| # taz.de -- Trotz Übergriffsvorwürfen bestätigt: Kavanaugh darf ans Oberste … | |
| > Der Richter Brett Kavanaugh soll mehrere Frauen misshandelt haben. | |
| > Dennoch wurde er nun knapp zum Richter am Supreme Court gewählt. | |
| Bild: „Ein Makel in der amerikanischen Geschichte“: Brett Kavanaugh wird al… | |
| New York taz | Ein „gigantischer Sieg“ triumphierte Donald Trump bei einem | |
| Wahlkampfmeeting in Kansas. „Ein herzzerreißender Tag“, beklagte die | |
| Demokratin Nancy Pelosi im Kongress. „Eine Schande“, skandierten Tausende | |
| Frauen, die auf den Stufen zum des Obersten Gerichtes demonstrierten. „Wir | |
| werden Euch nicht vergeben“, warnte Bob Bland, eine der Chefinnen des | |
| Women's March, „wir Frauen kommen. Wir werden Euch ersetzen.“ Gleichzeitig | |
| legte der 53-jährige [1][Brett Kavanaugh] seine Hand auf eine Bibel, die | |
| seine Frau Ashley hielt, und ließ sich als 114. Richter des Obersten | |
| Gerichtes der USA vereidigen. | |
| Am späten Samstagnachmittag war er mit einer der knappsten Mehrheiten der | |
| Geschichte für das Oberste Gericht bestätigt worden. Am Ende eines langen | |
| und bitteren Bestätigungsverfahrens stimmten 50 SenatorInnen für und 48 | |
| gegen ihn. Während die meisten obersten RichterInnen der USA die Stimmen | |
| von SenatorInnen beider Parteien bekamen, entschied sich die Causa | |
| Kavanaugh entlang von Parteilinien. In beiden Fraktionen im Senat gab es | |
| nur je eine abweichende Stimme. | |
| Bei den DemokratInnen stimmte Senator Joe Manchin aus West Virginia allein | |
| für Kavanaugh. Bei Interviews auf den Gängen des Senats versuchte er | |
| anschließend, sein Votum zu rechtfertigen, während Demonstrantinnen immer | |
| wieder im Chor „Schande!“ riefen. Die FBI-Untersuchung, so erklärte er, | |
| habe den Verdacht nicht bestätigt, dass Kavanaugh vor 36 Jahren versucht | |
| habe, eine Mitschülerin zu vergewaltigen. Manchin hofft, dass das Votum für | |
| Kavanaugh ihm hilft, im November wieder gewählt zu werden. Der ehemalige | |
| Kohlestaat West Virginia hatte im November 2016 mit starker Mehrheit für | |
| Trump gestimmt. | |
| Auf republikanischer Seite war die „moderate“ Senatorin Susan Collins aus | |
| Maine die Hoffnungsträgerin vieler für eine Ablehnung Kavanaughs gewesen. | |
| In den Tagen vor der Abstimmung erhielt ihr Büro Tausende Anrufe von | |
| Frauen, die flehten, Collins möge gegen Kavanaugh stimmen. Aber in einer | |
| 45-minütigen Rede vor dem Senat erklärte Collins am Freitag, dass sie für | |
| Kavanaugh stimmen werde, weil es keine Bestätigung für den Vorwurf | |
| sexueller Belästigung gebe. „In diesem Land gilt die Unschuldsvermutung“, | |
| begründete sie. | |
| ## Sarah Palin droht der Abweichlerin | |
| Als einziges Mitglied der republikanischen Fraktion im Senat sprach sich | |
| Senatorin Lisa Murkowski aus Alaska in der Debatte gegen die Bestätigung | |
| von Kavanaugh aus. Aber am Samstag stimmte auch sie nicht mit „nein“, | |
| sondern meldete sich in Vertretung des republikanischen Senators Steve | |
| Daines aus Montana, der wegen der Hochzeit seiner Tochter abwesend war, als | |
| „anwesend“. Damit rettete sie Kavanaugh vor der Peinlichkeit, mit nur einer | |
| Stimme Mehrheit gewählt zu werden. | |
| Direkt nach der Abstimmung eröffnete Trump aus Kansas die Feindseligkeiten | |
| gegen Murkowski und sagte, sie werde sich politisch „nie“ von ihrer | |
| Entscheidung erholen. Aus Alaska echote Sarah Palin mit der Drohung, dass | |
| sie bei Murkowskis nächster Kandidatur gegen sie antreten werde. | |
