# taz.de -- Wahlkampf im Kongo: Opposition soll nicht landen | |
> Die Wahl im Kongo wird noch einmal kurz verschoben. Das Regime kämpft mit | |
> allen Mitteln gegen die Oppositionskoalition Lamuka. | |
Bild: Sauer über die Verschiebung der Wahl: Oppositionsanhänger in Kinshasa | |
GOMA taz | Vor der großen Villa von Kongos First Lady Olive Lembe Kabila in | |
Ostkongos Provinzhauptstadt Goma versammelt sich eine Menschenmenge: Frauen | |
mit Babys im Tragetuch, Motorradtaxifahrer, Studenten. Ein Lastwagen mit | |
scheppernden Lautsprechern auf der Ladefläche parkt am Straßenrand. Ein | |
Wahlkampfsong für Emmanuel Shadary, den Präsidentschaftskandidaten der | |
Regierung, hallt durch die Gassen des noblen Stadtviertels Himbi entlang | |
des Kivusees. | |
„Wir warten auf unsere Mama“, sagt Daniel Muhindo. Der Student trägt eines | |
jener blau-gelben T-Shirts der Regierungspartei PPRD (Volkspartei für | |
Wiederaufbau und Demokratie), die vom Lkw herab verteilt werden. Olive | |
Lembe, die Frau von Präsident Joseph Kabila, ist gebürtig aus einem Dorf | |
nahe Goma. Hier steht ihre Villa, direkt am Seeufer: „Sie soll uns etwas | |
geben, dann können wir versichern, dass die Stadt zu 100 Prozent Shadary | |
wählt“, so Muhindo. | |
Die First Lady der Demokratischen Republik Kongo fungiert als | |
Wahlkampfhelferin für Kabilas Wunschnachfolger Shadary, bislang ständiger | |
Sekretär der PPRD. Als ehemaliger Innen- und Sicherheitsminister war er in | |
den vergangenen zwei Jahren verantwortlich für die gewaltsame | |
Niederschlagung von Anti-Kabila-Protesten. Die Europäische Union verhängte | |
daher im Jahr 2017 Sanktionen gegen ihn. | |
Im Vorfeld von Shadarys Wahlkampfauftritt im Fußballstadion in Goma hat | |
Lembe Kabila bündelweise Geld verteilt, um Menschen anzulocken. Die | |
Millionenstadt inmitten der Bürgerkriegsregion steht der Opposition nahe. | |
Nur wenige Hundert junge Männer kamen ins Stadion, um Shadary zuzujubeln, | |
die meisten wurden dafür bezahlt. Dass „Mama Olive“, wie sie oft genannt | |
wird, Geld verteilt, hat sich in Goma jedoch rasch herumgesprochen. Im | |
Laufe des Vormittags wird die Menschenmenge immer größer. Die | |
Präsidentschaftsgarde muss anrücken, um das Haus zu sichern, ein | |
UN-Hubschrauber kreist über Himbi, um die Lage zu beobachten. | |
## Tränengas, Kugeln | |
Der Wahlkampf im Kongo ging in den vergangenen Tagen [1][in die heiße | |
Phase]. Für das Regime, das seit 17 Jahren an der Macht ist, geht es jetzt | |
um alles oder nichts. Denn Kabila selbst darf laut Verfassung nicht mehr | |
antreten. Er hat hingegen seinen loyalen Parteigenossen ins Rennen | |
geschickt und angekündigt, bei den nächsten Wahlen, voraussichtlich 2023, | |
möglicherweise wieder anzutreten. | |
Der wenig charismatische Shadary gilt als Marionette. Im Wahlkampf hat sich | |
immer mehr gezeigt: Die Oppositionskoalition Lamuka mit [2][ihrem | |
gemeinsamen Kandidaten Martin Fayulu] hat offensichtlich die Nase vorne. In | |
zahlreichen Städten des großen Landes zog er gewaltige Massen an. Sie | |
trugen ihn auf einem mit rotem Stoff bezogenen Stuhl durch die Straßen, wie | |
einen König. „Wir wollen keine T-Shirts und kein Geld, wir wollen | |
Veränderung“, hatten ihm die Leute in Goma zugerufen. | |
Kabilas Machtapparat hat alles Mögliche versucht, um Fayulus | |
Massenaufläufe zu verhindern. In Shadarys Heimatprovinz Maniema erhielt | |
Fayulus Flugzeug keine Landeerlaubnis. Die Armee hatte die Landebahn mit | |
Hubschraubern zugeparkt. In Lubumbashi, Heimatstadt von Oppositionsführer | |
Moise Katumbi, der zu den Wahlen nicht zugelassen wurde und daher all sein | |
Geld auf Fayulu setzte und ihm seinen Privatjet zur Verfügung stellte, | |
wurden die Fans mit Tränengas und Kugeln beschossen. Sechs Tote gab es | |
während des Wahlkampfs landesweit. Die UN-Mission im Kongo (Monusco) | |
dokumentierte 43 Übergriffe gegen die Opposition vonseiten der | |
Sicherheitsorgane. | |
Als Fayulu am Mittwoch in der Hauptstadt Kinshasa landete, verbot der | |
dortige Gouverneur sämtliche Veranstaltungen. Auf dem Weg vom Flughafen in | |
die Stadt wurde sein Konvoi von Sicherheitskräften blockiert: „Wir standen | |
von drei Uhr nachmittags bis zum späten Abend und kamen nicht vorwärts“, | |
berichtet Fayulu der taz im Interview per Telefon. Als seine Anhänger | |
angeströmt kamen, wurden sie mit Tränengas auseinandergetrieben. „Wir | |
