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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Gefahrschalter
> Ein Schalter mit seltsamer Aufschrift, ein Handy, das es noch nicht gibt
> und ein Radio mit mysteriösen Stimmen: zu Besuch in einem Elektroladen.
Mit meinem siebzig Jahre alten Wohnzimmerradio, aus dessen Lautsprecher
neuerdings nichtmenschliche Stimmen zu hören waren, suchte ich einen
Elektro- und Rundfunktechniker in der Nähe auf. Ich hatte den Apparat kaum
auf die Theke gestellt und begonnen, über das schier unglaubliche Problem
zu sprechen, da stürmte eine Frau in den Laden und rief dem Inhaber zu:
„Führen Sie auch Reparaturen an elektrischen Vorrichtungen durch, die
nichts mit Radio- oder Fernsehtechnik zu tun haben?“
„Kommt darauf an“, sagte der Gefragte. „Erlauben Sie, dass ich zuerst der
Dame helfe?“, fragte er mich. Ich nickte schicksalsergeben.
„Worum geht es denn?“, wollte der Techniker sodann wissen. Sie präsentierte
ihm einen „Spezialschalter“, der, wie sie behauptete, infolge häufigen
Gebrauchs defekt sei. Der Schalter trug die Beschriftung: „Bei Gefahr
diesen Schalter drücken!“
„Ich habe ihn von meinen Eltern geerbt“, erklärte die Kundin, „und er ist
mir immer eine große Hilfe gewesen. Doch die Gefahren haben seither ständig
zugenommen, sodass ich den Schalter immer öfter drücken musste. Das hat ihn
abgenutzt, irgendetwas scheint abgebrochen zu sein.“
„Ich kann mich der Sache gern annehmen“, sagte der Elektrotechniker, „als
seriöser Geschäftsmann muss ich Sie allerdings darauf hinweisen, dass ich
dann die Möglichkeit habe, die Bauweise des Schalters zu kopieren. Das
liegt in der Natur der Umstände. Wären Sie damit einverstanden?“
Die Frau zog ein Mobiltelefon, das es damals noch gar nicht gab, aus der
Tasche. „Das kann ich nicht allein entscheiden. Ich werde meine Eltern
fragen.“ Der Radiotechniker und ich sahen staunend zu, wie sie einige
winzige Tasten drückte, um dann ein Gespräch zu führen. Aus dem kleinen
Fernsprecher war eine leise Stimme zu vernehmen, zu leise für uns, um etwas
verstehen zu können. Das Telefonat dauerte nicht lange. Anschließend
verkündete die Kundin: „Meine Eltern willigen ein, weil eh alles egal ist.“
„Könnte ich mir vielleicht auch die Schaltung Ihres Telefons kopieren?“,
fragte der Ladeninhaber. Auch das erlaubte ihm die Frau, indem sie
hinzufügte: „Bitte reparieren Sie es bei dieser Gelegenheit doch gleich. Es
ruft eigenmächtig Menschen an, und außerdem ist der Lautsprecher defekt.
Ich kann nicht hören, was die andere Partei sagt.“
Der Techniker versprach, er werde es sich ansehen, und die Frau legte das
Mobiltelefon neben ihren Spezialschalter und mein Radio. Ohne ein weiteres
Wort verließ sie das Geschäft. Nun wandte sich der Mann hinter der
Ladentheke endlich meinem Radio zu. Er schloss es an eine Steckdose an und
schaltete es ein. Sobald die Röhren warm waren, ertönten die
nichtmenschlichen Stimmen. Der Techniker wurde blass. Es war deutlich
erkennbar, dass er jetzt der Aufmunterung bedurfte.
„Wenn Sie wollen, können Sie sich gern die Schaltung kopieren“, bot ich ihm
an.
6 Sep 2018
## AUTOREN
Eugen Egner
## TAGS
Elektronik
Radio
Gefahr
Doppelgänger
Hunde
Groteske
Doppelgänger
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