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# taz.de -- Völkermordurteil gegen Rote Khmer: Bittere Gerechtigkeit in Kambod…
> Ein von der UNO gestütztes Sondertribunal in Kambodscha hat erstmals zwei
> Ex-Anführer der Roten Khmer wegen Völkermordes verurteilt.
Bild: Vor Gericht: der einstige Chefideologe und „Bruder Nummer Zwei“ Nuon …
Berlin taz | Jahrzehnte nach dem Ende des Khmer-Rouge-Terrorregimes sind
erstmals zwei der ranghöchsten noch lebenden Ex-Anführer wegen Völkermordes
verurteilt worden. Demnach müssen der einstige Chefideologe und sogenannte
„Bruder Nummer Zwei“ Nuon Chea (92) und der damalige Staatschef Khieu
Samphan (87) lebenslang hinter Gitter, erklärten die Richter am Freitag in
Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh.
Beide Männer wurden des Völkermordes an ethnischen Vietnamesen für schuldig
befunden, Nuon Chea außerdem noch wegen desselben Verbrechens an
Angehörigen der muslimischen Cham-Minderheit.
Die greisen Angeklagten standen seit 2011 vor Gericht und waren [1][im
August 2014] wegen anderer Gräueltaten während der Herrschaft der Roten
Khmer zwischen 1975 und 1979 bereits zu lebenslanger Haft verurteilt
worden, unter anderem wegen vielfachen Mordes, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und gewaltsamer Verschleppung. Weil die Anschuldigungen so
schwer wogen, war die Strafverfolgung in mehrere Verfahren unterteilt
worden.
Für Überlebende der Schreckensherrschaft und Menschenrechtler ist dieses
Urteil längst überfällig. Viel zu lange habe die Welt darauf warten müssen,
sagte Nicholas Bequelin, Regionalchef von Amnesty International für Ost-
und Südostasien. Zugleich sprach er von einer „bitteren Gerechtigkeit“ und
davon, dass das Sondertribunal 13 Jahre nach seiner Einrichtung mehr hätte
erreichen müssen.
## Der Regierungschef will keine weiteren Verfahren
Ähnlich äußerte sich der Vize-Asienchef von Human Rights Watch: „Durch die
Verurteilung dieser beiden hochrangigen Anführer der Khmer Rouge hat das
Gericht die unbestreitbare Wahrheit bekräftigt, dass in Kambodscha ein
Völkermord stattfand, während die Welt weggeschaut hat,“ sagte Phil
Robertson. Er kritisierte jedoch, dass andere mutmaßlich Verantwortliche
wahrscheinlich nie belangt würden.
Den Hauptgrund sehen Beobachter in den Verbindungen zwischen dem jetzigen
Staatsapparat unter dem [2][autokratischen] Regierungschef Hun Sen und den
einstigen Roten Khmer, unter deren Terrorregime etwa zwei Millionen
Menschen ermordet und gefoltert wurden oder verhungerten.
Hun Sen, selbst ein übergelaufener Exoffizier der Roten Khmer, hatte sich
vor dem offiziellen Start des Tribunals 2006 öffentlich darüber mokiert,
wer eigentlich wofür vor Gericht gestellt werden solle. Außerdem hatte er
wiederholt erklärt, dass er über den Kreis von ursprünglich fünf
angeklagten früheren Funktionären hinaus keine weiteren Gerichtsverfahren
zulassen werde. Der Premier, unter dessen Herrschaft das südostasiatische
Land mittlerweile zu einem „Ein-Parteien-Staat“ verkommen ist, hatte gar
vor einem neuen Bürgerkrieg gewarnt, sollten noch mehr Details aus der
Vergangenheit zutage gefördert werden.
Obwohl gegen weitere mutmaßliche Täter ermittelt wurde, werden die Urteile
gegen Nuon Chea und Khieu Samphan somit wohl die letzten sein, die das aus
kambodschanischen und internationalen Juristen bestehende Gericht gefällt
hat. Entsprechenden Versuchen von Co-Anklägern war die Regierung einst mit
der höhnischen Aufforderung entgegen getreten: „Sollten internationale
Juristen des Tribunals zusätzliche Fälle vorantreiben wollen, sollten sie
ihre Koffer packen und Kambodscha verlassen.“
Mittlerweile hat sich selbst der überschaubare Kreis der offiziell fünf
Angeklagten gelichtet: Zwar war 2010 mit Kaing Khek Iev alias „Duch“ der
frühere Leiter des Foltergefängnisses „Tuol Sleng“ zu über 30 Jahren Haft
und nach einem Berufungsprozess 2012 zu lebenslang verurteilt worden. Doch
der Außenminister der Roten Khmer, Ieng Sary, konnte nicht mehr juristisch
belangt werden, er verstarb 2013. Seine Frau, Ex-Sozialministerin Ieng
Thirith, war an Demenz erkrankt und deswegen für prozessunfähig erklärt
worden. Ihr Tod wurde im August 2015 bekannt. Der als „Bruder Nummer Eins“
bekannte Diktator Pol Pot starb bereits 1998.
16 Nov 2018
## LINKS
[1] /Urteil-gegen-Rote-Khmer/!5035958
[2] /Bedenkliche-Entwicklung-in-Kambodscha/!5460208
## AUTOREN
Nicola Glaß
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