# taz.de -- Im Linienbus nach Trinidad: Einmal quer durch Kuba | |
> Die von Castro erfundene Devisen-Bus-Linie Viazul hat Vorteile: Ein | |
> Mietwagen verlangt Konzentration. Im Bus kann man träumen, Impressionen | |
> tanken. | |
Bild: Vom Bus aufs Pferd: Ritt durch Pinar del Rio auf Kuba | |
Der Morgen beginnt vor Tau und Tag. Sanft rötet sich der Horizont über dem | |
Malecón und verwischt die schwarzen Spuren der Nacht. Nicht einmal Elias | |
ist auf, der sonst die kühlen Morgenstunden nutzt, um in seinem | |
Open-air-Studio auf dem Dach nebenan Gewichte zu heben. Die Hähne vom | |
Giebel gegenüber setzen zum Weck-Kikeriki an. Heute sind die Busreisenden | |
mal früher dran als sie. | |
Abreise nach [1][drei Tagen Havanna]. Die Entdeckerlust treibt einen | |
weiter. Bei der Diva der Karibik reichte das gerade mal für ihre schönsten | |
Seiten – die Altstadt, die Kathedrale, die Plaza de Armas, das Capitolio | |
oder die Floridita, Hemingways Lieblingsbar. Doch es gibt so viel mehr zu | |
sehen in einem [2][Land wie Kuba], dessen Vielfalt sich über gut 1.100 | |
Kilometer von West nach Ost erstreckt. | |
Marbelis Coello besteht gern auf frühes Aufstehen. „Der Viazul-Bus fährt | |
superpünktlich“, lobt sie das gut funktionierende Liniensystem. Die | |
Verwalterin der casa particular kümmert sich um alles, auch um die | |
reibungslose Weiterreise ihrer Gäste. Trotz der Frühe steht ihr opulentes | |
Frühstück auf dem Tisch: mundgerecht geschnittene Bananen, Papayas und | |
Ananas, frischgepresster Guaven-Saft, duftender Kaffee, Bruschetta, Toast | |
und Brötchen, zwei Spiegeleier für jeden. Mangel kennt eine gutgehende | |
Privatpension wie die „Casa Glória“ nicht. | |
Vor der Haustür wartet ein blauer Chevrolet, den Marbelis für den Transfer | |
zum Bus-Terminal besorgt hat. Tito ist zwei Stunden vor der Zeit da, obwohl | |
er für die Tour in den Stadtteil Nuevo Vedado keine zwanzig Minuten | |
braucht; aber in Kuba weiß man das nie so genau. Und der Check-in dauert | |
länger. Schwungvoll wuppt er das Gepäck in den Kofferraum, die Fahrgäste | |
versinken in abgeliebten Polstern. Der Oldtimer schnurrt los. | |
## Ausländer und reich gewordene Kubaner | |
Am Schalter warten schon andere Reisende. Der Beamte vergleicht die Voucher | |
mit den Listen, nickt, hakt ab. Die Uhr über ihm geht exakt zehn Minuten | |
vor – Pünktlichkeit und gute Organisation gehören bei dieser Firma zur | |
Dienstleistung. Von der Wand lächelt Kubas legendärer Revolutionär: „Fidel | |
entre nosotros“ steht auf dem Plakat – Fidel ist unter uns. Der Mythos des | |
verstorbenen Máximo Líders lebt, auch unter den Reisenden. Denn Viazul ist | |
die von Castro erfundene Devisen-Linie: Sie befördert nur Passagiere, die | |
mit Pesos Convertibles (CUC) bezahlen, mit harter Währung. Deshalb steigen | |
nur Ausländer und reichgewordene Kubaner ein. | |
Kurz vor dem Start rollt ein weiß-blauer Überlandbus in den Terminal bis | |
vor die Tür des Wartesaals. „Viñales, Viñales!“ ruft der Ticketkontrolle… | |
Mit Koffern und Rucksäcken drängeln alle zum Gate. Alle wollen in den | |
9-Uhr-Bus, und es gibt oft mehr Tickets als Plätze. Ist der Bus voll, wird | |
ein zweiter eingesetzt – nicht immer. Nelson Díaz stemmt sich auf seinen | |
ausgebeulten Thron hinter dem Steuerrad, auf dem er seit Jahren als König | |
