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# taz.de -- Rekommunalisierung: Staatskohle für Karl-Marx-Allee
> Der Senat hat sich über eine Lösung für die Mieter der Berliner
> Karl-Marx-Allee verständigt. Damit gibt es gute Chancen, einen
> Großinvestor auszubooten.
Bild: Historische Straße: Die Karl-Marx-Allee
Es war ein Herzschlagfinale. Im letzten Moment hat der rot-rot-grüne Senat
am Dienstag den Weg für die Übernahme eines Abschnitts der Karl-Marx-Allee
in Friedrichshain durch eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft
freigemacht. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und Bausenatorin Katrin
Lompscher (Linke) sollen ein gemeinsames Konzept dafür entwickeln. Ein
erster Termin ist nach Informationen der taz bereits für diesen Mittwoch
anberaumt.
Der grüne Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, zeigte
sich über die Entscheidung erfreut. „Es ist ein Erfolg, wenn nun ein Modell
verfolgt wird, das den Mieterinnen und Mietern Sicherheit gibt“, sagte
Schmidt der taz. Schmidt hatte am Montag, also einen Tag vor der Sitzung
des Senats, eine „Handlungsempfehlung zum Ankauf Karl-Marx-Allee“
vorgelegt. Wenn sich Kollatz und Lompscher am Mittwoch treffen, wird
Schmidt mit am Tisch sitzen.
Bis zuletzt haben Senat und Bezirk darum gerungen, wie den Mieterinnen und
Mietern von 620 Wohnungen in den Blöcken C-Nord, C-Süd sowie D-Nord zu
helfen sei. Ihre Wohnungen waren im Oktober von der am Börsenmarkt
notierten Deutsche Wohnen gekauft worden.
Berlins berüchtigste Heuschrecke auf dem Wohnungsmarkt gab sich gleich
darauf alle Mühe, ihren Ruf zu bestätigen. Zwar gebe es für die Mieterinnen
und Mieter wie bei solchen Geschäften üblich ein Vorkaufsrecht, räumte die
Deutsche Wohnen ein. Das komme aber nur dann zum Tragen, wenn der Kaufpreis
bar auf den Tisch gelegt werde. Der juristische Winkelzug dabei: Die
Verkäuferin der 620 Wohnungen, die Predag Immobilien AG, und die Deutsche
Wohnen haben in ihrem Vertrag eine sogenannte Belastungsvollmacht
ausgeschlossen. Ein Mieter als Käufer kann also nicht die eigene Wohnung
beleihen und als Sicherheit bei den Banken geltend machen.
## Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit
Schon im November hatte Florian Schmidt deshalb ein [1][ungewöhnliches
Konstrukt] vorgeschlagen. Mit einem Treuhändermodell sollten die Mieter mit
Krediten des Landes in die Lage versetzt werden, ihre Wohnungen kaufen –
und zugleich ihre Eigentumsrechte an eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft
abtreten. „Ich rechne damit, dass 80 Prozent der Wohnungen über dieses
Modell gekauft werden könnten“, sagte Schmidt damals der taz.
Allerdings gab es Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit des Modells. So
ist zum Beispiel die Abtretung eines Vorkaufsrechts der Mieter an Dritte
nicht möglich. Am vergangenen Freitag hat deshalb Finanzsenator Kollatz ein
anderes Modell ins Spiel gebracht. In einem Brief an die Betroffenen
stellte er Kredite der Investitionsbank Berlin (IBB) in Aussicht, damit die
Mieter ihre Wohnungen selbst kaufen könnten. Dem aber erteilte der
Mieterbeirat der Karl-Marx-Allee eine Absage.
Auch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ lehnt das
Kollatz-Modell ab. Begründung: „Es wird kein kommunaler Wohnungsbestand
gebildet, der preisdämpfend wirkt“, heißt es in einer Presseerklärung.
Stattdessen verhindere das Modell eine „Rekommunalisierung der Wohnungen in
der Karl-Marx-Allee“.
In der Zwischenzeit war Schmidt nicht untätig geblieben. Das Bezirksamt
Friedrichshain-Kreuzberg hatte den Leipziger Anwalt Simon Schuster mit
einem Rechtsgutachten beauftragt. Am Dienstagvormittag wurde das Ergebnis
bekannt. In dem 18-seitigen Gutachten, das der taz vorliegt, geht Schuster
davon aus, dass der Ausschluss der Belastungsvollmacht juristisch nicht
anzufechten sei. Auch eine Übertragbarkeit des Vorkaufsrechts sei, wie
erwartet wurde, rechtlich ausgeschlossen.
Dennoch bewertete Simon Schuster das Treuhändermodell von Florian Schmidt
als gangbar. Es sei möglich, dass die Mieter die Wohnungen kaufen und ihre
Ansprüche an eine Wohnungsbaugesellschaft abtreten. „Die Unübertragbarkeit
des Vorkaufsrechts steht einer solchen Abtretung nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung grundsätzlich nicht entgegen“, urteilt Schuster.
„Damit ist die Rekommunalisierung möglich“, freute sich der Vorsitzende des
Mieterbeirats, Norbert Bogedein, am Dienstag. Das sahen bei der
Senatssitzung wohl auch Linke und SPD so. Florian Schmidt verlangt nun
Tempo. „Es muss alles ganz schnell gehen.“ Zunächst müsse eine
Wohnungsbaugesellschaft gefunden werden, an die die Mieter ihre Rechte
abtreten. Bereits am 20. Dezember soll dann das Vorkaufsrecht offiziell
ausgeübt werden. Bis dahin bleiben in der Karl-Marx-Allee wohl die
Transparente hängen.
4 Dec 2018
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## AUTOREN
Uwe Rada
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