# taz.de -- Kommentar Proteste in Ungarn: Orbáns Achillesferse | |
> An den Demonstrationen in Ungarn nehmen viele junge Menschen teil. Sie | |
> kennen Viktor Orbán als autoritären Machthaber, der sich die Taschen | |
> füllt. | |
Bild: Lieber mal die Klappe halten: Demonstrierende in Budapest sind sehr unzuf… | |
Ungarns Premier Viktor Orbán wirkt hilflos [1][angesichts der | |
Demonstrationen], die auch die Feiertage und den Jahreswechsel überdauern | |
werden. „Hysterisches Gekreische“ nannte er die Sprechchöre in seinem | |
allwöchentlichen Selbstdarstellungsinterview in Kossuth-Rádió. | |
Ausgestattet mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament hat er keine andere | |
Erklärung für die Proteste als wieder einmal eine Verschwörung seines | |
Erzfeindes George Soros. Das ist ebenso primitiv wie falsch. Dass Leute von | |
NGOs, die von Orbáns Regierung drangsaliert werden und von der Central | |
European University (CEU), die er aus dem Land geworfen hat, sich den Demos | |
anschließen, darf nicht überraschen. Aber wer glaubt, dass ein Milliardär | |
in New York in Ungarn spontane Massenproteste befehlen kann, der gehört | |
entmündigt. | |
Vielmehr haben alle Oppositionskräfte im diskussionslos verordneten | |
Arbeitszeitgesetz eine Achillesferse erkannt, die den selbstherrlich | |
regierenden Premier wirklich schmerzen kann. Die Proteste werden von jungen | |
Menschen getrieben, die Orbán nicht als den mutigen Liberalen im Gedächtnis | |
haben, der einst auf dem Heldenplatz Brandreden gegen das kommunistische | |
Regime hielt. Sie kennen ihn als autoritären Caudillo, der sich und seinen | |
Spezis die Taschen füllt. | |
Anders als die sehr zurückhaltend auftretenden Bürgerlichen, die für | |
Pressefreiheit oder die CEU auf die Straße gingen, hat diese Generation | |
keine Scheu, sich mit Polizisten anzulegen und obszöne Slogans zu singen. | |
Die Oppositionsparteien, die ihre Wähler frustriert haben, weil sie im | |
vergangenen April die Chance, Orbán durch taktische Bündnisse bei den | |
Parlamentswahlen zu schwächen, nicht nutzten, sehen sich plötzlich im | |
Aufwind. Im Parlament gehen ihre Stimmen unter, doch auf der Straße werden | |
sie gehört. Nicht wenige versprechen sich von der Fortsetzung der Proteste | |
das Ende des Systems Orbán. Dazu wird es kaum kommen. Aber die | |
Selbstherrlichkeit der herrschenden Clique könnte einen Dämpfer abbekommen. | |
23 Dec 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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