# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Das Ende der Zuversichtprediger | |
> Bundestrainer Joachim Löw wird von Toni Kroos für seine Fortschritte | |
> insbesondere bei seinen Ansprachen gelobt. Das ist kein gutes Zeichen. | |
Bild: Gut gemacht: Kroos lobt Trainer Löw für seine Fortschritte | |
Joachim Löw leitet nun schon seit 2006 das bekannteste und beliebteste | |
deutsche Entwicklungsinstitut. Regelmäßig hat er in den letzten zwölf | |
Jahren Bericht erstattet, wer und was sich wie schnell und wie gut | |
entwickelt hat. Und klar war dabei stets, dass selbst Niederlagen nur dem | |
Fortschritt dienten. | |
Gefühlt ging es immer nur voran, selbst nach dem Titelgewinn in Brasilien. | |
Die Erfolgsgeschichte über die detailversessenen Optimierer schien eine | |
unendliche Erzählung zu sein. Die WM in Russland war dann [1][eine | |
unerwartete Zäsur]. Auf eine mikroskopische Größe ist mittlerweile die Zahl | |
der Fortschrittsgläubigen im deutschen Fußball geschrumpft; immens der | |
Autoritätsverlust, den Leiter Löw erlitt. | |
Davon konnte man sich auch dieser Tage in Berlin bei der Vorbereitung der | |
Nationalmannschaft auf die beiden Nations-League-Partien in den | |
Niederlanden und in Frankreich ([2][Hinspiel: 0:0]) überzeugen. Eine | |
Umkehrung der Autoritätsverhältnisse war gar zu beobachten. Toni Kroos | |
attestierte dem Bundestrainer: „Er ist bereit, sich selbst | |
weiterzuentwickeln.“ Und er lobte die Fortschritte, die Löw seit 2010, als | |
Kroos das erste Mal zum DFB-Team stieß, bis heute gemacht habe. Besonders | |
hob er die Ansprachen hervor, die er während der WM gehalten habe: „Die | |
waren so gut wie noch nie.“ | |
Die Botschaft war klar: Löw wird nach wie vor immer besser. Dass die | |
Ergebnisse nicht mit seiner Entwicklung Schritt halten konnten, ist den | |
Launen des Fußalls geschuldet. Das Fortschrittsinstitut deutsche | |
Nationalmannschaft will so weiterarbeiten wie bisher. Sechs Punkte wolle | |
man gegen die Niederlande und Frankreich holen, erklärte Kroos mit der | |
kroosmöglichsten Selbstverständlichkeit. | |
„Wir sind ja keine Gurkentruppe“, sagte Kroos, als seine Zielvorgabe | |
Verwunderung hervorrief. Die massive Kritik am DFB-Team hat bei den | |
Betroffenen eine unüberhörbare Gereiztheit ausgelöst. Der Erwartung, dass | |
nun alles anders werden müsse, begegnen die altgedienten Spitzenkräfte mit | |
trotzigem Konservatismus. Eine Konstellation, die zu erwarten war, nachdem | |
sich der DFB nach dem historischen Scheitern in Russland für eine | |
Palastrevolution von oben entschieden hat. | |
## Traumatisierte FC Bayern-Profis | |
Weil sich Löw [3][als Zuversichtprediger verbraucht hat], mussten in dieser | |
Woche in Berlin eben andere den Job übernehmen. Die Auswahl der | |
Podiumsgäste zeigte jedoch, wie dünn der DFB derzeit personell in der | |
Abteilung Hoffnungsträger aufgestellt ist. Die Rolle des Optimisten war für | |
Kroos nach der Niederlagenserie mit Real Madrid in den letzten Wochen eine | |
gewaltige Herausforderung. Julian Draxler, Ersatzkraft bei Paris | |
Saint-Germain, ist das Podium eigentlich gar nicht mehr gewöhnt, und | |
DFB-Neuland ist es für den bei der WM in Russland noch verschmähten Leroy | |
Sané. | |
Wer hätte auch sonst Aufbruchstimmung für den DFB erzeugen sollen? Das | |
derzeit vielversprechendste Team der Liga, Borussia Dortmund, stellt mit | |
Marco Reus nur einen deutschen Nationalspieler, der blöderweise auch noch | |
verletzt ist. Die vielen Bayern-Profis sind nach ihrer Ankunft im | |
Nationalteam ohnehin gleich in die Abteilung für Traumageschädigte verlegt | |
worden. Die nicht allzu große Strahlkraft von Jonas Hector, dem einzigen | |
wettbewerbsfähigen gelernten Außenverteidiger, hat weiter abgenommen, | |
seitdem er in der 2. Liga kickt. Und die Neulinge Nico Schulz und Mark Uth | |
sind bislang zu selten aufgefallen, als dass sie die Fantasie beflügeln | |
könnten. | |
Übrig bliebe noch Matthias Ginter, der größte Krisenprofiteur, der aufgrund | |
des verstärkten defensiven Augenmerks künftig zur Stammelf zählen könnte. | |
Aber sollte bald auch Ginter die Fortschritte von Löw loben, dann ist es | |
bis zu dessen Entlassung vermutlich nicht mehr weit. | |
13 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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