| # taz.de -- Streit um den Berliner Teufelsberg: Ein Berg voll Geschichte | |
| > Seit Jahren streiten Berlin und Investoren um die ehemalige Abhörstation | |
| > auf dem Teufelsberg. Das Nachsehen haben Kreative, die dort arbeiten. | |
| Bild: So weiß ist die alte Abhörstation der Alliierten auf dem Teufelsberg sc… | |
| Berlin taz | „Weißes Gespenst“ haben Anwohner sie im Kalten Krieg genannt, | |
| und ein Gespenst ist die einstige Abhörstation der USA und Großbritanniens | |
| auf dem Teufelsberg in Berlin-Charlottenburg bis heute geblieben. Nur weiß | |
| ist sie schon lange nicht mehr. Die helle Außenhaut, die früher die | |
| Antennen in den Türmen verhüllte, flattert in Fetzen im Wind. Spatzen haben | |
| die offenen Räume erobert, in denen einst 1.500 Spione den Ostblock | |
| abhorchten. Sie fliegen hin und her zwischen Spraygemälden von | |
| Fantasietieren, Frauenkörpern und Wortresten in Signalfarben, die von Liebe | |
| und Frieden handeln. | |
| Der Teufelsberg im Grunewald war mit seinen 120 Metern die höchste Erhebung | |
| des alten Westberlins. Wer heute den Weg unter Birken und Buchen bis zur | |
| Spitze hochgeht, hat Jahrzehnte von Wahn, Brutalität und Tod unter den | |
| Füßen. Ursprünglich war das Gelände so flach wie das ganze Berliner | |
| Urstromtal. 1937 begannen die Nazis hier mit dem Bau einer Militärakademie. | |
| Nach 1945, als im realen Berlin Zigtausende tot und eine halbe Million | |
| obdachlos waren, wurden die Reste der Nazi-Akademie zu einer Deponie der | |
| zerstörten Stadt. 26 Millionen Kubikmeter Schutt wurden hier abgeladen – | |
| ein Drittel der zerbombten Berliner Häuser. Am Ende kam Erde darüber und | |
| Bäume wurden gepflanzt, dann setzten die Alliierten ihre Abhörstation | |
| darauf. | |
| An den meisten Orten der Welt stünde an einer solchen Stelle eine | |
| Gedenkstätte. In Berlin streiten Investoren, Künstler und Politiker darum. | |
| Die Investoren sind zu dem Berg gekommen, als Berlin auch seine | |
| Wasserversorgung und seine Immobilien privatisiert hat. 1996 verlangte die | |
| Stadt die Spottsumme von 5,2 Millionen D-Mark für das 4,7 Hektar große | |
| Gelände. Inzwischen versucht Berlin, den Fehler zu korrigieren. Aber als | |
| die Investoren 15 Millionen Euro verlangten und zusätzlich die Schulden von | |
| 35 Millionen Euro übergeben wollten, mit denen sie den Teufelsberg belastet | |
| hatten, winkte Berlin ab. | |
| An diesem Nachmittag im Februar fährt ein Mann vor dem verriegelten | |
| Eingangstor vor. Sein Vater, Hanfried Schütte, ist der Haupteigentümer | |
| unter den Investoren, Sohn Marvin ist der Pächter. Über die Wünsche von | |
| Berliner Politikern, das Gelände zurückzukaufen, lacht er: „Die haben schon | |
| den Flughafen nicht hingekriegt.“ | |
| ## Die Baugenehmigung ist abgelaufen | |
| Mit dem Ablauf ihrer Baugenehmigung endete 2004 die Chance der Investoren, | |
| auf dem Teufelsberg Luxuswohnungen zu bauen. Das Areal steht nun unter | |
| Landschafts- und Denkmalschutz. 2010 holte ein Pächter Künstler, Erfinder | |
| und Kreative. Die entsorgten den Müll, bemalten die Gemäuer, bauten | |
| Skulpturen, legten Gärten an und machten den Teufelsberg zu einer | |
| Touristenattraktion. | |
| Als klar wurde, dass Eintrittsgebühren und „Events“ Geld bringen, schmissen | |
| die Investoren den Pächter heraus und machten den Sohn des Haupteigentümers | |
| zu seinem Nachfolger. Später verdrängten sie auch die ersten Kreativen. | |
| Manchen erteilten sie Hausverbote. „Sie haben Ärger gemacht“, so begründet | |
| es Marvin Schütte. | |
| Mehrere vertriebene Kreative treffen sich in einer Pizzeria am Fuß des | |
| Bergs ihrer Träume. „Wir sind benutzt worden“, sagt Wolfram Liebchen. Er | |
| findet, dass der Teufelsberg in die öffentliche Hand gehört: Notfalls „per | |
| Enteignung“. Malgosia Horak hat auf dem Teufelsberg den „Jamalaya-Turm“ | |
| renoviert. Die Hoffnung auf Rückkehr hat auch sie nicht aufgegeben In einer | |
| [1][Petition] sammelt sie Unterschriften für die Sanierung und öffentliche | |
| Kontrolle der Anlage. | |
| Zusammen mit Architekten entwickelt sie ein Modell, das die Teile des | |
| „weißen Gespenstes“, die schädliche Partikel absondern, unter Glas setzen | |
| soll. Sie will, dass die ganze Anlage langfristig als Ort der Geschichte | |
| erhalten und zugänglich bleibt. Auf flachen Glasdächern sollen Solarzellen | |
| verlegt werden, entlang der Innenwände Algen wachsen. Damit, so Horak, | |
| bekäme der Teufelsberg zusätzlich eine neue Funktion als Notstromaggregat | |
| für Berlin. | |
| 11 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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