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# taz.de -- Die Wahrheit: Liebe Satanistenjäger …
> Wegen Anschläge auf die Museumsinsel und Wutkoch: Offener Brief an die
> Attentäter auf den angeblichen „Thron des Satans“ in Berlin.
Bild: Jäger des verlorenen Satans
… mit großem Bedauern haben wir erfahrenen Satanbeobachter in der
Wahrheit-Redaktion euren Angriff auf antike Artefakte in Berliner Museen
zur Kenntnis genommen. Offensichtlich hat euch ein Aufruf des Kochs Attila
Hildmann dazu motiviert. Der Veganist glaubt zu wissen, dass der Eingang
zur Hölle sich auf der Berliner Museumsinsel befindet – genau gegenüber der
Privatwohnung der Bundeskanzlerin und, so Hildmann, „Stasi-Satanistin“
Angela Merkel. Dabei bezieht sich der Glaubensmann auf die Bibel, in der
ein gewisser Johannes eine Offenbarung hat: „Ich weiß, wo du wohnst,
nämlich da, wo der Thron des Satans ist.“ Dieser Herrscherstuhl soll der
weltberühmte Pergamonaltar sein.
Verehrte Satanistenjäger, ihr seid arglistig getäuscht und irregeleitet
worden. Mag sein, dass der Geisterfreund Attila Hildmann sich an „John
Sinclair“-Heftchen geschult hat, ein großer Textanalytiker wird er nie
werden. Denn der „Thron des Satans“ und sein wahrer Standort sind längst
identifiziert. Er ist zwar tatsächlich in Berlin, aber nicht auf der
Museumsinsel.
Ihr, hochgelehrte Satanistenjäger, werdet wahrscheinlich die der Aufklärung
zutiefst verpflichtete Wahrheit-Seite noch nie gelesen haben. Aber der
Autor dieser Zeilen hat hier schon öfter berichtet, wo genau der Eingang
zur Hölle einst angesiedelt war und wo er sich heute befindet.
Anfang der achtziger Jahre nämlich zog eben jener Autor in eine
Wohngemeinschaft ein im Berliner Bezirk Schöneberg, Belziger Straße 1. Ein
Haus mit zwei Bordellen und einer „Erosbar“ im Erdgeschoss. Oben unterm
Dach aber hatte sich eine mehrköpfige bohemienartige Gemeinschaft aus
Germanistik-, Kunst- und Theaterwissenschafts-Studierenden
zusammengefunden, die neben allerlei körperlichen Interaktionen auch ein
Dechiffrier-Kollektiv bildete und ihre ausgeklügelten Textinterpretationen
auf alle praktischen Umstände des Lebens übertrug.
## WG des Grauens
Da die Wohngemeinschaft nur eine Toilette hatte, entwickelte sich ein
elaborierter Code zum Verständnis der natürlichen Vorgänge. Hatte jemand
seine Notdurft verrichtet, hinterließ er nach dem ikonischen Titel des
Romans von H. P. Lovecraft „Berge des Wahnsinns“. Der Lokus selbst aber
wurde von den erstaunlich bibelgeschulten jungen Lesekräften mit Bezug auf
die Johannes-Offenbarung als „Thron des Satans“ bezeichnet. Beides ergab
sich aus den olfaktorischen Sinneseindrücken, die in ihrer ätzenden
Ausformung direkt auf den Fürsten der Finsternis und seinen schon bei
Goethe faustdick dampfenden Auftritt verwiesen.
Deshalb, werte Satanistenjäger unserer Tage, unterlasst bitte alle Angriffe
auf das Pergamonmuseum wie auch auf ähnliche Kunststätten. Und versucht es
auch nicht in der Belziger Straße in Berlin-Schöneberg. Der Eingang zur
Hölle dort ist längst geschlossen. Der wahre „Thron des Satans“ befindet
sich nämlich an einer ganz anderen Stelle: im Oberstübchen von Attila
Hildmann. Da müsste dringend mal gelüftet werden.
24 Oct 2020
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
Die Wahrheit
Museumsinsel
Attila Hildmann
Kolumne Die Wahrheit
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