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# taz.de -- Grünen-Chefin Baerbock zum Klimaschutz: „Umweltressort als Macht…
> Würde Annalena Baerbock morgen als Umweltministerin aufwachen, wäre für
> sie klar: Ob Soziales, Verkehr oder Industrie, der Klimaschutz muss alle
> Politikfelder binden.
Bild: Gemeinsam mit Robert Habeck im Parteivorsitz der Grünen: Annalena Baerbo…
taz: Frau Baerbock, aus der Opposition lässt sich beim Klimaschutz ja immer
alles fordern. Deshalb wollen wir hier mal den Ernstfall simulieren: Sie
wachen morgen auf und sind Bundesumweltministerin. Was ist Ihr wichtigstes
Projekt?
Annalena Baerbock: Klimaschutz in den Mittelpunkt jeder Politik zu stellen.
Mit einem wirklichen Klimaschutzgesetz, das alle Politikfelder bindet und
für alle Bereiche wie Verkehr, Bau oder Industrie verbindliche Vorgaben
beim CO2-Ausstoß macht. Fürs Klima war es fatal, 2013 die Energie aus dem
Umweltministerium zu lösen – die CO2-Emissionen sind jedenfalls nicht
gesunken. Bisher steht das Umweltressort am Rand, es muss zu einem
Machtzentrum werden, zuständig auch für Energie.
Aber ein Klimaschutzgesetz bekommen wir ja auch ohne grüne Beteiligung. Die
Groko plant das für nächstes Jahr.
Ja, Pläne … Geplant war auch, zur Klimakonferenz mit einem deutschen
Kohleausstiegsgesetz zu fahren – und nichts ist passiert. Ein Gesetz,
[1][das das Pariser Abkommen umsetzt], braucht einen schnellen
Kohleausstieg und soll ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zulassen.
Außerdem brauchen wir einen Mindestpreis für CO2 von 40 Euro im
Emissionshandel und eine CO2-Bepreisung für Verkehr und Wärme.
Ein so mächtiges Umweltministerium müssten Sie in Koalitionsverhandlungen
erst einmal durchsetzen. Worauf würden Sie dafür verzichten?
Sorry, aber ich führe jetzt keine hypothetischen Koalitionsverhandlungen.
Klimaschutz ist Industriepolitik, Sicherheitspolitik und gerade auch
Sozialpolitik. Eine Regierung, die das nicht als oberste Maxime formuliert,
schadet der Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Wären Sie bereit, dafür etwa bei Ihren Forderungen bei der Vermögensteuer
oder bei Hartz IV zurückzunehmen?
Die Dinge hängen miteinander zusammen: Ökologie ist ohne Sozialpolitik
nicht zu machen und umgekehrt. Aus den Einnahmen aus der CO2-Bepreisung
wollen wir deshalb ein Energiegeld auszahlen und so die ärmeren Haushalte
entlasten. Klar ist aber, dass Demokratie immer Kompromiss ist. Wer an
einer Stelle etwas bekommt, muss an irgendeiner anderen Stelle etwas geben.
Wer nicht zu Kompromissen bereit ist, wird handlungsunfähig.
Bei den Jamaika-Verhandlungen war das schnelle Aus für Kohlekraftwerke mit
7 Gigawatt Leistung geplant. Was würden Sie jetzt abschalten?
[2][Unverzüglich erst mal die 20 ältesten Kohlekraftwerke bis 2020], dann
so schnell wie möglich noch mehr, weil das nicht reicht. Weil Union und SPD
so viel Zeit verplempert haben, haben wir jetzt nur noch zwölf Monate Zeit,
um das rechtlich sauber hinzubekommen. Es zählt jeder Tag und jedes
Kraftwerk.
Selbst wenn Sie eine grüne Superministerin für Umwelt und Energie hätten,
gäbe es da immer noch die anderen Ministerien wie Verkehr und
Landwirtschaft unter Führung einer größeren Partei. Wie würden Sie die am
Kabinettstisch überzeugen, mehr zu tun?
Genau deshalb muss sich Klimaschutz als verbindliche Aufgabe durch die
gesamte Regierung ziehen. Für die Landwirtschaft hieße das: Deutschland
müsste sich für eine grundlegende Reform der EU-Agrarförderung einsetzen:
Ein Betrieb sollte nur so viele Tiere haben, wie er mit seinen Flächen
grundsätzlich ernähren kann. Und beim Verkehr eiert die Regierung rum.
Stattdessen müssten wir autofreie Innenstädte, Elektroquoten und das Ende
des fossilen Verbrennungsmotors durch gesetzliche Regelungen sichern, um
Planungssicherheit zu garantieren. Zugleich geht es um Investitionen: Wir
müssen Busse und Bahnen gerade auch auf dem Land massiv ausbauen, damit es
nicht wie jetzt in Frankreich zu einer sozialen Schieflage kommt.
[3][Da wurde eine Ökosteuer erhöht], ohne die Leute mitzunehmen. Einen
ähnlichen Proteststurm hat gerade auch SPD-Umweltministerin Svenja Schulze
für ihren Vorschlag für höhere Spritpreise erlebt. Wie wollen Sie so etwas
verhindern?
Es darf sich nie die Frage stellen: Geht es um Klimaschutz oder um
Arbeitsplätze, etwa beim Kohleausstieg. Wenn Klimaschutz und Beschäftigung
Hand in Hand gehen, bekommt man auch Gewerkschaften an seine Seite.
Menschen mit weniger Geld dürfen nicht stärker belastet werden als reiche.
Deshalb bin ich ja für ein Energiegeld. Zugleich könnte man bei einer
sozial durchdachten Ökosteuerreform die Stromsteuer senken. Menschen mit
einer umweltfreundlicheren Gasheizung würden dann weniger schlecht gestellt
als jene mit einer umweltschädlichen Ölheizung. Aber natürlich wird es
immer auch Gegenreaktionen geben, vor allem von den Teilen der Industrie,
die noch massiv Profit mit den Fossilen machen oder dort ihr Geld angelegt
haben.
Für alle diese Zumutungen bräuchten Sie Verbündete. Wo sehen Sie die?
Da gibt es mehr, als man denkt. Beim CO2-Preis warten Frankreich, die
Niederlande und Großbritannien auf uns Deutsche, beim Ausbau der
Erneuerbaren die Südländer und die Skandinavier. Bei den
Jamaika-Verhandlungen haben 50 Großunternehmen den Kohleausstieg gefordert,
Versicherungs- und Investmentfirmen sind dafür umzusteuern. Dazu kommt der
große Druck aus der Zivilgesellschaft, den wir etwa im Hambacher Wald
gesehen haben, bei der Konferenz in Kattowitz, in Kirchen und an
Universitäten. Die gesellschaftlichen Mehrheiten sind da, es braucht jetzt
nur den politischen Willen.
Ein so starkes Umweltministerium wäre ganz neu. Und Sie hätten Lust, dieses
Haus zu führen?
Das Haus, das ich gerade mit meinem Co-Vorsitzenden Robert Habeck zusammen
führe, gefällt mit derzeit sehr gut, auch vom Klima her.
10 Dec 2018
## LINKS
[1] /Kommentar-Umsetzung-der-Klimaziele/!5553991
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[3] /Kommentar-Frankreichs-Oekosteuer-Streit/!5553382
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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Schwerpunkt Klimawandel
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