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# taz.de -- Die Wahrheit: Alles muss raus
> Zwischen den jüngst wieder geschehenen ominösen Jahren tummeln sich in
> weinseliger Atmosphäre durchaus richtige gute Gesprächskalauer.
Auf der Atelier-Party zwischen den ominösen Jahren kannte ich nur die
Gastgeberin, eine Videokünstlerin. Und die nicht mal gut. Immerhin aber ein
bisschen besser als den Unterschied zwischen einigen Begriffen in der
bildenden Kunst heute: Intervention, Installation, Environment, Performance
et cetera. O je.
Nach drei Gläsern Fendant wollte ich aufbrechen, da erschien jener
Ex-Kumpel namens Olaf, von dem ich neulich erzählt habe. Ich hatte mit ihm
damals plaudernd zwei Begriffe verglichen, nämlich eine interdisziplinäre
Tumorkonferenz, an der er beteiligt gewesen war, und eine Humorkonferenz
meinerseits erörtert. Kurzum: Ich holte ein frisches Glas und wir setzten
uns in eine Ecke.
Nachdem wir uns kurz ausgetauscht hatten, wie wir die Festtage verbracht
hatten, tippte ich sein Befinden an: „Na, und wie geht’s so?“, womit ich
sein aktuelles humanmedizinisches Bulletin in Schlagworten erfahren wollte.
„Doch höchstens fünf Minuten“, sagte ich, denn in unserm Alter spricht man
klugerweise möglichst wenig über den Gesundheitsstatus. Olaf zögerte,
haderte ohrenscheinlich mit dem Weg, der einzuschlagen wäre. „Pass auf“,
sagte er dann, „ich probiere erst mal die zwei Kalauer, die mir im Moment
in den Sinn geraten. Erstens rufe ich den Zellen zu, die da im Schädel
nicht hingehören: ‚Alles raus, was keine Miete zahlt‘ und …“ Ich unter…
ihn: „Der ist schon ziemlich gut“. – „… und zweitens sage ich, dass i…
nach langwierigem, aufwändigem, jahrelangem Grübeln beschlossen habe, eine
Spontanheilung zu akzeptieren.“
„Fein“, sagte ich, „und wir nennen es jetzt vornehm Intervention, ist hier
also gewissermaßen an einem geeigneten Ort.“ Olaf drehte sich eine dünne
Zigarette mit Filter, deutete mit einer Geste zur Hoftür. Als er sich
wieder neben mich gesetzt hatte, erweckte seine Mimik den Eindruck, er habe
eine weitere Miniatur zu bieten.
„Übrigens war ich kürzlich in Göttingen, hörte mir Vorträge beim
Hirntumorinformationstag an. Am lustigsten fand ich einen Beitrag zu
Cannabis seitens eines Neurologen vom Tumorzentrum München. Zum Einstieg
sagte er, die Frage zur Sinnhaftigkeit der Cannabis-Begleittherapie
beantworte er ‚mit einem klaren Jein‘.“
„Interessant“, sagte ich daraufhin, erwartete mehr. Und es rückte an: „J…
und dann prognostizierte er, in frühestens 50 Jahren wissen wir über die
vielfältigen Wirkungen und die Prozesse von Cannabis wirklich Genaueres.“
Der Witz gefiel mir natürlich und sogleich sprang die aktuelle Nachricht
dazwischen, dass die UNESCO die „Reggae-Musik von Jamaika“ zum
immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt hatte. Das erzählte ich
Olaf. „Passt“, sagte er, „pusht bestimmt die Hanfnutzung, denn die Genesis
und die Performance des Reggae wäre ohne Kiff nicht installiert.“
Als Environment wehte nun höchst punktgenau Hanf-aroma durchs Atelier, aber
ich blieb an diesem Abend beim Fendant.
2 Jan 2019
## AUTOREN
Dietrich zur Nedden
## TAGS
Kommunikation
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Philosophie
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