des löchrigen Asphalts sitzt, während er zwischen den Provinzhauptstädten | |
und den touristischen Zentren pendelt. Díaz startet den Motor des nicht | |
mehr neuen chinesischen Yutongs. Der Bus fährt an. Alles beginnt. | |
Díaz lenkt das Fahrzeug gemütlich auf die Autopista 4 in Richtung Pinar del | |
Río. Nach Viñales sind es 164 Kilometer, gut vier Reisebusstunden. Ein | |
Tempo, bei dem er die großen Löcher im Asphalt noch locker umfahren kann. | |
Der mollige Chauffeur dreht die Klimaanlage hoch. Eiskalte Luft breitet | |
sich aus. Hinter den beschlagenen Fenstern ziehen Palmen, Truthahngeier und | |
grüne Tabakfelder vorbei, Ochsenkarren, die die rote Erde furchen, und die | |
dicht bewaldeten Hügelketten der Cordillera de Guaniguanico. Es sind mehr | |
Pferde als Autos unterwegs, Kutschen, Reiter, Radfahrer, Fußgänger und | |
manchmal Kühe. | |
Ein Mietfahrzeug verlangte höchste Konzentration. Im Bus kann der Mensch | |
träumen, Impressionen tanken. Abzweig nach Las Terrazas. Zehn Minuten | |
Pause. Ein Kubaner verkauft vom Fahrrad aus selbst abgefüllte Tütchen mit | |
Erdnüssen und Erdnuss-Riegel mit Honig. Der Fahrer greift sich mehrere | |
Packen aus dem Korb, der Verkäufer lässt es gelten. Wer hier aussteigt, | |
logiert im Hotel Moka, dem ersten Bio-Hotel Kubas, um im Biosphärenreservat | |
der Sierra del Rosario zu wandern und in den Seen zu baden. | |
Der Yutong dröhnt in den Horizont hinein. Langsam wächst die Sierra de los | |
Órganos aus ihm heraus. Nächster Halt in Pinar del Río, der Hauptstadt der | |
Region, die für ihre farbigen Säulenhäuser bekannt ist. Von einem | |
Wandplakat verspricht Che: „Y mis sueños no tendrán fronteras“ – Und me… | |
Träume kennen keine Grenzen. In ihren Träumen malen sich die Busreisenden | |
unterdessen die Mogotes auf, die sich wie Elefantenbuckel aus dem Boden | |
wölben, die grün bewachsenen Kalksteinfelsen, für die Viñales so berühmt | |
ist. Nur noch dreißig Kilometer. | |
## Zimmer in Privatunterkunft | |
Pünktlich um Zwei biegt Díaz in die lange Hauptstraße Salvador Cisneros | |
ein, die fast nur aus Restaurants besteht. An der Bushaltestelle vor der | |
Kirche Sagrado Corazón de Jesus wartet bereits eine Menschentraube, | |
Kubaner, die auf Reisende ohne Quartier hoffen. Sie halten ein Bild von | |
ihrer casa particular hoch, die in den Reiseführern vielleicht noch nicht | |
gelistet ist, nur mäßigen Standard bietet oder einfach noch nicht | |
„entdeckt“ wurde. Die bekannten casas sind längst ausgebucht. | |
Der Ort Viñales hat wenig mehr zu bieten als casas particulares. Rund 1.000 | |
Privatzimmer hat das Dorf. „Ihre Zahl wächst wöchentlich“, sagt Dolores v… | |
Infotur. Immer mehr Touristen fallen ein, um die vor gut 160 Millionen | |
Jahren geschaffene, bizarre Hügellandschaft im Unesco-Biosphärenreservat zu | |
erwandern, zu erklettern, vom Sattel aus zu erkunden, das verzweigte | |
Höhlensystem zu begehen und natürlich einen Tabakbauern zu besuchen. | |
Wenn abends die Schatten länger werden, sitzen die Einheimischen vor der | |
Haustür im Schaukelstuhl und lassen das Leben an sich vorübergleiten. Man | |
lebt gut hier. Wie von selbst spülen die Touristen die kostbare CUC-Währung | |
in ihre Portemonnaies. Nachdem der Anbau fertig geworden ist, vermieten | |
auch Yosbel und Yurisbelkis zwei Zimmer an Ausländer. Das junge Paar legt | |