hatten so viele Schwierigkeiten“, sagt er. | |
## 8.000 Wahlmaschinen verkohlt | |
Vor dem Gebäude der Wahlkommission (CENI) in Goma drängeln sich drei Tage | |
vor dem angesetzten Wahltermin am 23. Dezember Hunderte Menschen. Sie haben | |
ihre Wählerkarten verloren oder sie wurden gestohlen, nun verlangen sie | |
eine neue. Doch die CENI-Mitarbeiter sind heillos überfordert. Im Lagerraum | |
im Erdgeschoss türmen sich Pakete mit Wahlunterlagen und den umstrittenen | |
Wahlmaschinen, die von der Opposition als Instrumente zur Wahlfälschung | |
bezeichnet werden. Beni oder Butembo steht als Zielort auf den Kartons. | |
Rund um diese Städte 300 Kilometer nördlich grassiert das tödliche | |
Ebolavirus, Milizen attackieren die Bevölkerung, Kongos Armee und | |
UN-Blauhelme führen Militäroperationen durch. | |
Viele Kongolesen hegen berechtigte Zweifel, dass die Wahlen stattfinden | |
können. Letzte Woche brannte das von Soldaten der Präsidentengarde bewachte | |
CENI-Zentrallager in Kinshasa ab, 8.000 Wahlmaschinen verkohlten. Wie es | |
zum Feuer kam, ist unklar. Ein Teil der Wahlunterlagen befindet sich noch | |
immer in Südafrika, wo sie gedruckt wurden. | |
Die Monusco hat zu Beginn der Woche der Regierung erneut angeboten, mit | |
Flugzeugen bei der Logistik zu helfen wie bereits bei den Wahlen zuvor | |
2011. Doch CENI winkte ab. Man wolle keine Einmischung von internationaler | |
Seite. EU-Wahlbeobachter wurden nicht eingeladen. Stattdessen kam es zu | |
Protesten vor dem „Schengenhaus“, der belgischen Botschaft in der | |
Hauptstadt, gegen die EU-Sanktionen. | |
Zuletzt war es die Armee, die mit ihren Frachtmaschinen und Lkws die | |
Wahlmaterialien verteilte. Doch in den vergangenen Tagen transportierten | |
die Antonows vermehrt Soldaten: Über 5.000 Mann zusätzliche Truppen wurden | |
in der Hauptstadt zusammengezogen. | |
## Proteste an der Uni | |
Am Mittwoch sickerten erste Gerüchte über eine mögliche Wahlverschiebung | |
durch. Am Donnerstag berief CENI-Chef Corneille Nangaa eine Pressekonferenz | |
ein. An der Universität Kinshasa protestierten sofort Studenten. „Wir | |
lehnen eine Wahlverschiebung kategorisch ab“, erklärt Fayulu am Telefon. | |
Die „Volksabstimmung“ der vergangenen Woche habe ihn bereits zum Sieger | |
erklärt: „Die Strategie Kabilas ist nicht aufgegangen.“ | |
Erst nach Einbruch der Dunkelheit trat Nangaa vor die Kameras: Die Wahlen | |
würden um mindestens eine Woche verschoben, verkündete er, denn CENI sei | |
wegen der zerstörten Wahlmaschinen nicht in der Lage, die Abstimmung | |
termingerecht durchzuführen, Ebola und Unsicherheit verhinderten die Wahl | |
in gewissen Regionen. Nachfragen ließ er nicht zu. Indes ballten sich | |
über Goma Gewitterwolken. Statt zu demonstrieren, liefen die Menschen | |
resigniert im Regen nach Hause. | |
22 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlmaterialien-verbrannt/!5556102 | |
[2] /Martin-Fayulu/!t5550574 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Kongo | |
Joseph Kabila | |
Martin Fayulu | |
Kongo | |
Kongo | |
Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Historische Wahl im Kongo: Die Menschen stehen im Regen | |
Bei der Wahl in der Demokratischen Republik Kongo läuft vieles schief. Die | |
elektronischen Wahlmaschinen vergrößern das Durcheinander. | |
Vor der Wahl im Kongo: Kein Vertrauen in Wahlkommission | |
Vor der Wahl im Kongo verdüstert sich die Stimmung. In mehreren Städten | |
wird protestiert und gestreikt. Der EU-Botschafter wird ausgewiesen. | |
Verschobene Wahlen im Kongo: 1,25 Millionen Wähler ausgeschlossen | |
In vier Wahlkreisen findet der bereits verschobene Urnengang erst im März | |
statt. Der neue Präsident wird trotzdem im Januar vereidigt. | |
Friedensnobelpreis schafft neuen Mut: Wo Frauen wieder Freude lernen | |
Claire Riziki ist vergewaltigt worden. In einer im Kongo einmaligen | |
Therapieeinrichtung fasst sie neuen Mut. Ein Besuch in der „Stadt der | |
Freude“. | |
Wahlmaterialien verbrannt: Feuriger Wahlkampf im Kongo | |
In zehn Tagen wird in der Demokratischen Republik Kongo gewählt. Jetzt | |
gingen die meisten Wahlmaterialien für die Hauptstadt in Flammen auf | |
Kolumne Afrobeat: Nobelpreis ohne Frieden | |
Der kongolesische Arzt Denis Mukwege wird für seinen Kampf gegen sexuelle | |
Kriegsverbrechen ausgezeichnet. Aber was folgt daraus? |