# taz.de -- Berlins CDU-Chefin Grütters düpiert: Eine verpatzte Premiere | |
> CDU-Chefin Grütters wird heute von ihrer Fraktion düpiert. Die will für | |
> einen U-Ausschuss stimmen, der Grütters zwangsläufig beschädigen wird. | |
Bild: Parteifreunde werfen ihr vor, der Linke Lederer hätte sie eingewickelt: … | |
Berlin taz | Der Teppich ist rot, Empfang an der Limousine samt Begleitung | |
in den Saal gibt es auch. Es ist wie bei einer jener Premieren, die Monika | |
Grütters als Kulturstaatsministerin so oft besucht, wie jüngst bei der | |
Berlinale. Nur dass es diesem Dienstag kein neuer Film und keine Oper ist, | |
sondern eine Polit-Premiere. | |
Grütters, im unbezahlten Nebenjob CDU-Landesvorsitzende, besucht die | |
Fraktion ihrer Parteifreunde im Abgeordnetenhaus – zum ersten Mal in dieser | |
Wahlperiode, die inzwischen 884 Tage alt und fast halb vorüber ist. Ein | |
RBB-Fernsehteam und die taz empfangen sie im 3. Stock vor dem | |
CDU-Sitzungssaal auf dem roten Teppich, der dort wie im ganzen Haus | |
dauerhaft liegt. Wie sie denn einen Untersuchungsausschuss in der Causa | |
Knabe verhindern wolle? „Das ist heute, wenn überhaupt, nur eines von | |
vielen Themen“, sagt Grütters lächelnd, bevor sie in Saal 311 verschwindet. | |
Es ist eine Szene, die im Grunde alles sagt. Denn kaum vier Stunden später | |
wird die CDU-Fraktion eine Pressemitteilung verschicken, dass sie sehr wohl | |
einen Untersuchungsausschuss haben will. Es wird die prägende Debatte der | |
Abgeordnetenhaussitzung am heutigen Donnerstagmorgen sein. Nur eines von | |
vielen Themen also? Wer in diesen Tagen mit CDU-Abgeordneten und sonstigen | |
Konservativen sprach, dem war klar: Die Aufarbeitung des Rauswurfs von | |
Hubertus Knabe, Ex-Chef der Gedenkstätte Hohenschönhausen, nach | |
Sexismusvorwürfen gegen seinen Stellvertreter ist nicht ein, sondern gerade | |
das Thema bei den Christdemokraten. | |
## Grütters kann gut mit dem Linken Lederer | |
Dass Grütters das anders sieht, stützt den Vorwurf, den ihr nicht wenige in | |
der Partei machen: dass sie von ihrer Basis und sogar von der | |
Parlamentsfraktion ihres eigenen Landesverbands weit weg sei, zu weit. Im | |
Januar noch kokettierte Grütters mit ihrem guten Verhältnis zu Klaus | |
Lederer, dem Kultursenator von der Linkspartei. Während sie anderen | |
Mitgliedern der rot-rot-grünen Landesregierung miese Zeugnisse ausstellte, | |
bekannte sie von sich aus, mit Lederer „ganz vernünftig“ auszukommen, und | |
setzte freimütig hinzu: „Viele in meiner Partei mögen das ja nicht.“ | |
Das liegt weniger daran, dass Lederer ein unsympathischer Mensch wäre – das | |
behaupten ernsthaft noch nicht mal seine größten politischen Gegner. Doch | |
Lederer ist als Kultursenator der Chef des Stiftungsrats des | |
Hohenschönhausener Ex-Stasi-Knasts. Er ist für viele CDUler der | |
Hauptverantwortliche für Knabes Rauswurf, der für sie das letzte Bollwerk | |
gegen den Kommunismus war. In ihren Augen hat sich Grütters, die über eine | |
Mitarbeiterin in den Stiftungsrat eingebunden ist, von ihm einwickeln | |
lassen. | |
In der CDU hatte sich seit Knabes Entlassung im September und einer | |
außergerichtlichen Einigung im Dezember Unmut aufgestaut, war aber offenbar | |
mit Rücksicht auf die eigene Landesvorsitzende übers Brodeln nicht | |
hinausgekommen. Denn natürlich war klar, dass Kritik an Lederer auch | |
Grütters beschädigen musste – jene Frau, zu der sich bislang keine | |
Alternative als Spitzenkandidatin bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl | |
aufdrängt. | |
Und so schlug die FDP-Fraktion zu: Sie verlangte Ende Januar einen | |
Untersuchungsausschuss, der Fragen beleuchten sollte, die sie für | |
klärenswert hielt. Unter anderem hielt die FDP Lederer vor, er habe Knabe | |
nicht angehört. Die AfD kündigte sofort Unterstützung an, doch das reicht | |
allein nicht für einen solchen Ausschuss. Den kann im Parlament zwar auch | |
eine Minderheit durchsetzen, aber ein Viertel der Abgeordneten muss doch | |
mindestens hinter dem Antrag stehen. Das sind in dieser Wahlperiode 40 | |
Parlamentarier – FDP und die AfD kommen aber nur auf 34 Mandate, samt | |
ausgeschlossener Ex-Mitglieder der AfD-Fraktion auf 37. Schon mit drei | |