Wert auf gute Matratzen, Deko, Safe, Wifi, Klimaanlage, ein gepflegtes Bad | |
– alles neu, ein hoher Standard in Kuba. Yurisbelkis mag nicht an den | |
Bussen um Gäste buhlen. Sie hängt lieber ein Schild „disponible“ an ihre | |
Tür – Zimmer frei. Die nächste Etappe führt nach Trinidad. Der Weg ist | |
weit, gut 500 Kilometer. | |
Diesmal ist der Sitz durchgesessen, die Rückenlehne kaputt. So reist man | |
halb liegend wie im Sofa durchs Land. Tauschen geht nicht; der Bus ist | |
ausgebucht. Der Fahrer stellt sich als Speedy Gonzalez vor, kichert und | |
dreht das Radio auf: Bob Marley singt „This is love“. Gonzalez pfeift mit. | |
Aber auch er fährt gemütlich. Auf der carretera central, der wichtigsten | |
Nervenader des Landes, die einmal quer durch Kuba verläuft, wechseln sich | |
endlose Zuckerrohrplantagen mit Ananasstauden, Mangobäumen und Reisefeldern | |
ab. | |
## Zu den Zuckerbaronen | |
Nach einer halbstündigen Pause in Cienfuegos, einer atmosphärischen Stadt | |
mit maritimem Flair, in der man gern Zeit hätte für die Kathedrale mit den | |
ungleichen Türmen, dem Teatro Terry oder den skurrilen Valle-Palast, drängt | |
Speedy zur Weiterfahrt. Der Weiß-Blaue kurvt am Meer entlang, vorbei an der | |
Sierra de Escambray und der Schweinebucht, in der 1961 die amerikanische | |
Invasion schon nach drei Tagen scheiterte und Fidels Ruhm sich verewigte. | |
Ankunft in Trinidad, der einstigen Hauptstadt der Zuckerbarone im „Goldenen | |
Zeitalter“. Es ist schon spät. Schnell die Casa Elena y Victor beziehen und | |
zur Plaza Mayor schlendern, dem schönsten Platz der Stadt. Hier hat sich | |
die Crème der Zuckeraristokratie pittoreske Paläste gebaut und den Ort in | |
ein koloniales Schmuckstück verwandelt. | |
Ungeduldige bevölkern schon vor Sonnenuntergang die vielen Stufen neben der | |
Iglesia de la Santísima. Wenn die Livebands loslegen, rasseln die | |
Maracas-Kugeln, Congatrommeln hämmern, Klanghözer klacken. Klänge, die | |
berauschen, die Hüften in Bewegung setzen, Sehnsüchte wecken. Palmblätter | |
rascheln, der kühle Nachtwind fächelt die tropische Schwüle des Tages fort. | |
An Weiterfahrt denkt man noch lange nicht. | |
29 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Immobilienmakler-auf-Kuba/!5026978 | |
[2] /Beschraenkung-der-Kunstfreiheit-in-Kuba/!5554032 | |
## AUTOREN | |
Beate Schümann | |
## TAGS | |
Reiseland Kuba | |
Bus | |
Unterkunft | |
Kuba | |
Kuba | |
Kuba | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verfassungsrang für die Privatwirtschaft: Kuba vor Facelifting der Verfassung | |
Die KubanerInnen stimmen am Sonntag über eine neue Verfassung ab. Sie | |
enthält Verbesserungen. Die Homoehe gibt es auf Druck der Kirchen aber | |
nicht. | |
Beschränkung der Kunstfreiheit in Kuba: Kubanische Rolle rückwärts | |
Ley 349 heißt das Gesetz, mit dem die kubanische Regierung die | |
Kunstfreiheit beschneiden will. Der Protest unabhängiger Künstler geht | |
weiter. | |
Kubas Kampf gegen Steuerhinterziehung: Neue Regeln für Privatwirtschaft | |
Die Behörden auf Kuba vergeben wieder Lizenzen für die Arbeit auf eigene | |
Rechnung. Sie wollen damit gegen Steuerhinterziehung vorgehen. | |
Musikmesse Atlantic Music Expo: Das Nervenzentrum der Kapverden | |
Vier Tage lang traf sich die internationale Musikszene im in Praia. | |
Hunderte Zuschauer flanierten durch die Stadt und genossen Gratiskonzerte. |