# taz.de -- Protest gegen Verdrängung: Immobilienhai mag kein Eis | |
> Der Streit um die Lausitzer Straße 10 und 11 geht in eine neue Runde. Der | |
> Eigentümer hat Kündigungen verschickt, die Mieter protestieren dagegen. | |
Bild: Neue Aktionsform: Mit Gratis-Eis gegen Verdrängung | |
Normalerweise steht es immer offen, das Tor zum Bürogebäude mit der Adresse | |
Paul-Lincke-Ufer 41, direkt am Landwehrkanal in Kreuzberg. Heute nicht. Das | |
Tor ist zu an diesem Freitagnachmittag, davor hat sich eine Menschenmenge | |
um einen hellblauen Eiswagen versammelt. Das Tor ist zu, weil diese | |
Menschen das Gebäude nicht betreten sollen: Es sind Mieterinnen und Mieter | |
aus der Lausitzer Straße 10 und 11, die hier vor dem Sitz ihrer | |
Hausverwaltung gegen die Kündigungen protestieren, die diese in den letzten | |
Wochen verschickt hat. | |
Seit fast zwei Jahren kämpfen die Mieter aus der Lause, wie die beiden | |
Häuser kurz genannt werden, gegen ihre drohende Verdrängung. Durch einen | |
Zufall erfuhren sie damals, dass der Eigentümer, der dänische | |
Immobilienkonzern Taekker, den Verkauf der ehemaligen Glasfabrik plante, | |
die heute vor allem Gewerbe beheimatet: Vereine und politische | |
Organisationen, Künstler, Aktivisten und Schriftsteller haben hier ihre | |
Räume. | |
Taekker wollte damit tun, was er an vielen Orten in Berlin tat: Mitte der | |
Nullerjahre kaufte die Firma im großen Stil ein, Altbauten in schönen | |
Innenstadtquartieren, teils ganze Straßenzüge. Seit einigen Jahren werden | |
die Häuser nun wieder verkauft, mit beträchtlichem Gewinn: Für die Lause | |
etwa will Taekker knapp 20 Millionen Euro, für 2,3 Millionen hatte der | |
Konzern das Haus damals von der Stadt gekauft. | |
Ein Großteil der Taekker-Immobilien ist bereits verkauft, viele davon an | |
einen Londoner Investor, per sogenanntem Share Deal am Fiskus vorbei. Mit | |
der Lause aber ging es nicht so schnell, wie Taekker geplant hatte: Die | |
Mieter schlossen sich zusammen, brachten Netzwerke und Protesterfahrung | |
mit. Ihr Widerstand schlug so große Wellen, dass er für Taekker zum | |
Imageproblem wurde: In seiner Heimat Dänemark inszeniert sich der | |
Firmengründer Jorn Taekker als ökologisch denkender Menschenfreund mit | |
einem Herz für Kunst – Berliner Kreative vor die Tür zu setzen, passt da | |
nicht gut ins Bild. | |
## Kündigungen nach monatelanger Ruhe | |
Also wurde verhandelt. Der Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) | |
schaltete sich ein, die kommunale Wohnungsbaugesellschaft WBM wurde | |
dazugeholt. Für 12 Millionen Euro hätte diese das Haus in Absprache mit den | |
Mietern kaufen und somit rekommunalisieren können. | |
Taekker aber habe von den 20 Millionen, die er als Kaufpreis anvisiert, | |
nicht abrücken wollen, erzählt Thorsten Winsel, der für die Lause bei den | |
Verhandlungen dabei war. „Er hat uns angeschaut und gefragt: Warum sollte | |
ich euch Geld schenken?“ | |
Folglich wurde eine andere Option diskutiert: Das Haus bleibt im Besitz von | |
Taekker, aber es gibt einen Rahmenmietvertrag für die aktuellen Mieter, | |
langfristig angelegt und bezahlbar. Diese Option habe Taekker, der mehrfach | |
betont hat, eigentlich Gefallen an der Mieterschaft der Lause zu finden, | |
besser gefallen. „Sie haben uns gesagt, dass sie diese Möglichkeit prüfen | |
wollen“, sagt Winsel, „dann haben wir monatelang nichts mehr von ihnen | |
gehört“. | |
Stattdessen trafen im September die ersten Kündigungen in der Lausitzer | |
Straße ein: Fünf Mietparteien wurden vor die Wahl gestellt, entweder zu | |
gehen oder neue Verträge zu schlechteren Konditionen und mit über 50 | |
Prozent mehr Miete abzuschließen. Dem Eisverkäufer Mauro Luongo, der seit | |
18 Jahren einen Raum in der Lause als Lagerort nutzt, wurde ganz ohne neues | |
Angebot gekündigt. | |
## Mit Gratis-Eis gegen den Immobilienhai | |
Luongo gehört der hellblaue Eiswagen, der an diesem Freitag mitten in der | |
Protestkundgebung steht: Für die Demonstrierenden gibt es Gratis-Eis. „Ich | |
bin sehr froh über die Solidarität, die ich in den letzten Wochen erfahren | |
habe“, sagt er. Sein Eis verkauft er normalerweise auf dem Tempelhofer | |
Feld, wo er einen neuen bezahlbaren Lagerraum in der Innenstadt finden | |
solle, wisse er nicht. Wann denn nun weiter verhandelt würde über den | |
Rahmenmietvertrag, fragten die Mieter Ende September bei der Hausverwaltung | |
PLU Immobilien nach, die von Taekker mit den Verhandlungen beauftragt | |
worden war. Die Antwort fiel knapp aus: „Wir haben Ihr Anliegen (…) intern | |
ausführlich diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass dies für uns | |
nicht in Frage kommt“, heißt es in der Antwortmail, die der taz vorliegt. | |
Und weiter. „Wir sehen die tägliche Bewirtschaftung des Grundstücks | |
hierdurch massiv gefährdet.“ | |
Auf taz-Anfragen zur Lause antworten weder die PLU Immobilien noch Taekker | |
selbst, trotz mehrmaliger Nachfragen. Ohnehin versucht der Konzern seit | |
einiger Zeit, in Berlin so wenig wie möglich namentlich in Erscheinung zu | |
treten: Die Hausverwaltung, die die meisten seiner Immobilien betreut, | |
wurde von Taekker in Residea umbenannt, der „Rückzug“ aus dem Berliner | |
Markt damals groß verkündet. „Salamitaktik“ nennt Thorsten Winsel Taekkers | |
neue Strategie: „Er versucht uns zu spalten, in dem er nach und nach | |
Einzelkündigungen verschickt.“ Erfolgreich sein werde er damit aber nicht: | |
„Wir hatten schon vorher eine gut funktionierende Hausgemeinschaft, aber | |
gerade durch den Konflikt mit Taekker sind wir in den letzten zwei Jahren | |
noch einmal richtig zusammengewachsen.“ | |
So ähnlich klingt das auch auf der Kundgebung: „Am Anfang wollten wir | |
bleiben“, heißt es in einem Redebeitrag. „Jetzt wollen wir | |
zusammenbleiben.“ Die Häuser in der Lausitzer Straße werden JørnTaekker | |
wohl noch eine Weile beschäftigen. | |
28 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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