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# taz.de -- Bevölkerungspolitik in Ungarn: Finanzielle Köder und ein Van
> Regierungschef Viktor Orbán will Frauen dazu bringen mehr Kinder zu
> bekommen. Damit will er der angeblich drohenden Islamisierung begegnen.
Bild: Mehr Gebären heißt das Gebot der Stunde: Ungarns Regierungschef Viktor …
Wien taz | Mit einer Gebärprämie will Ungarns Premier Viktor Orbán die
Frauen ködern. In seiner Jahresbilanzrede am Sonntag eröffnete er den
Wahlkampf für die EU-Wahlen Ende Mai mit einer völkischen Ansage. Frauen
unter 40 Jahren sollen einen Kredit zur freien Verwendung aufnehmen dürfen,
für den drei Jahre keine Rückzahlungen fällig sind, sobald sie das erste
Kind bekommen.
Voraussetzung ist, dass sie zum ersten Mal verheiratet sind. Wenn sie zwei
Kinder bekommen, müssen sie nur zwei Drittel zurückzahlen. Ab dem dritten
Kind verwandelt sich das Darlehen in eine Schenkung. Ab dem vierten Kind
sollen Frauen außerdem lebenslang von der Einkommensteuer befreit werden.
Als Sahnehäubchen winkt den Großfamilien eine Förderung für den Ankauf von
siebensitzigen Vans.
„Europas Völker sind an einem historischen Scheideweg angekommen“, dozierte
Orbán vor einem handverlesenen Publikum. „Wer sich – aus welchen Gründen
auch immer – für Migration und Migranten entscheidet, schafft ein Land mit
gemischter Bevölkerung“, warnte der Regierungschef, der seit Jahren mit der
Abwehr von Flüchtlingen und Zuwanderern gegen die EU zu Felde zieht.
Europas Linke, so Orbán, „ist zum Totengräber der Nationen, der Familie und
der christlichen Lebensart geworden“. In ehemals christlichen Ländern, so
warnte Orbán, würden die Christen noch in seiner Lebenszeit zu Minderheiten
schrumpfen: „Es gibt keine Rückfahrkarte“. Deswegen hoffe er nach den
Europawahlen auf eine „Antimigrationsmehrheit“ in den EU-Institutionen.
## Ethnisch rein
Mit einer Reproduktionsrate von nur 1,45 Geburten pro Frau lag Ungarn 2016
unter dem europäischen Durchschnitt. Die Abwanderung vor allem junger und
qualifizierter Arbeitskräfte hat das Problem verschärft. Aber anders als
die meisten Staaten, die die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt und die
Stabilität ihrer Sozialsysteme teilweise durch Zuwanderung zu decken
versuchen, setzt Ungarn auf ethnische Reinheit.
„In ganz Europa gibt es immer weniger Kinder“, wetterte Orbán, und die
Antwort des Westens sei Zuwanderung. „Wir Ungarn denken anders. Uns geht es
nicht einfach um Zuwachszahlen, sondern um ungarische Kinder. Migration ist
für uns Kapitulation.“
In Ungarn, das im 16. und 17. Jahrhundert mehr als 150 Jahre unter
osmanischer Fremdherrschaft lebte, ist die Furcht vor der angeblich
drohenden Islamisierung weit verbreitet. Wichtigster Drahtzieher der
angeblich gezielten „Überflutung“ Europas mit muslimischen Zuwanderern ist
für Orbán der liberale US-Milliardär, Spekulant und Philanthrop George
Soros, der in Ungarn den Holocaust überlebte.
Orbáns Rede wurde von einer von den Oppositionsparteien organisierten
Demonstration vor der Budaer Burg begleitet. Anders als um die Jahreswende
konnten gegen die völkischen Pläne des Premiers aber keine Massen
mobilisiert werden.
## Opposition einig
Im Dezember und Januar waren Zehntausende auf die Straßen gegangen, um
gegen eine Reform der Arbeitsgesetzgebung zu protestieren. Die von den
Gewerkschaften als „Sklavengesetz“ etikettierte Novelle ist auch eine
Konsequenz des gravierenden Bevölkerungsschwundes. Weil in den Autofabriken
die Fachkräfte fehlen, dürfen Unternehmer jetzt 400 statt bisher 250
Überstunden jährlich verlangen.
Mit der Bezahlung können sie sich drei Jahre Zeit lassen. Im Widerstand
gegen diese Maßnahmen waren sich die sonst zerstrittenen
Oppositionsparteien einig. Jetzt müssen sie in den Wahlkampf für das
EU-Parlament geschwächt einsteigen, denn der regierungshörige Rechnungshof
hat ihnen empfindliche Strafen wegen angeblich illegaler Finanzierung
aufgebrummt.
11 Feb 2019
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Schwerpunkt Europawahl
Migration
Ungarn
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