| Trump hat Kavanaugh im Juli für die Position am Obersten Gericht nominiert, | |
| die frei geworden war, nachdem Anthony Kennedy zurückgetreten war. Der von | |
| Ronald Reagan nominierte Kennedy war ein Konservativer, stimmte aber bei | |
| Fragen über die Rechte von Frauen und von der LGBT-Minderheit öfter mit den | |
| Linken. Sein Nachfolger Kavanaugh ist bei den Anhörungen vor dem | |
| Justizausschuss des Senats sämtlichen Fragen nach seinem Stimmverhalten | |
| ausgewichen. | |
| Aber seine Veröffentlichungen und seine bisherige Karriere – als Richter, | |
| als Rechtsberater von Georg W. Bush im Weißen Haus und zuvor als Anwalt und | |
| Mitarbeiter bei den Sonderermittlungen gegen Präsident Bill Clinton – legen | |
| nahe, dass er im Obersten Gericht entlang der weit nach rechts gerückten | |
| republikanischen Parteidoktrin stimmen wird. | |
| Schon im Wahlkampf hatte Trump als Geste an die evangelikalen ChristInnen | |
| angekündigt, er werde das Oberste Gericht mit Leuten besetzen, die den | |
| Grundsatzentscheid zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs kippen | |
| würden. Und um die Stimmen der SchusswaffenfreundInnen zu bekommen, | |
| versprach er, das Oberste Gericht werde den zweiten Verfassungszusatz | |
| hochhalten. Nachdem Trump schon im vergangenen Jahr den konservativen | |
| Richter Neil Gorsuch an das oberste Gericht befördert hat, ist Kavanaugh | |
| sein zweiter Mann dort. Seine Bestätigung wird am Supreme Court die | |
| Stimmenverteilung weit nach rechts verlagern. | |
| ## Protest gegen Aktivismus und Intransparenz | |
| Die DemokratInnen haben ihre Opposition gegen Kavanaugh zunächst mit dessen | |
| konservativem Aktivismus und seinen Entscheidungen begründet. Sie | |
| protestieren auch gegen den Mangel an Transparenz in seinem | |
| Bestätigungsverfahren. Unter anderem blieben den SenatorInnen die größten | |
| Teile seines Schriftwechsels als Bush-Berater aus der Zeit als die USA den | |
| „Krieg gegen den Terror“ eröffneten und folterten, vorenthalten. | |
| Doch Anfang September sorgte [2][eine Veröffentlichung der Washington Post] | |
| für eine radikale Wende in dem bereits beinahe abgeschlossenen Verfahren. | |
| Die kalifornische Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford beschuldigte | |
| den Richter einer versuchten Vergewaltigung im Sommer 1983, als sie 15 war. | |
| Wenig später meldete sich Deborah Ramirez, die mit Kavanaugh an der an der | |
| Universität Yale studiert hatte und berichtete, er habe ihr als Student bei | |
| einer Party seinen Penis ins Gesicht gehalten. | |
| Bei beiden mutmaßlichen sexuellen Übergriffen soll Kavanaugh volltrunken | |
| gewesen sein. Zum Schluss verbreitete Julie Swetnick, eine Mandantin von | |
| Star-Anwalt Michael Avenatti, den Vorwurf, Kavanaugh habe als Schüler an | |
| Parties teilgenommen, bei denen Mädchen unter Drogen gesetzt und | |
| vergewaltigt wurden. | |
| Erst auf Druck von DemokratInnen eröffnete der Justizausschuss des Senats, | |
| in dem die Republikaner die Mehrheit haben, die Anhörung erneut, um Blasey | |
| Ford sprechen zu lassen und Kavanaugh erneut anzuhören. Ramirez wurde nicht | |
| vorgeladen. DemokratInnen, aber auch einige wenige RepublikanerInnen halten | |
| beide Frauen für glaubwürdig. Die Vorwürfe von Swetnick und ihrem Anwalt | |
| Avenatti hingegen klangen auch für DemokratInnen zweifelhaft. | |
| ## Große Sympathie für Blasey Ford | |
| Der Tag, an dem nacheinander Blasey Ford und Kavanaugh vor dem | |
