| # taz.de -- Hans Söllner über die CSU nach der Wahl: „Das Wort Heimat ist w… | |
| > Der Liedermacher Hans Söllner über das Ende der CSU-Alleinherrschaft in | |
| > Bayern, Migranten als Feindbilder und ehrliches Lachen. | |
| Bild: Geh, schleich di, CSU. Hans Söllner war noch nie gut auf die bayerische … | |
| taz: Hans Söllner, Sie sind gerade in Österreich auf Tour. Wie haben Sie | |
| vom Wahlergebnis in Bayern erfahren. | |
| Hans Söllner: Ich hab’s gestern früh nachgelesen. Und ich muss sagen, es | |
| ist schon okay, so wie es ist. Ich bedanke mich schon mal bei meinen Leuten | |
| in Bayern, dass sie diese Alleinherrschaft der CSU ein bisschen gekippt | |
| haben. Des find’ich schon mal gar nicht schlecht. | |
| Das rechte Lager [1][ist aber nicht kleiner geworden]. Ist das etwas, wovor | |
| Sie Angst haben? | |
| Also wenn der Söder so weitermacht wie zuletzt, wird er es nicht mehr lange | |
| machen. Der Söder und der Seehofer, die haben im Grunde nichts anderes | |
| gemacht, als Wähler, die vorher die CSU gewählt haben, auf die Seite der | |
| AfD zu treiben. Dass die das nicht erkennen, finde ich ziemlich | |
| schrecklich. Und der Söder? Darf ich das so sagen? Der Söder ist so ein | |
| dummer, so ein einfacher, so ein primitiv denkender Mensch, dass ich mir da | |
| keine Sorgen mache, dass das noch lange so weitergeht. | |
| Wenn man sich das gute [2][Wahlergebnis der Grünen] anschaut, hat man den | |
| Eindruck, dass sich Bayern doch etwas verändert hat. Merken Sie das im | |
| Alltag? | |
| Ich merk halt, dass die Leute wieder auf Demos gehen, dass etwas von unten | |
| kommt. Dass die Leute wieder auf die Straße gehen, dass die zeigen, dass es | |
| ihnen reicht. Es reicht ihnen einfach, dass sich diese großen Parteien ein | |
| Feindbild geschaffen haben, nennen wir es Migranten oder Flüchtlinge, mit | |
| dem die Leute nichts anfangen können. Die AfD ist dabei nur Symptom der | |
| Krankheit, die seit 30 Jahren grassiert. Sie haben sich nicht um die | |
| Rentner gekümmert, nicht um die Kranken, nicht um die alleinerziehenden | |
| Mütter, nicht um die Schüler. Sie haben halt immer weitergemacht, jetzt | |
| kriegen sie halt einfach ihr Fett dafür. | |
| Das heißt, Sie schauen schon auch hoffnungsvoll in die Zukunft. | |
| Irgendwie tue ich das. Trotzdem glaube ich, dass wir einen Zenit | |
| überschritten haben, und dass wir Sachen, die wir in den letzten 20 Jahren | |
| verbrochen haben, wiedergutmachen können. Wir müssten die Ozeane sauber | |
| machen, wir müssten die Überfischung beenden, wir müssten Massentierhaltung | |
| beenden, wir bräuchten ein anderes Schulsystem, ein anderes medizinisches | |
| System. Das heißt aber nicht, dass ich jetzt die Zeit, die ich auf dieser | |
| Welt bin mit meinen Kindern und meiner Family, nicht genießen kann. Uns | |
| geht’s gut. Gott sei Dank bin ich in einem Land geboren, wo ich mir keine | |
| großartigen Sorgen machen muss, was den Hunger betrifft. Trotz all dem, was | |
| schiefläuft, kann ich das Leben genießen. | |
| In Ihrem neuen Album geht es genau darum, aber auf eine ernste und beinahe | |
| schon ruhige Art. Sie sind nicht mehr so laut wie früher. | |
| Wir haben ja gesehen, wohin es führt, wenn man nur Hass verbreitet. Im | |
| Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass Wut nicht schlecht ist. Aber Hass ist | |
| extrem schlecht. Wütend bin ich schon. Ich lasse meiner Wut dann freien | |
| Lauf, kann dabei auch mal laut werden. Aber das, was ich mache, das ist | |
| kein Hass. Hass ist eine schlechte Voraussetzung für das Zusammenleben, | |
| egal ob mit der Frau, mit seinen Kindern, mit seinen Freunden. | |
| Worauf sind Sie wütend? | |
