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# taz.de -- Brasiliens künftiger Präsident Bolsonaro: Rechtsextremist legt los
> Jair Bolsonaro verkündet die Marschroute für seine Präsidentschaft.
> Brasiliens Linke bangt um Demokratie und Menschenrechte.
Bild: Protest gegen Jair Bolsonaro
Rio de Janeiro taz | Brasilien nach der Wahl: Der Alltag ist unverändert,
kaum etwas erinnert daran, dass am Sonntag mit Jair Bolsonaro ein erklärter
Rechtsextremist zum Präsidenten [1][gewählt wurde]. „Nun sind 48 Stunden
seit der Wahl vergangen und unser Land hat sich nicht in eine Diktatur
verwandelt“, ironisiert der landesweit bekannte Radiokommentator Ricardo
Boechat.
Jetzt werde Brasilien halt von rechts regiert, so funktioniere die
Demokratie. Das gesamte Establishment setzt auf gute Zusammenarbeit mit dem
Mann, der Folter gutheißt und „das Land von linken Oppositionellen säubern�…
will.
In sozialen Netzwerken wimmelt es von Berichten zu Übergriffen. Die meisten
werden den Bolsominios, den fanatischen Unterstützern des Ex-Militärs
Bolsonaro, zugeschrieben.
Besonders Anhänger afrobrasilianischer Religionen und LGBT-Kreise äußern
Angst und Sorge. Immer wieder wird gewarnt: Niemals die Faschos
unterschätzen, sie sind jetzt am Ruder, haben die Polizei auf ihrer Seite
und bestimmen selbst den Zeitpunkt, zu dem sie handeln werden.
## Umweltschutz dürfte keine Rolle mehr spielen
Bolsonaro und sein Team legen sofort los. Nachdem der 63-jährige bis
Sonntag jede Einladung zu einer Fernsehdebatte ausschlug, ist er seit
Montag auf allen Sendern zu sehen – alleine und ohne Gegenspieler. Sein
schwammiges Regierungsprogramm gewinnt langsam Konturen.
Die Ministerien für Finanzen, Handel, Planung und Industrie werden zu einem
[2][Superressort Wirtschaft] unter Führung des neoliberalen Chicago-Boys
Paulo Guedes zusammengelegt. Auch die bereits erwogene Zusammenlegung von
Landwirtschafts- und Umweltministerium soll umgesetzt werden.
Da das Agrobusiness zu Bolsonaros aktivsten Unterstützern gehört, ist davon
auszugehen, dass der Schutz von Wäldern und das Einhalten von Ökoauflagen
in Brasilien keine Rolle mehr spielen werden. Greenpeace sprach von einem
„großen Fehler“.
Die umstrittene Rentenreform, die sein Vorgänger Michel Temer nicht auf den
Weg bringen konnte, soll so schnell wie möglich zur Abstimmung gestellt
werden. Die Gesetzesinitiative, die vor allem Ärmeren ihre Altersbezüge
kürzt und viele Menschen mit geringerer Lebenserwartung ganz aus dem
Rentensystem ausschließt, ist Teil der angekündigten Austeritätspolitik,
mit der das Haushaltsdefizit ausgeglichen werden soll.
Das Justizministerium soll der prominente Anti-Korruptionsrichter Sergio
Moro übernehmen. Vielen gilt der Jurist als Held, weil er zahlreiche
Topmanager und Politgrößen hinter Gitter sperrte. Ex-Präsident Luiz Inácio
Lula da Silva verurteilte er zu über neun Jahren Haft – aus Sicht von Lulas
Verteidigung handelte es sich um einen politischen Prozess mit dem Ziel,
[3][Lulas Antritt bei der jüngsten Wahl zu verhindern].
## Bolsonaro will Strafmündigkeit ab 14
Lulas Verteidigung sprach von einer Verurteilung ohne Beweise und
kritisierte die Vorgehensweise des Richters scharf. Unter anderem hatte
Moro 2016 einen illegalen Telefonmitschnitt der damaligen Präsidentin Dilma
Rousseff mit Lula veröffentlicht. Sollte Moro die Berufung zum
Justizminister nicht annehmen, will Bolsonaro ihn für den nächsten freien
Platz am Obersten Gerichtshof gewinnen.
Besondere Priorität soll für den designierten Präsidenten die
Sicherheitspolitik haben. Dazu gehört erst einmal eine Herabsetzung des
Strafmündigkeitsalters. „Wenn es nach mir ginge, sollten Jugendliche ab 14
Jahren für ihre Taten rechtlich einstehen“, sagte Bolsonaro. Da dies
offenbar nicht durchsetzbar sei, müsse dieses Alter zumindest auf 17
gesenkt werden.
Eine weitere dringliche Gesetzesinitiative sei die Straflosigkeit für
Polizeibeamte im Einsatz. „Wer das Gesetz bricht, muss wissen, dass er
etwas Falsches tut. Er wird entweder durch das Gesetz zur Rechenschaft
gezogen oder erschossen“, meint Bolsonaro.
Viele Stimmen hatte er bei der Wahl von Pfingstkirchlern erhalten: Als Dank
besuchte das designierte Staatsoberhaupt am Dienstagabend den Gottesdienst
in einer evangelikalen Kirche. Den Tränen nahe dankte er Gott für die
Mission, die er nun verfolgen werde.
## Demo für Meinungsfreiheit und Demokratie
Bolsonaro hatte gedroht, „die roten Nichtsnutze aus dem Vaterland zu
vertreiben“ – das beziehe sich auf die Führung der Arbeiterpartei PT und
der linken Partei PSOL, betonte er nun im Fernsehen. In mehreren Städten
kam es dann am Dienstag erneut zu Protesten: In São Paulo und Rio de
Janeiro forderten Tausende Respekt vor der Demokratie und vor
Meinungsfreiheit.
Auch in Rio de Janeiro sind die Aussichten für den Rechtsstaat alles andere
als rosig. Der frisch gewählte Gouverneur Wilson Witzel – ein bislang
völlig unbekannter Ex-Richter und Bolsonaro-Verbündeter – will „die
Sicherheitslage durch das Erschießen von bewaffneten Kriminellen“
stabilisieren.
Er habe bereits eine Bestandsaufnahme über ausgebildete Scharfschützen in
Reihen der Polizei in Auftrag gegeben und will gezielte Schüsse aus
Hubschraubern erlauben, sagte Witzel im Fernsehsender „Globonews“.
31 Oct 2018
## LINKS
[1] /Faschist-Jair-Bolsonaro-gewinnt-Stichwahl/!5546223
[2] /Jair-Bolsonaro-und-die-Deutsche-Bank/!5543935
[3] /Kandidatur-gerichtlich-untersagt/!5532756
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Jair Bolsonaro
Präsidentschaftswahlen Brasilien 2018
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