| Justizausschuss auftraten und dabei in voller Länge im Fernsehen übertragen | |
| wurden, war die bislang intensivste Begegnung der US-AmerikanerInnen mit | |
| einem angehenden obersten Richter. Blasey Ford kam widerstrebend in die | |
| Öffentlichkeit. Aber selbst republikanische Senatoren bescheinigten ihr | |
| anschließend große Sympathie. Für viele war ihr Auftritt eine Erinnerung an | |
| das Jahr 1991, als die Jura-Professorin Anita Hill dem damaligen Kandidaten | |
| für das Oberste Gericht, Clarence Thomas, sexuelle Belästigung vorwarf. | |
| Genau wie Thomas 27 Jahre zuvor bestritt dieses Mal Kavanaugh sämtliche | |
| Vorwürfe vehement. Bei einem Interview, das er zusammen mit seiner Frau dem | |
| rechten TV-Sender Fox News gab, beschrieb er sich selbst als Jugendlichen, | |
| der nichts anderes tat als zu lernen – „um Klassenbester zu sein“ und Spo… | |
| zu treiben und der erst Jahre später erstmals Sex hatte. Nachdem zahlreiche | |
| Altersgefährten über seinen Alkoholkonsum als Jugendlicher berichteten, gab | |
| er vor dem Senat zu, dass er Bier getrunken habe und dies gerne tue. | |
| Aber er bestritt, dass er je so betrunken war, dass er die Kontrolle | |
| verlor. In seinem wütenden Auftritt vor dem Ausschuss warf er den | |
| DemokratInnen eine Verschwörung vor. Und beantwortete die Frage der | |
| demokratischen Senatorin Amy Klebuchar, ob er sich je im Koma gesoffen | |
| habe, mit der Gegenfrage: „Haben Sie das getan?“ | |
| ## FBI-Untersuchungsergebnis unter Verschluss | |
| Die DemokratInnen im Ausschuss verlangten eine Untersuchung der Vorwürfe | |
| durch das FBI. Doch erst nachdem der republikanische Senator Jeff Flake, | |
| dessen Stimme für eine Mehrheit in der Vollversammlung des Senats nötig | |
| war, ebenfalls [3][eine FBI-Untersuchung verlangte], stimmte Trump zu. | |
| Binnen weniger Tage hörten FBI-AgentInnen einen kleinen Teil der | |
| potenziellen Augenzeugen zu den Vorwürfen von Blasey Ford und Ramirez. | |
| Zahlreiche damalige MitschülerInnen und MitstudentInnen von Kavanaugh, die | |
| zur Aussage bereit waren, wurden nicht gehört. Das Ergebnis der | |
| Ermittlungen ist unter Verschluss. Nur die SenatorInnen hatten dazu in | |
| einem verschlossenen Raum des Kongress Zugang. Kongressabgeordnete Pelosi | |
| hat angekündigt, dass sie sich um die Veröffentlichung des Dokumentes | |
| bemühen will. | |
| Wenige Tage vor der Abstimmung von Samstagnachmittag im Senat, zog Trump | |
| bei einem Wahlkampfauftritt in Mississippi über Blasey Ford her. Er machte | |
| sich darüber lustig, dass sie 36 Jahre nur vage Erinnerungen an Ereignisse | |
| vor und nach der mutmaßlichen Tat hatte. Am Samstag ließ Vizepräsident Mike | |
| Pence während der Abstimmung immer wieder Zwischenruferinnen aus dem Senat | |
| tragen. | |
| „Dies ist ein Makel in der amerikanischen Geschichte“, rief eine Frau, | |
| „verstehen Sie das?“ Anschließend rätselten SenatorInnen beider Parteien, | |
| wie die Nation die tiefe Spaltung überwinden könne. „Wenn eines Tages die | |
| Geschichte des Senats geschrieben wird“, sagte der Chef der demokratischen | |
| Fraktion, der New Yorker Senator Chuck Schumer, „wird dieses Kapitel eine | |
| knallrote Warnung sein, wie man es nicht tun sollte.“ | |
| 7 Oct 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Brett-Kavanaugh/!t5533628 | |
| [2] https://www.washingtonpost.com/investigations/california-professor-writer-o… | |
| [3] /Richter-fuer-hoechstes-US-Gericht/!5539244 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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