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# taz.de -- Grüne bei der Landtagswahl in Hessen: Profit durch Pragmatismus
> Nach der Bayern-Wahl siegen die Grünen nun auch bei der Wahl in Hessen.
> Sie können ihre Stimmenanteile beinahe verdoppeln.
Bild: Die Grünen-Spitzendandidaten Tarek Al-Wazir und Priska Hinz freuen sich …
Wiesbaden taz | Die Grünen-Fraktion und ihre Gäste jubeln am Sonntag gleich
zweimal. Im Fraktionssaal der Grünen im Wiesbadener Landtag haben sie
[1][auf das Wahlergebnis] gewartet. Um 18 Uhr sehen sie in der ARD ihren
Balken nach oben steigen, rund 20 Prozent, auf Augenhöhe mit der SPD, da
schreien sie zum ersten Mal und klatschen im Gleichtakt. Um 18.01 Uhr
sendet die ARD die nächste Grafik, die mutmaßliche Sitzverteilung im
Landtag; es sieht zu dem Zeitpunkt aus, als könnte es wieder für eine
schwarz-grüne Mehrheit reichen. Da schreien und klatschen sie noch einmal.
Die endgültige Sitzverteilung ist zu dem Zeitpunkt zwar noch vollkommen
offen, Grund zur Freude haben die Grünen aber so oder so: Nach den 17,5
Prozent bei der Landtagswahl in Bayern ist dieses Ergebnis für die Partei
die zweite Sensation innerhalb von zwei Wochen. Auch in Hessen konnten die
Grünen ihre Stimmanteile beinahe verdoppeln – und vielleicht ist der Sieg
an diesem Sonntag sogar [2][noch mehr wert als der in Bayern].
In Wiesbaden saß die Partei in den vergangenen fünf Jahren schließlich
nicht in der Opposition, sondern war Juniorpartner der CDU in der
schwarz-grünen Koalition. Ein paar ihrer Wahlversprechen konnte sie in der
abgelaufenen Legislaturperiode zwar umsetzen, etwa ein
Nahverkehrs-Jahresticket, mit dem SchülerInnen für 365 Euro durchs Land
fahren können.
Bei einigen anderen Kernthemen haben die Grünen aber zurückgesteckt: Den
Ausbau des Frankfurter Flughafens verhinderten sie nicht, einem
NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag stimmten sie mit Rücksicht auf den
Koalitionspartner nicht zu. Solche Kompromisse können einer
Regierungspartei unter anderen Umständen Stimmen kosten.
## Keine Skandale, keine Streitereien
In Hessen profitierten die Grünen aber vielleicht gerade von ihrem
Pragmatismus. Ohne große Skandale oder Streitereien mit dem
Koalitionspartner regierten sie in Wiesbaden. Das Gegenteil zur Großen
Koalition im Bund also, in der sich die Regierungsparteien seit ihrem
Amtsantritt vor allem mit sich selbst beschäftigen. Die schlechte
Performance im Bund hat in Hessen offenbar sowohl der Union als auch der
SPD Stimmen gekostet, während sich die Grünen als zuverlässiger
Koalitionspartei inszenierten. „Tarek statt GroKo“ schrieben sie hier auf
ihre Wahlplakate.
Mit diesem Kurs erklärt auch Al-Wazir selbst den Wahlerfolg, als er sich
eine halbe Stunde nach der ersten Prognose im Fraktionssaal feiern lässt.
Im Wahlkampf, erzählt er dort, hätten ihm viele Menschen gesagt: „Wir
finden es gut, dass ihr euch um die Sache kümmert. Wir finden gut, dass ihr
nicht um euch selbst kreist wie die Große Koalition in Berlin.“
Dazu kommt noch ein Erfolgsfaktor: der Kandidat selbst. Eigentlich sind die
Grünen in Hessen mit einem quotierten Spitzenduo angetreten. Das fiel im
Wahlkampf aber kaum auf, weil der männliche Teil (Wirtschaftsminister Tarek
Al-Wazir) den weiblichen (Umweltministerin Priska Hinz) so sehr
überstrahlte.
Ihre Schuld ist das nicht – der 47-jährige Al-Wazir, schon sein halbes
Leben in der Landespolitik und seit fünf Jahren in der Regierung, ist im
Land einfach sehr populär. In Umfragen schneidet er als Hessens
beliebtester Politiker ab, im Wahlkampf kam er besser an als der hölzerne
SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel und der müde
CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier.
## Höchstens knappe Mehrheiten
Was er nun mit dem Wahlerfolg anstellen wird? Mit Koalitionsaussagen halten
sich Al-Wazir und seine Partei zunächst zurück. Bequem wäre es für die
Parteispitze natürlich, einfach mit der CDU weiterzuregieren, falls nötig
mit der FDP. Ein Bündnis mit den Schwarzen hat schließlich schon einmal gut
geklappt, der Jubel um 18.01 kommt nicht von ungefähr.
Vor allem an der Parteibasis gibt es zwar auch einige, die Rot-Rot-Grün
oder eine Ampelkoalition bevorzugen würden. Da sich am Sonntagabend schnell
abzeichnete, dass beide Bündnisse höchstens knappe Mehrheiten hätten,
könnte sich diese Diskussion aber bald erledigt haben. Al-Wazir kann damit
sicher leben.
Während die Regierungsbildung zunächst offen bleibt, ist immerhin eines
klar: Im Bund gibt das Wahlergebnis den Grünen weiter Aufwind. Der Traum
der Parteichefs Habeck und Baerbock, mit einem antipopulistischen Kurs
führende Kraft im Mitte-links-Lager zu werden, scheint noch einmal
realistischer – auch wenn die Grünen die SPD anders als in Bayern noch
nicht abgehängt haben. Annalena Baerbock gratuliert den Hessen-Grünen als
Erste: Der Erfolg zeige, dass „Vernunft Wahlen gewinnt und nicht
Populismus“.
28 Oct 2018
## LINKS
[1] /Wahl-in-Hessen-Hochrechnung/!5545614
[2] /Gruene-nach-der-Wahl-in-Bayern/!5540544
## AUTOREN
Tobias Schulze
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