| Ich bin wütend, weil es zu langsam geht für alles, was auf dieser Welt | |
| passiert – in der Natur, in der Landwirtschaft, im Schulsystem. Das heißt | |
| aber nicht, dass ich jemanden hasse. Ich hasse den Seehofer nicht dafür, | |
| dass er macht, was er macht, dass er Menschen diskriminiert, dass er Hass | |
| verbreitet. Ich bin halt wütend, weil er nicht erkennt, dass man so nicht | |
| weitermachen kann. Dass ein Staat nicht lebenswert ist, der so voller Hass | |
| ist, dass man Grenzen dicht macht, dass man Leute im Meer oder in ihren | |
| Ländern einfach sterben lässt. | |
| Bei aller Ernsthaftigkeit, die Leute kommen auch zu Ihren Konzerten, weil | |
| sie lachen wollen, weil sie auf Ihren Witz stehen. | |
| Es gibt Witze, wie den vom Seehofer mit den 69 ausgeflogenen Flüchtlingen | |
| an seinem 69. Geburtstag. Das ist kein Witz, das ist Sarkasmus. Die Leute | |
| brauchen Unterhaltung. Und ich merke halt, dass du mit Witz und einem | |
| ehrlichen Lachen weiterkommst als mit Hass und Diskriminierung. | |
| So sind Sie zu einer Symbolfigur geworden für das, was man gerne „das | |
| andere Bayern“ nennt. Spüren Sie eine Verantwortung, die das mit sich | |
| bringt? | |
| Wenn es mir Mühe bereiten würde, anders zu sein, dann würde ich vielleicht | |
| eine Verantwortung spüren. Aber das ist doch das Einzige, was ich wirklich | |
| kann: mich selber leben, mich selber anerkennen mit meinen Ängsten, meinen | |
| Sorgen, auch mit meinem Grant, mit meiner Wut. Ich sehe halt, dass die | |
| Leute darauf anspringen und froh sind, dass da ein Gegenpol da ist. Das | |
| ehrt mich schon sehr. | |
| Wie wichtig ist Bayern für Sie als Heimat? | |
| In den letzten zwei, drei Jahren ist das Wort Heimat für mich entehrt und | |
| wertlos geworden. Der Seehofer und der Söder sind daran schuld. Wenn Heimat | |
| nur bedeutet, dass ich es mit niemandem teilen kann. Wenn Leistung nur | |
| bedeutet, dass es meine Leistung ist. Wenn Glück nur bedeutet, dass es mein | |
| Glück ist und dass dieses Glück keinen anderen was angeht, dann hat das | |
| keinen Wert und keine Bedeutung für mich. Heimat hat für mich nur dann eine | |
| Bedeutung, wenn ich auch zulasse, dass in meiner Heimat ein anderer auch | |
| eine Heimat findet. | |
| Im ersten Lied auf Ihrem neuen Album singen Sie „Du Scheißrassist, schau, | |
| dass di schleichst, des is mei Heimat und ned dei Reich“. | |
| Das singe ich ja genau deshalb, weil Seehofer und Söder aus meiner Heimat | |
| ein Reich gemacht haben. Gott sei Dank ist jetzt das Wahlergebnis so | |
| ausgefallen, dass sie ja jetzt nicht großartig weitermachen können. Ich bin | |
| überzeugt, dass jetzt ganz viele Leute das Denken anfangen und das beruhigt | |
| mich schon sehr. | |
| Jetzt sind Sie gerade in Österreich unterwegs. Wie kommt Ihre Botschaft | |
| eigentlich dort an? | |
| Ich erzähl viel von Bayern, von Söder und Seehofer. Die sind sehr | |
| interessiert, auch wenn sie da schon noch einen Schritt weiter sind. Und da | |
| sehe ich, dass da eine Generation ranwächst, die sich das nicht mehr | |
| gefallen lassen wird, weil sie merken, dass es nicht um Migranten geht, | |
| dass es nicht um irgendwelche Feindbilder aus dem Ausland geht, sondern | |
| dass es um sie selber geht. | |
| Und die Bayern haben jetzt auch angefangen, sich nicht mehr alles gefallen | |
| zu lassen? | |
| Ja, das seh’ich doch an diesen Demos, wo in München 40.000 Leute auf die | |
| Straße gehen. Und da sind ja alle dabei, das ist ja keine | |
| Parteiveranstaltung. Da sind Freie Wähler dabei, da sind auch CSUler | |
| dabei, da sind ja alle dabei. Und das macht mir schon Hoffnung. | |
| 16 Oct 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
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