Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Teufelsberg unter Denkmalschutz: Eine Art Grauzone
> Aus „historischen Gründen und wegen seiner städtebaulichen Bedeutung“
> steht der Grunewald-Hügel unter Denkmalschutz. Was bedeutet das für die
> Zukunft?
Bild: Sind die Abhör-Kuppeln auf dem Teufelsberg in ihrem ramponierten Zustand…
Er scheint ein Ort der Seligen und Kreativen, dieser Berg mit dem
teuflischen Namen. Dabei handelt es sich bei dem Berg um ein durch und
durch menschengemachtes Artefakt. Der Teufelsberg, immerhin rund 120 Meter
hoch und sein kleinerer Bruder, der 20 Meter niedrigere Drachenberg
nebenan, sind aus den Ruinen des letzten Weltkrieges erwachsen. Von 1950
bis 1972 wurden 26 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt abgekippt. Im Inneren
des Teufelsbergs ruht etwa ein Drittel aller im Krieg zerstörten Gebäude
Berlins. Der Teufelsberg ist also eine Art Massengrab für zerstörte Gebäude
des Krieges.
Begraben wurde mit den Kriegsrelikten zugleich ein ziemlich
größenwahnsinniges Projekt. Denn tief im Berg stecken bis heute die Reste
der „Wehrtechnischen Fakultät“ einer künftigen Hochschulstadt, die im Zuge
der Umgestaltung Berlins zur Welthauptstadt Germania rechts und links der
Heerstraße entstehen sollte.
Dass hier ab 1937 mitten im Grunewald, der im nördlichen Teil bereits
abgeholzt war, überhaupt gebaut wurde, war bereits ein Rechtsbruch. Nur war
das deutsche Reich in der Zeit des Nationalsozialismus eben kein
Rechtsstaat mehr. Seit 1915 hatte der sogenannte Dauerwaldvertrag
dekretiert, dass „der wachsenden Bevölkerung der Reichshauptstadt für eine
fernere Zukunft die Gelegenheit der Erholung und Erfrischung im Freien und
im Walde zu sichern“ sei. Das Gesetz gilt nach wie vor: Im Grunewald darf
nicht gebaut werden.
Allerdings haben nicht nur die Nazis sich nicht um den Dauerwaldvertrag
geschert, auch die alliierten Besatzungs‑ bzw. Schutzmächte der
Viersektorenstadt standen über deutschem Recht. Eigentlich sollte die
ursprüngliche Idee aus der Nachkriegszeit, über der Nazi-Architektur Wald
wachsen zu lassen, ein weiteres Einbrechen etwaiger Bebauung in den
Grunewald gerade verhindern. Doch wie man weiß, nutzten Amerikaner und
Briten den Gipfel des Teufelsberges – die letzte größere Erhebung vor
Moskau und geografisch mitten im kommunistischen Machtbereichs gelegen –,
zur Anlage einer Abhörstation. Im Militärjargon hieß der Horchposten „Field
Station Berlin“.
Schluss mit der Signals Intelligence auf dem Teufelsberg, also der
Informationsgewinnung durch Abhören des Funk‑ und Telefonverkehrs war erst
nach dem Fall der Mauer. 1991 zogen die Amis und Briten ab. In drei
Schichten hatten 1.200 bis 1.500 Mitarbeiter in fensterlosen Räumen unter
den markanten „Radomen“, den Schutzkuppeln für die Parabolantennen,
gearbeitet.
Was hier genau passierte, ist immer noch nicht ganz klar. Und wie immer,
wenn etwas geheim ist, entstehen Gerüchte. Unter dem Teufelsberg könnte es
möglicherweise geheime Bunker und Wege durch den Berg geben bis tief in die
Nazi-Zeit hinein.
Aber nicht wegen solcher Geschichten, nicht wegen seines inzwischen
morbiden Charmes als „Rotten Place“, sondern aus „historischen Gründen u…
wegen seiner städtebaulichen Bedeutung“ wurde der Teufelsberg vom
Landesdenkmalamt am 30. Oktober dieses Jahres unter Denkmalschutz gestellt.
Und zwar der ganze Berg, um sämtliche historischen Schichten zu
berücksichtigen, die da wären: erstens die nationalsozialistische
Wehrtechnische Fakultät. Zweitens der Trümmerberg einschließlich seiner
Gestaltung als Grünanlage „nach Entwurf von Fritz Witte, Leiter des
Hauptamts für Grünflächen und Gartenbau beim Magistrat von Groß-Berlin, und
Walter Rossow, Berliner Landschaftsplaner“. Und drittens „die amerikanische
und britische NSA Field Station Teufelsberg (Abhörstation) aus der Phase
des Kalten Krieges (1962–92)“.
## Nazi-Relikte im Innern
Dass der Denkmalschutz erst jetzt offiziell erlassen wurde, ist
verwunderlich. Der Teufelsberg mit seinen bis heute markanten Radarkuppeln
aus Kunststofffolie ist nicht nur eine weit sichtbare Landmarke, er ist
zudem ein bedeutsames Geschichtsdenkmal für die Zeit Berlins als Frontstadt
im Kalten Krieg. Und nicht zuletzt birgt der Ort in seinem Inneren die
mahnenden Relikte aus der Nazi-Zeit. In den Dimensionen des Trümmerbergs
zeigt sich wie an keinem anderen Ort, welche Folgen die Kriegstreiberei der
Nazis hatte.
Was bedeutet nun der neue Denkmalschutz für den Teufelsberg und seine
Zukunft? Antwort aus dem Landesdenkmalamt: erst mal gar nichts. Außer dass
bei etwaigen baulichen Veränderungen auch der Denkmalschutz mitsprechen
darf. Denn sollte die private Eigentümergemeinschaft des Berges oder der
derzeitige Pächter irgendwelche Baumaßnahmen, Umgestaltungen oder gar
Abrisse beabsichtigen, müsste das behördlich zuvor genehmigt werden.
