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# taz.de -- Die Wahrheit: Hunde im Regen
> Die Würdelosigkeit von Vierbeinergespannen kann sich mitunter nachteilig
> auf die Durchschlagskraft physikalischer Naturgesetze auswirken.
Ich war auf dem Heimweg nach der Arbeit. Es regnete, und die abschüssige
Straße lag unter einer flachen Schicht fließenden Wassers. Die Natur hat es
so eingerichtet, dass Wasser immer eine exakt waagerechte Oberfläche haben
will, dazu aber eine natürliche oder künstliche Einfassung benötigt. Gibt
es eine solche nicht, ist das Wasser hemmungslos der Wirkung der
sogenannten Schwerkraft unterworfen. In jedem Fall fließt es daher von oben
nach unten.
So verhielt es sich auch auf dem parallel zur Straße verlaufenden, mit
Betonplatten ausgelegten Gehweg. Dank des dichten Schuhwerks, das ich trug,
blieben meine Füße trocken. Das war ein relativer Triumph des Menschen über
die Naturgewalten, doch schon um Feuer abzuhalten, wären dieselben Schuhe
nicht eben von Nutzen gewesen.
Gegen das von oben herabfallende Wasser hielt ich einen aufgespannten
Schirm über mich, zweifellos eine der sinnreichsten Errungenschaften der
menschlichen Zivilisation. Ich ging und hatte Sinneseindrücke.
Zur selben Zeit dachte ich auch etwas. Was ich dachte, habe ich nach der
langen Zeit, die inzwischen vergangen ist, vergessen. Möglicherweise ist es
irgendwo in meinem Gehirn gespeichert und kann mittels einer entsprechenden
Technik abgerufen werden. Meiner Meinung nach wurden diese alten
Gedächtnisinhalte aber längst gelöscht. Etwa so, wie die Erinnerung an
alles, was ich im Schlaf träume, durch den Vorgang des Aufwachens stets
wieder neutralisiert wird.
Was ich hingegen noch weiß, ist, dass mir ein lächerliches Hundegespann
begegnete. Sehr kleine, albern zurechtgemachte Hunde zogen ohne jede Mühe
ein großes, dem Anschein nach schweres Gefährt. Sie taten es mit einem
Ernst, den ich ihnen wegen ihres die Würdelosigkeit streifenden Aufzugs
kaum zugetraut hätte.
Wenn ich jetzt daran denke, bemerke ich, dass ich nicht einmal imstande bin
zu definieren, wie die kleinen Hunde exakt aussahen und worin die
Lächerlichkeit ihres Anblicks bestand. Ich wurde abgelenkt, weil eine
Person, die vermutlich zu den Hunden gehörte, mit einem gläsernen
Gegenstand, vielleicht einer optischen Linse, den Gesetzen der Physik
zuwiderlaufende Bewegungen in der Luft ausführte. Manche wirkten wie in
Zeitlupe abgespielte Filmaufnahmen. Wäre es möglich gewesen, hätte man
bestimmt sehen können, wie der Person das Blut rückwärts durch die Adern
strömte.
Zu meiner großen Überraschung überreichte sie mir sodann eine Kugel von der
Größe eines Golfballs und erklärte mir, dieselbe solle „meine Welt
verbessern“. Ich bedankte mich, steckte die Kugel in meine Jackentasche und
setzte meinen Heimweg durch das herunterfallende Wasser fort. Die Strecke
zwischen mir und meinem Ziel wurde von jedem meiner Schritte aufgesaugt,
bis sie komplett hinter mir lag. Dann hörte der Regen mit großer
Gründlichkeit auf, sogar mein Schirm war fort. Und damit nicht genug: Auch
die Geschichte war zu Ende. Sie ist es noch heute.
24 Oct 2018
## AUTOREN
Eugen Egner
## TAGS
Hunde
Physik
Regen
Stadtplanung
Doppelgänger
Groteske
Elektronik
Groteske
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