# taz.de -- Hessens Ministerpräsident und die Presse: Bouffiers Presseboykott | |
> Einst berichtete die „Frankfurter Rundschau“ über einen Prozess gegen | |
> Volker Bouffiers Neffen. Seitdem gibt er dem Blatt kein Interview mehr. | |
Bild: Hessen findet Volker Bouffier stark, die „Frankfurter Rundschau“ eher… | |
Frankfurt am Main und Wiesbaden taz | Der hessische Ministerpräsident | |
Volker Bouffier (CDU), der sich bei der Landtagswahl am kommenden Sonntag | |
um seine Wiederwahl bewirbt, gibt eigentlich gerne Interviews. Sein Chef | |
genieße es, Journalisten „einmal so richtig zu sagen, wo es lang geht“, | |
sagte einst einer seiner engsten Mitarbeiter. [1][Im Wahlkampf hat | |
Bouffier] auch Dutzende Interviews gegeben, Fernsehstationen, | |
Radiojournalisten, überregionalen und regionalen Zeitungen. Allein der | |
linksliberalen Frankfurter Rundschau (FR), eine der wichtigsten Zeitungen | |
in Hessen, gibt der Ministerpräsident regelmäßig einen Korb. | |
Diesen Boykott machten SPD und Linke zum Thema im Hessischen Landtag. Ein | |
Ministerpräsident, dem die Pressefreiheit ein Anliegen sei, müsse auch | |
einer kritischen Zeitung Rede und Antwort stehen, so argumentierten die | |
Oppositionsparteien. Bouffier verteidigte seine Weigerung. Wenn sich eine | |
Zeitung kritisch mit seiner Politik auseinandersetze, sei das in Ordnung, | |
sagte der Ministerpräsident in der Parlamentsdebatte im August: „Ich werde | |
es aber niemals akzeptieren, dass die FR Kinder und Jugendliche meiner | |
Familie an den Pranger gestellt hat, auf ewig, denn das Netz vergisst nie!“ | |
Mit dieser Begründung erinnerte Bouffier unfreiwillig an eine Geschichte, | |
die er eigentlich vergessen machen will. Vor mehr als sieben Jahren hatten | |
sich drei seiner Neffen vor dem Gießener Amtsgericht verantworten müssen. | |
Der Vorwurf: schwere Körperverletzung. Zusammen mit drei anderen jungen | |
Männern waren sie in Gießen vor dem Tanzlokal „Alpenmax“ in eine Schläge… | |
verwickelt gewesen. | |
Barhocker, Flaschen und eine Tisch seien zum Einsatz gekommen, hieß es in | |
der Anklageschrift. Es gab Verletzte, der Hauptangeklagte war einer von | |
Bouffiers Neffen. Doch die Staatsanwaltschaft machte überraschend kurzen | |
Prozess. Noch vor Verlesung der Anklageschrift wurde das Verfahren, | |
ursprünglich auf drei Verhandlungstage terminiert, ohne Sanktionen | |
eingestellt. | |
## Frage nach dem Bouffier Clan | |
Die FR berichtete darüber mit der Überschrift [2][„Bouffiers böse Neffen�… | |
Der Hauptangeklagte sei ja zuvor wegen einer anderen Schlägerei zu einer | |
Bewährungsstrafe verurteilt worden, erklärte später eine | |
Gerichtssprecherin; es sei ein normaler Vorgang, dass dieses zweite | |
Verfahren eingestellt worden sei, zitierte die FR die Sprecherin; mit der | |
prominenten Verwandtschaft habe das nichts zu tun. Die FR erlaubte sich | |
damals die Frage, ob Bouffiers „Clan“ in Gießen möglicherweise unter einem | |
besonderen Schutz stehe. Das nimmt der hessische Regierungschef ihnen | |
seither übel. Im Landtag sagte er: „Ich verweise niemanden des Saales, wenn | |
er seiner journalistischen Arbeit nachgeht. Von mir kann aber niemand | |
verlangen, dass ich ein solches Verhalten auch noch dadurch würdige, dass | |
ich persönliche Interviews gebe.“ | |
Auf Anfrage der taz, ob der Interviewboykott auf ewig gelte, verwies | |
Regierungssprecher Michael Bußer auf Bouffiers Erklärung vor dem Landtag. | |
Die Staatskanzlei richte sich nach den Informationspflichten und dem | |
Grundsatz der Transparenz; Anfragen der FR würden selbstverständlich | |
beantwortet. Es werde allerdings von Fall zu Fall entschieden, „welche | |
Exklusivinterviews der Ministerpräsident gibt und welche TV-Formate er | |
wahrnimmt“- | |
Der Autor des FR-Artikels ist Matthias Thieme, mittlerweile Chefredakteur | |
der Frankfurter Neuen Presse (FNP). [3][FNP und FR gehören seit einem Jahr | |
der Verlegerfamilie Rempel] und dem Großverleger Ippen. Die Verlagsgruppe, | |
in der auch zahlreiche andere Lokalzeitungen kooperieren, gibt in weiten | |
Teilen Hessens den Ton an. Auf die Frage, ob Bouffier seinen streitbaren | |
Boykott ausweiten möchte, gab es keine Antwort. | |
Jürgen Bothner, Landesbezirksleiter der Gewerkschaft Verdi, hat Verständnis | |
dafür, dass sich Bouffier gelegentlich über die Berichterstattung ärgere, | |
erklärte der Gewerkschafter, der eine große Anzahl von JournalistInnen in | |
Tarifverhandlungen vertritt. Gegenüber der taz sagt er: „Was ich nicht | |
verstehe, ist ein seit sechs Jahren währender offener Interviewboykott der | |
FR. Sie ist nicht irgendeine Zeitung. Das geht zu weit. Wie groß der Ärger | |
auch immer war.“ | |
25 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Bouffier-im-CDU-Wahlkampf-in-Hessen/!5542272 | |
[2] http://www.fr.de/rhein-main/kein-urteil-bouffiers-boese-neffen-a-921811 | |
[3] /Neue-Verleger-andere-Strategie/!5502726 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
## TAGS | |
Unbekanntes Hessen | |
Frankfurter Rundschau | |
Volker Bouffier | |
Presse | |
Landtagswahl in Hessen | |
Landtagswahl in Hessen | |
Hessen | |
Diesel | |
Frankfurter Rundschau | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Landtagswahl Hessen: Bleiben oder gehen | |
Am Sonntag wählt Hessen einen neuen Landtag. Was kann die Wahl für den Bund | |
bedeuten? Die wichtigsten Fragen – und Antworten. | |
Serie Unbekanntes Hessen: An Hessen führt ein Weg vorbei | |
„An Hessen führt kein Weg vorbei“, wirbt das babbelnde Bundesland. | |
Wirklich? Vier Wege, wie man drumherumkommt – mit oder ohne Landtagswahl. | |
Kommentar Stickoxid-Grenzwerte: Abwarten und Volksverdummung | |
Merkel will Diesel-Fahrverbote per Gesetz erschweren. Vor der Landtagswahl | |
in Hessen ist dieses Manöver so durchsichtig wie absurd. | |
Neue Verleger, andere Strategie: Zurück in die Zukunft | |
Mehr Lokales, mehr Kooperationen: Bei der „Frankfurter Rundschau“ und der | |
„Frankfurter Neuen Presse“ wird umgebaut und gespart. |