# taz.de -- Parteitag der Berliner Union: Kleine Revolten in der CDU | |
> Verliert Grütters die Kontrolle über die Partei? Die Basis wählt eine | |
> andere EU-Spitzenkandidatin als geplant. Und dann ist da die Debatte über | |
> die Merkel-Nachfolge. | |
Bild: Schon mit einem kleinen EU-Heiligenschein: Bentele (r.) neben Parteichefi… | |
„Wir haben jede Menge mündige Mitglieder, die sich selbst ihr Bild machen.“ | |
Monika Grütters hat das als CDU-Landesvorsitzende zwar mit Blick auf die | |
Merkel-Nachfolgewahl im Dezember gesagt. Aber die Delegierten, die am | |
Samstag in Adlershof zum Landesparteitag zusammensaßen, beanspruchten das | |
auch in Hinblick auf die Europawahl 2019 für sich: Zur Spitzenkandidatin | |
wählten sie nicht den vom Landesvorstand empfohlenen Stadtrat von Mitte, | |
Carsten Spallek, sondern Hildegard Bentele, die Schulexpertin der | |
Abgeordnetenhausfraktion. Und das nicht mal knapp: 141 zu 90 lautete das | |
Ergebnis. „Die alten Seilschaften in der Berliner CDU funktionieren | |
endgültig nicht mehr“, kommentierte dies ein führender Christdemokrat. | |
Der Hintergrund mutet kompliziert an. Bentele war auf Platz 2 der Liste | |
vorgesehen gewesen. Sie hatte aber Platz 1, der als einziger wirklich | |
Chancen auf einen Sitz im Europaparlament bietet, auch nicht für sich | |
beansprucht Grütters versicherte der taz, sie habe im Sommer intensiv mit | |
Bentele über eine mögliche Spitzenkandidatur gesprochen. Die aber habe sich | |
nicht festlegen wollen. | |
Andere berichten, Bentele sei enttäuscht von der Kandidatenvorstellung | |
Spalleks gewesen. Jener gilt zwar als kompetenter Stadtrat, hatte aber | |
bislang wenig mit großen EU-Themen zu tun. Wiederum andere gingen davon | |
aus, dass Bentele mit der kurzfristigen Kandidatur verhindern wollte, dass | |
pro Spallek eingestellte Kreisvorsitzende ihre Delegierten noch gegen sie | |
einschwören könnten. | |
## SMS am frühen Morgen | |
Um 8.30 Uhr am Samstagmorgen jedenfalls erreichte Grütters, Evers und | |
andere führende Parteimitglieder eine SMS Benteles mit der Nachricht, sie | |
wolle Platz 1. In ihrer Bewerbungsrede sprach sie dann davon, ihre | |
Teilnahme im Kongress der europäischen Christdemokraten in Helsinki, die am | |
Donnerstag den Deutschen Manfred Weber zum Spitzenkandidaten wählten, habe | |
ihr den entscheidenden Kick gegeben. „Man muss Europa kennen, um es zu | |
können“, sagte Bentele und verwies auf ihren Werdegang. | |
Der führt tatsächlich gerade auf das Europaparlament zu: Teile des Studiums | |
in Paris und Brüssel, Praktika bei EU-Institutionen, Ausbildung zur | |
Diplomatin, drei Jahre in der deutschen Botschaft in Zagreb. Da hatte | |
Spallek nicht mehr gegenzuhalten als das Bemühen um EU-finanzierte Projekte | |
im Kiez. „Das ist eine Niederlage für Grütters als Landesvorsitzende“, | |
wertete ein anderes prominentes Parteimitglied das Ergebnis. | |
Die Parteichefin aber war alles andere als geknickt – oder schaffte es | |
zumindest, so zu wirken. „Die Hauptstadt-CDU ist weiblich“, wiederholte | |
Grütters mehrfach vor Journalisten. Damit machte sie das Beste aus der | |
misslichen Situation, in die sie Benteles überraschende SMS gebracht hatte. | |
Denn die Vorstellung, eine Frau auf den Europa-Wahlplakaten der CDU zu | |
haben, gefiel Grütters natürlich. Umso mehr, als die Berliner | |
Christdemokraten erst vor vier Wochen beschlossen haben, frauen- und | |
familienfreundlicher zu werden. Andererseits war es nach den vielen | |
internen Absprachen schwierig, einfach den Listenvorschlag zu kippen. So | |
folgte zwar eine Aufforderung des Vorstands an die Delegierten, doch bitte | |
Spallek zu unterstützen – aber nicht von Grütters selbst, sondern von einer | |
ihrer Stellvertreterinnen. | |
Bei dieser überraschenden Entwicklung trat in den Hintergrund, was | |
ansonsten diesen Parteitag geprägt hätte: der Kampf um die Nachfolge der | |
Bundesvorsitzenden Merkel zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer, kurz AKK, | |
Friedrich Merz und Jens Spahn. Hörte man sich um, gab es dabei eher mehr | |
Merz-Anhänger als AKK-Fans. Wenige waren aber so offen wie der Kreuzberger | |
Abgeordnete Kurt Wansner, der eindeutig auf Merz setzt. | |
Spahn wurde bei dieser kleinen Umfrage kaum genannt: „Der soll mal noch ein | |
paar Jahre auf die Weide“, sagte der langjährige frühere | |
Landesparlamentarier Fritz Niedergesäß der taz über den erst 38-jährigen | |
Gesundheitsminister. Selbst das frühere Abgeordnetenhausmitglied Gottfried | |
Ludewig, im April von Spahn auf eine führende Stelle seines Ministerium | |
geholt, mochte sich nicht festlegen: „Es entscheiden nicht Umfragen, | |
sondern die Delegierten, und da kann ja ganz Überraschendes rauskommen, wie | |
wir heute erlebt haben“, so Ludewig. | |
## Grütters schweigt zu Merz | |
Mehrfach war aber auch von potenziellen Merz-Anhängern zu hören, man wolle | |
von ihm erst noch einiges hören, was über den Kenntnisstand von 2002 | |
hinausgeht, als Merz von Merkel als Fraktionschef abgelöst wurde. | |
Landeschefin Grütters selbst gilt zwar als AKK-Fan, gab aber keine | |
Empfehlung für die Kür Anfang Dezember ab: „Wir haben jede Menge mündige | |
Mitglieder, die sich selbst ihr Bild machen“, lauteten ihre Eingangsworte | |
zum Parteitag. | |
11 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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