren.
Komplett gestrichen worden seien zum Beispiel die Honorarmittel für die
pädagogisch betreute Holzwerkstatt, sagt Pinke-Panke-Leiterin Annett Rose.
Auch die Betreuung der Praktikumsplätze für behinderte Jugendliche könne
man sich so nicht mehr leisten. Mehr als 7.500 Fans der stadtweit bekannten
Institution auf dem ehemaligen Mauerstreifen haben eine Online-Petition
gegen die Mittelkürzungen unterschrieben.
Nun bekommt der Bauernhof allerdings auch Geld vom Land, und zwar nicht
wenig: Laut Pankows Jugendstadträtin Rona Tietje (SPD) fördert Rot-Rot-Grün
den Bauernhof, der offiziell „außerschulischer Lernort“ für Schulklassen
ist, mit 254.000 Euro pro Jahr. Damit sei Pinke Panke das „am höchsten
geförderte Projekt“ in ihrer Zuständigkeit. Zudem gehe es auch nicht um
eine Kürzung von Geldern für die Jugendarbeit im Bezirk, betont Tietje. Was
dem Bauernhof genommen wird, soll stattdessen einem Jugendtreff
zugutekommen, der dringend mehr Personal für die Arbeit mit benachteiligten
Jugendlichen brauche.
Tietje betont aber auch, dass sie lieber anders entschieden hätte als der
Jugendhilfeausschuss, der über die Mittelvergabe entscheidet. Aus ihrer
Sicht habe es genug Geld im Haushalt gegeben, um Pinke Panke wie gewohnt
weiter zu finanzieren. So entstehe jetzt der Eindruck, „dass ein einzelnes
Projekt herhalten muss, um Defizite woanders auszugleichen“.
## Strategieänderung des Senats
Mit der neuen Gesetzeslage müsse aber ohnehin noch mal neu diskutiert
werden, sagt Tietje. Denn eine Absenkung der Bezirksmittel, wenn das Land
mitfinanziert, ist nun ja nicht mehr erlaubt, wie auch der
Haushaltspolitiker und Pankower Abgeordnete Torsten Schneider (SPD) in
einem Unterstützerbrief an den Bauernhof schreibt: „Nach meiner
Einschätzung lässt sich die avisierte Absenkung Ihrer bezirklichen
Förderung schon unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht aufrechterhalten
und wird spätestens im Wege der Rechtsaufsicht des Senats kassiert.“
In den anderen Bezirken ist man irritiert über die neue Rechtslage. Der
Neuköllner Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) sieht darin eine „maßgebliche
Strategieänderung“ des Senats. „Im Grundsatz“ könne er zwar nachvollzie…
was der Senat mit der Änderung bezwecke. Er fürchtet aber um die
Flexibilität der Mittelverteilung: „Wenn ich jetzt zum Beispiel keine neuen
Einrichtungen mehr aufbauen kann, weil ich nicht umverteilen kann, ist das
schlecht.“
In Friedrichshain-Kreuzberg sieht man das ähnlich. Bezirksbürgermeisterin
Monika Herrmann (Grüne) sagte, sie gehe davon aus, dass trotz der Änderung
im Haushaltsgesetz nichts geschehe, ohne dass es im Einzelnen mit den
Bezirken abgesprochen werde. Der Jugendhilfeausschuss habe eine
„maßgebliche Entscheidungskompetenz“, betonte Herrmann. Sie hat nun
Redebedarf: „Ob diese Entscheidungskompetenz einfach zu umgehen ist, ist zu
diskutieren.“
## Senat entscheidet, Bezirk finanziert
Schärfer wird Oliver Schworck (SPD), Jugendstadtrat in
Tempelhof-Schöneberg. Die Gesetzesänderung sei „unzureichend“ und
„kurzsichtig“, sagt Schworck. „Das verschiebt die Zwänge innerhalb des
Amts.“ Außerdem entscheide nun de facto das Abgeordnetenhaus, was vom
Bezirk (weiter-)finanziert wird. Dabei solle es bei der Idee der
„Aufstockungsfinanzierung“ durch das Land ja eigentlich anders herum sein �…
der Bezirk entscheidet, das Land schießt zu. „Ich bin mir nicht sicher, ob
sich alle im Klaren über die Tragweite der Gesetzesänderung sind.“
Die Bezirke müssten „frei sein, ihre Mittel zu verteilen oder umzuverteilen
– unabhängig von den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses beziehungsweise
des Senats“, mahnt auch Mitte-Bezirksbürgermeister Stefan von Dassel
(Grüne). Ansonsten müsse das Land konsequenterweise „entweder die
Globalsumme abschaffen oder die Autonomie der Bezirke akzeptieren“. Er
will, dass sich jetzt eine bezirkliche Arbeitsgruppe mit dem Thema befasst,
das potenziell immerhin alle von Land und Bezirken kofinanzierten Projekte
betrifft, nicht nur solche aus der Jugendarbeit.
In Pankow beschäftigt der Streit über Pinke Panke erneut das Bezirksamt,
heute tagt der Jugendhilfeausschuss. Stadträtin Tietje habe ihr
zugesichert, den Fall dann noch mal diskutieren zu wollen, sagt
Bauernhof-Leiterin Rose. Sie rechnet mit einer Entscheidung auf der
heutigen Sitzung. Wie die auch immer ausfällt, sie dürfte für
Diskussionsstoff sorgen.
8 Jan 2019
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Haushaltsgesetz
Jugendarbeit
Kinderbauernhof
Jugendliche
Haushalt
Urban Gardening
Görlitzer Park
Kinder
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