Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ehemalige Abhörstation in Berlin: Ein teuflisches Unterfangen
> Für die einstige Abhörstation gab es schon viele Ideen. Nun will Marvin
> Schütte aus dem Areal einen Ort für Kunst, Kultur und Freizeit machen.
Bild: Der Teufelsberg in Berlin.
Berlin taz | Die weißen Antennenkuppeln der einstigen Abhörstation der
US-amerikanischen Streitkräfte – auf Englisch „Field Station Berlin“
genannt – ragen zum Himmel empor. Der Wind pfeift durch offene Türen, er
schlägt die zerrissenen Planen gegen das Gerüst. Fenster sind zerstört, die
Schritte hallen durch die Räume. Die einstige Abhörstation, die bis weit in
das Gebiet des Warschauer Paktes horchte, wurde nach dem Abzug der Militärs
von 1991 bis 1999 noch als Flugsicherungsradar-Station genutzt. Seitdem ist
der Ort verwaist. Es kann einen hier gruseln: Abgesehen von den Graffiti an
den Wänden wirkt die Spionageanlage, als wären die amerikanischen Soldaten
noch vor Kurzem hier gewesen.
Mittlerweile tut sich auch wieder etwas auf dem Teufelsberg: „Hier soll ein
Ort entstehen, der in den Wald hinein passt: ein natürlich gewachsener
Kulturstandort, ein Zentrum des Naherholungsgebiets Grunewald“, sagt Marvin
Schütte, Projektentwickler aus Bad Pyrmont und aktueller Pächter des
Areals. Im September vor einem Jahr übernahm Schütte das Grundstück;
seitdem ist er fast täglich auf dem Berg zugange.
„Meine Mitarbeiter und ich arbeiten hier im Schildkrötenstyle“, erklärt
Schütte. Langsam, aber stetig soll der Teufelsberg ein Platz werden für
Kunst, Kultur und Freizeit. „Hier können Ateliers und Werkstätten für
Künstler entstehen, Sporteinrichtungen gebaut und die Vergangenheit museal
gezeigt werden.“ Schütte plant aber keinen Ort für Events: „In Berlin gibt
es genug Party.“
Und es gab schon genug Versuche, aus dem verwunschenen Gelände etwas Neues
zu machen: 1996 erwarb eine Investorengruppe um den Kölner Architekten
Hartmut Gruhl und den Planer Hanfried Schütte – den Vater des derzeitigen
Pächters –, das 48.000 Quadratmeter große Areal. Ideen für dessen
Gestaltung gab es viele: von Luxusappartements und Museen bis hin zu einer
„esoterischen Universität“, in der US-amerikanische Filmregisseur David
Lynch seinen Jüngern die Transzendentale Meditation beibringen wollte.
Nichts davon wurde realisiert.
## Ein Berg aus Trümmern
Der künstlich aufgeschüttete Berg befindet sich dort, wo nach dem Zweiten
Weltkrieg Trümmer der zerstörten Hauptstadt abgeladen wurden: Mitten im
Grunewald, am westlichen Stadtrand, führt eine asphaltierte Straße den
steilen Berg hinauf. Wer die Strapazen des Aufstiegs auf sich nimmt, wird
mit einem weiten Ausblick über die Stadt belohnt: Der Teufelsberg ist mit
exakt 120,1 Metern die zweithöchste Erhebung Berlins. Richtung Süden
gleiten die Blicke kilometerweit über grüne Waldflächen; schaut man
Richtung Norden, sind das nah gelegene Olympiastadion und die Siemensstadt
zu erkennen.
„Am Wochenende kommen zwischen 50 und 150 Besucher hier her“, berichtet
Marvin Schütte, der das Gelände seit 1999 kennt. Die große Zahl ist für ihn
ein Zeichen, dass sein Vorhaben richtig sei. „Wir sind noch ganz am Anfang
und es ist noch viel zu tun. Aber es soll weitergehen.“
Beim Spaziergang über das Gelände, entlang der markanten, geheimnisvoll
wirkenden weißen Kuppeln, sind die Auswirkungen der vergangenen Jahre zu
sehen: Immer wieder sind Schaulustige aufs eigentlich abgeschlossene
Gelände vorgedrungen, einige haben randaliert. Die Anlage verfiel nach und
nach. „Deshalb sieht es hier heute so aus“, schildert Schütte, während er
an Haufen aus Bauschutt und Müllbehältern vorbeigeht.
Ungeachtet dessen dient der Teufelsberg mittlerweile vielen freischaffenden
Künstlern als Bühne. An fast jeder Ecke haben sie Spuren hinterlassen, die
inzwischen die einzigartige Atmosphäre des Orts ausmachen. Neben großen
Skulpturen und Wandbildern gibt es zahlreiche kleine, unscheinbare
Kunstwerke. „Vor einiger Zeit kamen zum Beispiel französische Künstler
hierher und fingen an, gelbe Katzen auf den asphaltierten Weg zu malen,“
erklärt Schütte. Heute nutzt er die aufgemalten Katzenbilder als Wegweiser,
um die Besucher hoch auf die Abhörstation zu führen.
