# taz.de -- Rechte Ideologen an der Uni Siegen: Meinungsfreiheit war nie gefäh… | |
> Beim Streit um Auftritte von Sarrazin und dem AfDler Jongen ging es nicht | |
> um Toleranz, wie manche meinen. Es ging um Hochschuldidaktik. | |
Bild: Die Frage ist: Ist es sinnvoll, Ideologen wie Thilo Sarrazin Reputationsg… | |
Denken, das heißt, sich der Anstrengung des Begriffs zu befleißigen, lässt | |
sich nur im Zwiegespräch, im Dialog, im Für und Wider des Argumentierens | |
erlernen. Das war und ist seit zweieinhalbtausend Jahren so – von nichts | |
anderem zeugen Platons Dialoge. | |
Indes: Um all das geht es beim [1][jüngst bekannt gewordenen Streit] an der | |
Universität Siegen überhaupt nicht. Auch ging es nicht, wie manche meinen, | |
um Meinungsfreiheit und Toleranz, als sich die Universität Siegen in | |
Gestalt von Niels Werber weigerte, den Auftritt der rechtsradikalen | |
Ideologen Thilo Sarrazin und Marc Jongen in einem vom Philosophen Dieter | |
Schönecker geplanten Seminar zu finanzieren. | |
Es geht also überhaupt nicht darum, dass die Universität Siegen wider die | |
Voltaire zugeschriebene Äußerung „Du bist anderer Meinung als ich, aber ich | |
werde dein Recht dazu bis in den Tod verteidigen“ verstoßen hat. Die | |
[2][Meinungsfreiheit war nie gefährdet]: Nie und zu keiner Zeit wurde es | |
Sarrazin und Jongen verboten, auf dem Gelände der Universitär Siegen (in | |
einem Seminar) zu sprechen. | |
Worum es schlicht und ergreifend ging, das war eine hochschuldidaktische | |
Frage, also darum, ob es hochschul- und philosophiedidaktisch sinnvoll ist, | |
die argumentativen Schwächen sogenannten „rechten Denkens“ im direkten | |
Dialog mit dessen prominenten Vertretern einzuüben, dafür auch noch Geld | |
aufzuwenden und derlei Ideologen einen Reputationsgewinn zu verschaffen. | |
## Sarrazin ist ein in der Wolle gefärbter Rassist | |
Bei alledem muss man sich klarmachen, dass die Überzeugungen von Sarrazin | |
und Jongen zwar nicht so verrückt sind wie die Meinungen, dass die Erde | |
eine Scheibe und Merkel ein Echsenwesen sei, sie sich aber von den Annahmen | |
etwa der „Reichsbürger“, dass die Bundesrepublik rechtens gar nicht | |
existiere, in ihrer Seriosität mitnichten unterscheiden. | |
Gewiss: Angehende Philosophinnen sollten lernen, derlei argumentativ zu | |
widerlegen. Dazu hat zumal die britische Universitätslandschaft ein | |
bewährtes Instrument entwickelt: Die „debating society“, in der Studierende | |
in Form eines Rollenspiels gehalten sind, exakt die Argumente der jeweils | |
gegnerischen Partei so gut wie überhaupt nur möglich öffentlich zu | |
vertreten. | |
In und mit dieser argumentativen Rollenübernahme lernen die Teilnehmerinnen | |
gleichsam von innen her, worin die möglichen Schwächen und Stärken eines | |
ihnen auch fremden, am Ende widerwärtigen Arguments bestehen. | |
Thilo Sarrazin jedenfalls ist ein in der Wolle gefärbter Rassist, wie seine | |
Behauptungen zur Weitergabe inzüchtigen Erbguts unter türkischen | |
Immigranten belegen; zu dem, was die Nichtigkeit seiner mühsam angelesenen | |
islamkundlichen Kenntnisse betrifft, hat die Fachwelt inzwischen alles | |
Erforderliche gesagt. | |
Und was den Kantianer Dieter Schöneck betrifft, so steht auch er in einer | |
Tradition. Die Geschichte der Philosophie, in diesem Fall sogar Platon | |
selbst im Dialog „Theaitetos“, überliefert eine Episode aus dem Leben des | |
Vorsokratikers Thales von Milet: „Thales […] fiel, als er sich mit den | |
Sternen beschäftigte und nach oben blickte, in einen Brunnen. Da soll ihn | |
eine witzige und reizende thrakische Magd verspottet haben, weil er zwar | |
die Dinge am Himmel zu erkennen begehre, ihm aber, was ihm vor den Füßen | |
liege, entgehe.“ | |
12 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Micha Brumlik | |
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