# taz.de -- Bezahlung beim Hochschulsport: Gut – und ziemlich günstig | |
> Acro-Yoga, Volleyball, Problemzonengymnastik: Beim Hochschulsport ist | |
> alles schön günstig. Die Kursleitenden verdienen entsprechend wenig. | |
Bild: Auch Basketballkurse gibt es an Hochschulen und Universitäten günstig | |
Die körperliche Betätigung, so ahnten schon die antiken Griechen und auch | |
Turnvater Jahn, hat [1][viele positive Auswirkungen auf Körper und Geist]. | |
Sport schult die Körperwahrnehmung, maximiert die Sauerstoffversorgung des | |
Gehirns, stützt die Gelenke durch Muskelaufbau. So belegen es immer mehr | |
wissenschaftliche Studien. Es ist nur eine logische Konsequenz, dass Sport | |
entsprechend auch an jenen Orten der Wissenschaft selbst praktiziert wird – | |
an Hochschulen und Universitäten. | |
Von Fußball über Modern Jazz Dance und Faszien-Fitness zu | |
Problemzonengymnastik: Der Hochschulsport bietet Studierenden jedes | |
Semester [2][ein großes Angebot an Kursen]. Ganze 90 sind es an der | |
Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. 3.000 bis 4.000 | |
Studierende nehmen daran Teil. | |
Dass die Kurse so beliebt sind, liegt vor allem daran, dass sie so günstig | |
sind. 25 Euro etwa kosten fünf Monate Badminton für Studierende, | |
Schüler:innen und Azubis an der HTW. Man muss dabei nicht einmal selbst | |
dort eingeschrieben sein, es reicht an einer kooperierenden Hochschule zu | |
studieren. | |
Zum Vergleich: Für eine Mitgliedschaft in einem Verein in Berlin, der | |
Badminton anbietet, zahlen Studierende für ein halbes Jahr ungefähr das | |
Vierfache. Bei Yoga ist das Gefälle sogar noch größer. Zahlt man an der HTW | |
32 Euro als Student:in für einen halbjährigen Kurs in Hatha-Yoga, so kostet | |
das in einem Berliner Studio schon mal über 200 Euro für denselben | |
Zeitraum. Die Preise variieren natürlich von Studio zu Studio. Trotzdem | |
kann man sagen: Günstiger als an der Hochschule wird einem der | |
herabschauende Hund nicht beigebracht. | |
## Schwer, davon zu leben | |
Super für alle Teilnehmenden. Für die Kursleitenden nicht – denn die | |
verdienen wenig. „Es ist auf Dauer nicht schaffbar, nur davon zu leben, | |
Kursleiter beim Hochschulsport zu sein“, sagt die Kursleiterin Luise | |
Gedrath der taz. Sie heißt eigentlich anders, über ihre Einkommenssituation | |
will sie nicht unter echtem Namen sprechen. Gedrath studiert Sport- und | |
Ernährungswissenschaften im Master. | |
Schon während des Bachelors begann sie, Kurse zu leiten. Wegen ihres | |
Studiums und weil sie zwei Trainerlizenzen hat, wird sie an den Unis in die | |
höchste Honorarkategorie eingeordnet. Mittlerweile hat sie im Rahmen des | |
Hochschulsports an der Technischen Universität, an der HTW und an der | |
Humboldt-Universität verschiedenste Kurse unterrichtet. | |
Zwischendurch hat Gedrath mal versucht, anderthalb Jahre lang | |
hauptberuflich vom Leiten der Unikurse zu leben. Ihr Fazit: „Man muss ganz | |
schön viele Kurse schrubben, um auf das Geld zu kommen, wovon man dann am | |
Ende leben möchte.“ | |
An den Hochschulen werden Kursleiter:innen zum größten Teil nicht fest | |
angestellt, sondern arbeiten auf Honorarbasis Semester für Semester. An der | |
HTW Berlin richten sich die Honorarsätze der Kursleiter:innen nach der | |
Qualifikation – sprich danach, ob sie eine Trainer:innen-Lizenz, eine | |
entsprechende Ausbildung oder ein Studium vorweisen können. Wer das nicht | |
kann, bekommt 10 Euro die Stunde, für die höchste Qualifikationsstufe gibt | |
es 28 Euro. | |
## Teure Lizenzen | |
An anderen Hochschulen und Universitäten verhält sich das ähnlich. Auf | |
Nachfrage gaben die Beuth Hochschule für Technik in Berlin, die Universität | |
Potsdam, die Leibniz Universität Hannover und die Technische Universität | |
München an, die Kursleitenden abhängig von ihrer Qualifikation zu bezahlen. | |
Die Sätze variieren. An der Beuth liegt die Spanne zum Beispiel zwischen 12 | |
und 22 Euro die Stunde, an der Universität Hannover zwischen 11,50 und 30 | |
Euro – alle Beträge beziehen sich übrigens auf die tatsächlich | |
unterrichtete Zeit. | |
Das ist nicht viel. Denn zum einen können die Lizenzen, mit denen man in | |
eine höhere Qualifikationsstufe eingeteilt wird, mehrere hundert bis | |
mehrere tausend Euro kosten. Und zum anderen arbeiten die Kursleitenden auf | |
Honorarbasis, sie müssen also gegebenenfalls noch ihre Krankenversicherung | |
und Einkommenssteuer von dem Stundensatz zahlen. | |
Das könnte dann so aussehen: Eine Person, die 28 Euro die Stunde bekommt, | |
muss 18 einstündige Kurse die Woche geben, um rund 2.000 Euro zu verdienen. | |
Davon gehen dann ungefähr 300 Euro Einkommensteuer und bis zu 340 Euro | |
gesetzliche Krankenversicherung ab. Bleiben 1.360 Euro für den Monat übrig. | |
