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# taz.de -- Die Wahrheit: Damit wieder die Sonne scheint
> Die Initiative „Aufessen für Deutschland“ hat ein Kochbuch mit sehr
> gewöhnungsbedürftigen Rezepten gegen rechts herausgebracht.
Bild: Für Gourmet Schlender muss Fleisch aus biodeutscher Produktion und tause…
„Hier ist das gute Stück“, sagt Markus Schlender strahlend und hält das
großformatige Buch in die Höhe. „Aufessen für Deutschland“ steht in wei�…
Lettern darauf, darunter Messer und Gabel gekreuzt auf einem blauem Teller.
„Ja, wie hat das alles angefangen?“, beginnt Markus Schlender. „Ich saß …
Freunden in der Kneipe und wir sprachen darüber, was man gegen die AfD tun
kann: Plakate, Flyer, Aufkleber, mit denen reden, nicht mit denen reden,
verprügeln, auslachen. Was einem halt so einfällt, aber dieses ganze
Argumentieren, Überzeugen, Zeitungsartikel schreiben und Protestieren
bringt ja nichts. Die AfD lacht sich ins Fäustchen und bei der nächsten
Wahl hat sie ein paar Prozente mehr.“ Resigniert zuckt der 34-jährige
Markus Schlender, gelernter Zerspanungsmechatroniker, mit den Schultern.
„Und da sagt der Manni, mit dem ich noch zur Schule gegangen bin, sagt der
plötzlich: ‚Aufessen‘. Da wusste ich: Das ist es und so haben wir die
Aktion ‚Aufessen für Deutschland‘ gegründet.“
In den folgenden Wochen spricht Markus Schlender Deutschlands Spitzenköche
an. Alle sollen ihr Lieblingsrezept beisteuern. Kaum jemand, der nicht
mitmacht. So kommt eine erkleckliche Sammlung zusammen. 200 Rezepte – für
jeden Geschmack ist etwas dabei: saisonal, regional, für den großen und den
kleinen Geldbeutel, für den Profi und den Hobbykoch, sowohl für den Gourmet
als auch für den Freund der Hausmannskost. Der Erlös des Kochbuchs kommt
den Tafeln zugute. Aber wie kann man mit dem Verkauf eines Kochbuchs gegen
die AfD kämpfen, wollen wir wissen.
„Gar nicht“, meint Markus Schlender. „Das Buch ist bloß Beiwerk. Die AfD
muss weg, also aufessen das ganze Pack. Da wurde in den vergangenen
Jahrhunderten im politischen Kampf viel falsch gemacht. Man hat den Gegner
zwar bekämpft und niedergemetzelt, aber die Angehörigen und Sympathisanten
haben den Toten dann Denkmäler gebaut und die Friedhöfe waren dann voller
sogenannter Märtyrer. Aber wenn man den Gegner einfach aufisst, gibt es ja
keine Friedhöfe. Die letzte Ruhestätte ist der Magen und der bleibt es auch
nicht lange. Der Rest kommt ins Klo und in die braune Tonne.“ Aber wäre das
nicht Kannibalismus, geben wir zu bedenken.
## Zeitlich begrenzter Tabubruch
„Doch, schon“, sagt Markus Schlender, „aber Brecht sagte ja schon: Erst
kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Außerdem ist es Kannibalismus für
einen guten Zweck. Aber weil Kannibalismus hierzulande so tabubeladen ist,
haben wir dieses Kochbuch gemacht – damit wir die AfD überhaupt
runterbekommen.“
Will Markus Schlender die Deutschen wirklich zu Menschenfressern machen?
Schonungslos und investigativ konfrontieren wir ihn mit dieser Frage.
„Nein, nein. Die Aktion ist ja zeitlich begrenzt. Die AfD hat etwa 30.200
Mitglieder, die sind quasi mit einem Haps weg. Mengenmäßig wird so was an
einem einzigen sonnigen Wochenende weggegrillt. Aber nur grillen wäre ja
langweilig, darum gibt es dieses Buch mit vielen leckeren Anregungen. Zum
Beispiel Leipziger Allerlei für unsere sächsischen Freunde, dann Cordon
Bleu, Chemnitzer Cevapcici, Hamburger Kesselgulasch, aber auch den AfDöner
…“
## Fleischlastige Küche
Das ist alles bedenklich fleischlastig, finden wir. „Ja, und?“, fragt
Markus Schlender. „Wir essen doch ohnehin viel Fleisch. Ich selbst bin ja
eigentlich Vegetarier. Aber Vegetarismus oder gar Veganismus bringen uns
zur Zeit politisch nicht weiter. Jetzt geht es um fressen oder gefressen
werden. Wir dürfen uns nach der nächsten Bundestagswahl nicht am falschen
Ende der Nahrungskette wiederfinden. Wer heute nur Gemüse isst, hilft den
Nazis zurück an die Macht. Da sind wir jetzt alle gefragt, vor allem die
Deutschen. Vegetarier kann man in Deutschland erst wieder mit gutem
Gewissen sein, wenn die rechte Gefahr vorüber ist.“ Markus Schlender ist
euphorisch. Bedenken schiebt er beiseite, etwa das Thema Ekel („Hallo, die
Menschen essen Schnecken, Muscheln und neuerdings Insekten. Sie dürfen
nicht nur an den ledernen Gauland und die zähe Storch denken, denken Sie
lieber an ein saftiges Steak frisch von der Weidel“) oder die Frage, ob die
Aktion „Aufessen für Deutschland“ – jenseits des Tabus – gesundheitlic…
Folgen für die Konsumenten haben könnte. Man denke nur an den BSE-Skandal
vor ein paar Jahren.
## Bregen bringt keinen Segen
„Nein, gesundheitlich ist da keine Gefahr, die meisten AfD-Mitglieder sind
Biodeutsche und Bio ist bekanntlich gesund. Wir machen allerdings eine
Ausnahme: Wir haben keine Rezepte mit Bregen ins Buch aufgenomen, also mit
Hirn. Da wäre beim Verbraucher vielleicht doch die Angst da, dass ein paar
rassistische und faschistische Gedanken auf den Esser übergehen. Das ist
natürlich Aberglaube, aber vom Bregen raten wir trotzdem lieber ab.
Ansonsten gilt, was immer gilt – das Fleisch muss gut durch sein.“
Markus Schlender stochert noch ein bisschen in seinem Fleischsalat herum,
dann steht er auf. „So, ich muss dann mal, ich hab gleich noch einen
Fernsehtermin. Und die Bücher kommen ja auch nicht von selbst in die
Buchläden. Möchten Sie das aufessen? Sie wissen doch: Aufessen, damit
morgen wieder die Sonne scheint.“ Wir lehnen dankend ab, uns ist ein wenig
übel geworden.
22 Oct 2018
## AUTOREN
Michael-André Werner
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Kochen
Fleisch
Ohrfeige
Weihnachten
Chemnitz
Schwerpunkt AfD
Attentäter
Kriminalität
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