Stimmen von der CDU aber würde es reichen. | |
## Die CDU will eigenen Ausschuss | |
Die Reaktion von CDU-Fraktionschef Burkard Dregger auf den FDP-Vorstoß war: | |
Man halte einen Untersuchungsausschuss für nicht angemessen. Das musste | |
Dregger zunehmend relativieren, bis zu der jetzt ganz anders lautenden | |
Entscheidung der Fraktion pro U-Ausschuss. Vor einer Woche schon mochte | |
sich der Fraktionsvorstand nach Teilnehmerberichten nicht darauf | |
einschwören lassen, einen solchen Ausschuss abzulehnen, statt sich bloß zu | |
enthalten. | |
Am Dienstagmorgen noch versicherte Dregger einer Journalistenrunde, die | |
Fraktion sei mitnichten zerrissen. Stattdessen sei man sich einig, dass es | |
statt eines Untersuchungsausschusses ausreichen sollte, wenn Senator | |
Lederer CDU-Fragen an ihn beantworten und Akteneinsicht gewähren würde. | |
Das aber reichte der 31-köpfigen Fraktion am Dienstagnachmittag nicht. Man | |
habe sich „intensiv mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses | |
beschäftigt“, hieß es von Dregger nach ebenjener Sitzung – jener, vor der | |
Grütters es infrage gestellt hatte, ob die Causa Knabe überhaupt Thema sein | |
würde. Bloß will die CDU die treibende Kraft sein, nicht bei der FDP | |
andocken und eine eigene Initiative starten. | |
## Es klafft ein Spalt zwischen Landeschefin und Basis | |
Grütters sei keine Landesvorsitzende, die auf einer Wolke sitze und nun zur | |
Fraktionssitzung einschwebe, hatte Dregger auch noch versichert. Genauso | |
sehen das aber nicht wenige CDUler – und finden sich in ihrer | |
Landesvorsitzenden und ihrem liberalen Ansatz nicht wieder. Auch wenn der | |
Fraktionschef und Grütters laut Dregger täglich telefonieren und zudem | |
einige Abgeordnete die Chefin regelmäßig im Landesvorstand treffen – dem | |
Großteil der Fraktion reicht das nicht, sie will mehr Präsenz. Bei den | |
Grünen etwa sind die beiden Landesvorsitzenden bei jeder Fraktionssitzung | |
vertreten. Sie sind allerdings anders als Grütters hauptamtlich Parteichefs | |
und haben nicht parallel ein Regierungsamt. | |
Es klafft merklich ein Spalt zwischen Parteichefin und ihrer Basis. | |
Grütters sei der Beifall der linksliberalen Kulturschickeria wichtiger als | |
Alltagsprobleme der CDU-Basis in der Bezirks- wie in der Landespolitik, | |
konnte man dieser Tage in konservativen Kreisen hören. Dieselbe Kerbe | |
versuchte auch schon SPD-Fraktionschef Raed Saleh zu schlagen – die „Frau | |
Professor besucht lieber Cocktailpartys und lässt sich auf Luxusyachten im | |
Mittelmeer fotografieren“, sagte er vergangenen Herbst im Abgeordnetenhaus. | |
Dieses Bild haben Kritiker schon immer von Grütters gezeichnet, die nach | |
zehn Jahren im Abgeordnetenhaus 2005 in den Bundestag wechselte und in der | |
Kulturpolitik steil aufstieg: vom Ausschussmitglied über den | |
Ausschussvorsitz bis zum Ministeramt, das sie 2013 übernommen hat. Darin | |
gilt sie vielen als erfolgreichste aller bisherigen fünf „Beauftragten der | |
Bundesregierung für Kultur und Medien“. | |
Doch die Landes-CDU rechnet anders ab: Sie sieht sich unter der als | |
Ministerin so erfolgreichen Landesvorsitzenden mit aktuell 19 Prozent in | |
Umfragen nur knapp über dem desolaten 17,6-Prozent-Ergebnis bei der | |
Abgeordnetenhauswahl 2016. Parteichef war damals der außerhalb der CDU | |
weithin unbeliebte Frank Henkel, den Grütters kurz darauf ablöste. Ein | |
deutlicher Aufwind vor allem seit dem Führungswechsel auf Bundesebene von | |
Merkel zu Kramp-Karrenbauer bleibt in Berlin bisher aus. | |
Bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl sind es noch etwas mehr als noch mal | |
jene 884 Tage, die zwischen der vergangenen Wahl und der Grütters-Premiere | |
in der Fraktion vergangen sind. Doch aktuell scheint nicht nur fraglich, ob | |
die CDU mit Grütters als Spitzenkandidatin 2021 in jene Wahl gehen wird. | |
Kommt der Untersuchungsausschuss tatsächlich – dessen Ziel es ist, eine von | |
Grütters vehement verteidigte Entscheidung auseinanderzunehmen –, liegt | |
durchaus nahe, dass die Vorsitzende nach dem CDU-Landesparteitag am 18. Mai | |
nicht länger Parteichefin ist. | |
21 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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