Wer in der niedrigsten Qualifikationsstufe eingeordnet ist, muss für das | |
gleiche Geld 50 Stunden die Woche arbeiten. | |
Wie kommt diese Bezahlung zustande? Sowohl im Berliner Hochschulgesetz als | |
auch im Hochschulrahmengesetz ist die Förderung des Hochschulsports als | |
Aufgabe der Hochschulen und Universitäten festgeschrieben. „Insofern | |
erfolgt die Finanzierung der personellen und infrastrukturellen Ressourcen | |
des Hochschulsports über den Globalhaushalt der Hochschulen beziehungsweise | |
der Universitäten“, sagt Martina Rost, Vorsitzende der Landeskonferenz | |
Hochschulsport Berlin. | |
## Wirtschaften für niedrige Beiträge | |
Bedeutet: Die Hochschulen erhalten vom Landeshaushalt Geld, das die | |
Hochschulen nach eigenem Ermessen einsetzen können – eben auch für den | |
Sport. Eine detaillierte Auskunft dazu, wie die einzelnen Hochschulen ihren | |
Unisport finanzieren, kann Rost nicht geben. Denn wie die Universitäten | |
diesen gesetzlichen Auftrag umsetzen, ist ihnen selbst überlassen. Die | |
Hochschulen müssen also mit dem Geld, das sie über den Landeshaushalt | |
bekommen, und den Teilnahmegebühren wirtschaften, um die Kursgebühren | |
niedrig halten zu können. | |
Das fällt von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich aus. Genaue Zahlen | |
nennen auch die angefragten Institutionen nicht. Der HTW verrät nur so | |
viel, dass dort „ein Gros“ der Kosten aus den Teilnahmegebühren bestritten | |
werde. „Die Kosten sind relativ gering“, sagt Gisela Hüttinger, | |
Pressesprecherin der HTW. „Die Immobilien gehören zum Bestand, die | |
Kursleiter bekommen ein überschaubares Entgelt, dann ist es ein ganz | |
schlankes Team, was alles organisiert.“ | |
Das kommt alles noch aus Zeiten, als der Unisport als eine Art Austausch | |
zwischen Studis gedacht war, nicht als Dienstleistung, die angemessen | |
bezahlt werden muss. Früher, sagt die Vorsitzende der Landeskonferenz | |
Martina Rost, sie die Teilnahme am Hochschulsport kostenfrei gewesen. | |
„Der Hochschulsport wird vor allem als Bildungseinrichtung verstanden, in | |
der Studierende wichtige Bewegungs- und Körpererfahrungen sammeln können, | |
soziale Kontakte knüpfen, den Austausch mit anderen Fachkulturen jenseits | |
des Seminarraums erleben und schließlich einen physischen Ausgleich zum | |
akademischen Hochschulalltag finden“, sagt sie. Mittlerweile ist an den | |
meisten Unis eine Kostenpflicht der Sportangebote eingeführt worden. Doch | |
als Bildungseinrichtung versteht sich der Hochschulsport noch immer. | |
## Bezahlung nicht so wichtig | |
Das schätzen auch die Kursleitenden. „Der Hochschulsport ist immer offen | |
für neue Ideen und unterstützt dich dabei, die umzusetzen“, sagt | |
Kursleiterin Gedrath. „Du kannst dein eigenes Konzept schreiben, kannst | |
Sachen ausprobieren.“ Man müsse sich nicht darum kümmern, dass | |
Teilnehmer:innen kommen, müsse keine Werbung machen. „Dann hat man Leute im | |
Kurs, die auch Lust haben, die man nicht motivieren muss. Und man kann sich | |
auch die Zeiten aussuchen, zu denen man arbeiten will.“ Der kleine | |
Minuspunkt Bezahlung stehe vielen weiteren, wichtigeren Faktoren gegenüber. | |
Cathrin Diesing schildert es ähnlich. Sie unterrichtet mittlerweile seit | |
über zehn Jahren Orientalischen Tanz beim Hochschulsport in Berlin. Davon | |
leben kann sie nicht. Sie ist Kinesiologin und betreibt eine Praxis. Aber | |
sie sagt: „Ich finde die Bezahlung an der Hochschule in Ordnung. | |
Insbesondere, wenn man die Preise sieht, die die Studenten dafür bezahlen.“ | |
Klar könnte sie in einem Sportstudio mehr verdienen. „Aber große | |
Sportstudios funktionieren einfach anders und haben eine andere Klientel. | |
An der Universität ist es ein schönes Arbeiten.“ | |
In der Präambel der Satzung zur Zentraleinrichtung Hochschulsport der HTW | |
heißt es: „Ausgehend von der gesetzlichen Verpflichtung der Hochschule zur | |
Wahrnehmung und Förderung des Hochschulsports erbringt die | |
Zentraleinrichtung Hochschulsport Service-Leistungen in Form eines | |
angemessenen Sportangebots.“ Dieses solle der sportlichen Betätigung aller | |
Hochschulmitglieder dienen. Dieses Ziel sei eben nicht anders umzusetzen | |
als über vergleichsweise geringe Stundenhonorare bei den Leiter:innen, sagt | |
Gisela Hüttinger von der HTW. | |
Luise Gedrath sieht es so: „Ich lerne an der TU etwas und bringe anderen | |
gleichzeitig etwas bei. Das geht so Hand in Hand.“ Sie versteht das | |
Kursleiten beim Hochschulsport als Student:innenjob. Das ist es aber nicht | |
für alle Kursleitenden. | |
30 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Bewegung-und-Gesundheit/!5339080 | |
[2] https://www.hochschulsport.hu-berlin.de/de/angebot/sportangebot | |
## AUTOREN | |
Maike Brülls | |
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