Dürfen also die Künstler nicht mehr werkeln? Die Grafiti-Sprüher nicht mehr
sprühen, die Musiker nicht mehr üben oder konzertieren? Dürfen in Zukunft
keine Partys mehr gefeiert werden und keine Filmdrehs mehr stattfinden wie
in der Vergangenheit? Antwort: Man weiß es nicht so genau. Der Teufelsberg
scheint eine Art Grauzone zu sein. Und was soll überhaupt aus den
inzwischen völlig ausgeweideten Ruinen ohne Strom‑ und Wasseranschluss
werden? Kommerziell lässt sich mit dem Teufelsberg nicht wirklich etwas
anfangen, denn inzwischen ist der gesamte Berg auch wieder
Landschaftsschutzgebiet und im Bebauungsplan von Berlin als Waldgebiet
ausgewiesen.
Ohnehin haben sich alle Versuche in der Vergangenheit zerschlagen, mit dem
Teufelsberg Geschäfte zu machen. Die Idee der Investorengemeinschaft
Teufelsberg (IGTB), die den Berg 1996 erwarb, Luxusapartments, ein Hotel
mit Tagungszentrum und Gastronomie‑, Büro und Gewerbeeinrichtungen zu
bauen, haben de facto zu nichts anderem geführt als zu einer weiteren
Zerstörung der ursprünglichen Field Station. Die IGTB ging pleite, erteilte
Baugenehmigungen wurden 2004 gelöscht. Zurück blieben halb demontierte
Gebäude und Investitionsruinen.
Die Künstler und eine Initiative „Kultur-Denk-Mal Teufelsberg“ waren es,
die den völlig vermüllten Berg und seine durch Vandalismus devastierten
Gebäude in den letzten Jahren einigermaßen gesichert haben – geduldet und
gefördert durch Marvin Schütte, dem derzeitigen Pächter des Areals und Sohn
eines Mitglieds der Eigentümergemeinschaft. Nur eines scheint sicher: Wenn
nicht kräftig investiert wird, wird das geschützte Denkmal weiter
verfallen. Mit „Selbsthilfe“, wie Marvin Schütte meint, werden die Künstl…
vor Ort, wohl kaum viel ausrichten können.
Aber außer durch einige Idealisten und künstlerisch veranlagte Schwärmer
passiert auf dem Berg wenig. Jemand von der Initiative veranstaltet zweimal
in der Woche „Historische Führungen“ für 15 Euro über das Gelände. Besu…
müssen vorher schriftlich erklären, dass sie auf eigene Gefahr das Gelände
besuchen. Aber sonst? Man kann auch ohne Führer eine „stille Begehung“
buchen. Das kostet 5 Euro.
## Nur noch die Schredderanlage
Die breite Öffentlichkeit fehlt trotz oder wegen des morbiden Charmes
allenthalben. Vom Inventar der Field Station ist nur eine riesige
Schredderanlage übrig, die die Abhörprotokolle in verfeuerbare
Papierbriketts verwandelte. Die Abhöranlagen waren komplett abgebaut, als
die Anlage 1992 ans Land Berlin zurückfiel.
Dass das Land 1996 die Liegenschaft für einen Spottpreis von 5,2 Millionen
DM an private Investoren verscherbelte, war aus heutiger Sicht ein
Riesenfehler und schon damals juristisch umstritten. Inzwischen haben
sämtliche Fraktionen des Abgeordnetenhauses und die Bezirksversammlung
Charlottenburg-Wilmersdorf die Rückübertragung des Teufelsberges an das
Land Berlin gefordert. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hatte
früher – als Stadtentwicklungssenator – selbst die Forderung erhoben.
Derzeit aber kommt die aktuelle Auskunft vom Kultursenat: Eine Absicht zum
Erwerb des Teufelsberg durch das Land bestehe nicht. Offenbar scheut man
die Kosten. Der Berg ist mit Hypotheken von etlichen Millionen Euro
belastet. Genaue Zahlen gibt es nicht.
Mit anderen Worten: Da der Teufelsberg für die privaten Besitzer nicht
kommerziell zu betreiben ist, Landschafts‑ und Denkmalschutz kaum
Veränderung beim Status quo zulassen und der Senat sich derzeit
uninteressiert zeigt, wird das Areal wohl erst einmal weiter ein Ort der
Berliner Bohème bleiben. Ein Ort, wie es ihn in Berlin sonst kaum noch
gibt, von dem man allerdings nicht genau weiß, was da eigentlich gespielt
wird.
29 Nov 2018
## AUTOREN
Ronald Berg
## TAGS
Denkmalschutz
Grunewald
Kalter Krieg
Schwerpunkt Stadtland
Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit um den Berliner Teufelsberg: Ein Berg voll Geschichte
Seit Jahren streiten Berlin und Investoren um die ehemalige Abhörstation
auf dem Teufelsberg. Das Nachsehen haben Kreative, die dort arbeiten.
Auf dem Teufelsberg im Grunewald: Eine Art Zauberberg
Lange wurde der weitere Verfall des Teufelsbergs von ein paar Kreativen wie
Wolfram Liebchen verhindert. Nun soll dieser gehen. Eine Ortsbesichtigung.
Ehemalige Abhörstation in Berlin: Ein teuflisches Unterfangen
Für die einstige Abhörstation gab es schon viele Ideen. Nun will Marvin
Schütte aus dem Areal einen Ort für Kunst, Kultur und Freizeit machen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.