## Kunst im Dämmerlicht
Seit 2012 befindet sich zudem eine der größten Street-Art-Galerien Europas
im Inneren der Abhörstation. Auf nachträglich eingezogenen Wänden können
Besucher im dämmrigen Licht Wandgemälde von internationalen Künstlern
bewundern.
Für die Förderung von Bildung, Kunst und Kultur setzt sich auch die
Initiative Kultur-Denk-Mal Berliner Teufelsberg ein, die eng mit Schütte
zusammenarbeitet. „Die Historie der Abhörstation und auch des Teufelsberges
muss sichtbar werden. Es soll ein Ort entstehen, an dem die Geschichte mit
Exponaten, Bildern und Objekten einsehbar wird“, sagt Richard Rabensaat,
Vorsitzender der Initiative. Viele Künstler hätten sich schon mit dem Areal
auseinandergesetzt, insbesondere mit der Problematik von Spionage und
Überwachung und dem Gleichgewicht der Kräfte im und nach dem Kalten Krieg.
Für Marvin Schütte stellt sein Vorhaben ein Projekt mit
„Leuchtturmcharakter“ dar. So will er in Zukunft auch ökologischen Zielen
gerecht werden: Dort, wo zurzeit noch ein Generator steht, sollen künftig
Salzwasserbatterien für die Stromversorgung zuständig sein: „Wenn
Schulklassen den Teufelsberg besuchen und mindestens ein Kind seinen Eltern
von diesem umweltfreundlichen Energiespeicher erzählt, haben wir schon
eines unserer Ziele erreicht.“
Für Veränderungen gibt es strenge behördliche Vorgaben: Da das Areal seit
2006 als Waldfläche ausgewiesen ist, sind Baumaßnahmen verboten. Doch auch
dem Bezirk ist daran gelegen, dass sich auf dem Teufelsberg was tut.
SPD-Politikerin Carolina Böhm aus Charlottenburg-Wilmersdorf weiß aber
auch, wie viel Arbeit dafür noch zu leisten ist. Sie will das
geschichtsträchtige Gelände als Erinnerungsort bewahren und würde dafür den
Teufelsberg am liebsten wieder in öffentlichen Händen sehen: „Der Ort
erzählt so viel zur Berliner Geschichte, das ist fast vergleichbar mit dem
Gelände an der Bernauer Straße.“
Das Land führt mit dem Bezirk Gespräche über eine mögliche Rückübertragun…
„Es wurde sich noch nicht auf einen Preis geeinigt. Im Augenblick ist es
also Aufgabe des Landes und des Bezirks, die Eigentumsverhältnisse zu
sortieren“, berichtet Böhm. Den jetzigen Pächter will man in seinem
Bemühen, den Ort für kulturelle Nutzung offen zu lassen, unterstützen.
7 Oct 2016
## AUTOREN
Viola Blomberg
## TAGS
Berlin
Berlin Kultur
Denkmalschutz
Ukraine
Leipzig
## ARTIKEL ZUM THEMA
Auf dem Teufelsberg im Grunewald: Eine Art Zauberberg
Lange wurde der weitere Verfall des Teufelsbergs von ein paar Kreativen wie
Wolfram Liebchen verhindert. Nun soll dieser gehen. Eine Ortsbesichtigung.
Teufelsberg unter Denkmalschutz: Eine Art Grauzone
Aus „historischen Gründen und wegen seiner städtebaulichen Bedeutung“ ste…
der Grunewald-Hügel unter Denkmalschutz. Was bedeutet das für die Zukunft?
Street Art in der Ukraine: Neues Habitat an der Wand
Ein Kunstprojekt verschönert Gebäude in Kiew mit Street Art. Obwohl
namhafte Künstler mitmachen, stößt die Aktion nicht bei allen auf
Zustimmung.
Begehbares Kunstwerk in Leipzig: Verzwickte Fragen
Wer seinen moralischen Kompass eichen will, für den gibt es in Leipzig eine
„begehbare Zwickmühle“. Ein Selbstversuch im Dilemma.
Teufelsberg in Grunewald: Trümmerhaufen auf dem Tisch
Was die Zukunft der Anlage auf dem Teufelsberg angeht, stehen sich die
Interessen von Investoren und Naturschützern entgegen. Kann ein runder
Tisch helfen?
Spionageberg verrottet: Zum Teufel mit den ganzen Plänen
Der Teufelsberg und seine Abhöranlagen sind geschichtsträchtig und ein
beliebtes Ausflugsziel. Doch seit Jahren verfällt der Ort und Zukunftsideen
bleiben vage.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.