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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Kein Löw ist auch keine Lösung
> Das Abc des Nationalismus sucht den Fußball heim. Die Krise der
> Nationalmannschaft kann man ohne den politischen Rechtsruck nicht
> verstehen.
Bild: Nichts hilft mehr, da kann Löw dirigieren, wie er will
Es sind ja nicht nur politische, ästhetische oder historische Gründe, die
es [1][nach dem 0:3 gegen die Niederlande] verbieten, von „Untergang“,
„Debakel“, „Blamage“ oder „Schande“ zu schwadronieren. Sich um eine
angemessenere Sprache zu bemühen ist auch fußballerisch geboten.
Fußballerisch! Das heißt so viel wie: nicht nationalistisch!
Zum Verständnis des 0:3 gehört, dass sich die Niederlande effizienter an
einen Neuaufbau gemacht haben als der Trainerstab um Jogi Löw. Doch die
hatten als Nichtqualifikant anlässlich der WM auch eine noch fettere
Klatsche bekommen haben als die Deutschen [2][mit ihrem Vorrundenaus]. Da
die früheren Fehler, mit denen der neue Bondscoach Ronald Koeman zu tun
hat, größer ausgefallen waren, kann er jetzt schneller punkten. Und er
hatte schon seit Februar Zeit dafür.
Jogi Löw fehlt diese Zeit. Kurz nach der miserablen WM musste er in die
neue Pflichtspielserie gegen Teams wie Frankreich und die Niederlande. Und
so klar wie für Ronald Koeman sind für Löw frühere Fehler nicht erkennbar.
Das Konzept, das seit 2006 die DFB-Elf zur Weltklassemannschaft machte und
2014 gar zum Titel führte, muss er weiterverfolgen. Es ist ohne
erfolgversprechende Alternative.
Dieses Konzept fußte auf einer ab 2004 beginnenden breiten Integration
möglichst aller Talente im hiesigen Fußballbetrieb. Die noch von alten
Funktionsträgern wie Berti Vogts oder Matthias Sammer hochgehaltene
Orientierung auf sog. Biodeutsche war, das haben Löw und sein Vorgänger
Jürgen Klinsmann deutlich gesehen, mit den Anforderungen des Weltfußballs
nicht zu vereinbaren. Es waren gerade Spieler wie Jérôme Boateng, wie Sami
Khedira oder wie Mesut Özil, die für die nötige Weltöffnung sorgten. Auch
Spieler wie Toni Kroos oder Manuel Neuer sorgten für das hochmoderne Spiel
des vergangenen Jahrzehnts.
## „Mit unseren wär das nicht passiert“
Doch Jogi Löw erlebt gerade, dass diese mit seinem Namen und seiner
Fußballkompetenz verbundene Modernisierung zumindest stottert, wenn nicht
gar scheitert. Und er muss fassungslos mit ansehen, dass er gar nichts
dagegen machen kann. Auf dem Platz hat er nicht mehr die Generation der
aufstrebenden Weltklassespieler, die der Bundesliganachwuchsarbeit
entstammen. Von dem Kader, der in Amsterdam verlor, fallen bestenfalls
Joshua Kimmich und Leroy Sané in diese Kategorie.
Schon während der WM zeigte sich: Länder wie Frankreich, Belgien oder
England haben nicht nur auch gute Nachwuchsarbeit, sondern bessere. Doch
die dumpfe und falsche Antwort, wie sie in der Özil-Debatte offenbar wurde,
lautet: „Wir haben die falschen spielen lassen, mit unseren wär das nicht
passiert.“
Jogi Löw und sein Team sind also auch mit dem politischen Rollback
konfrontiert, das Deutschland gerade dramatisch nach rechts rücken lässt.
Plötzlich sind Herkunft, Religion und sogar die Bereitschaft, [3][eine
Hymne zu schmettern], auch zu Kriterien einer Nominierung avanciert.
Es ist die Ahnungslosigkeit, die Borniertheit, die Crux, also das gesamte
Abc des Nationalismus, das den Fußball derzeit heimsucht. Denn anders als
beim Übergang von der Ribbeck/Völler-Zeit zur Ära Klinsmann/Löw gibt es ja
aktuell kein neues Modell fußballerischer Vergesellschaftung, das von einer
neuen Trainergeneration verkörpert würde. Wer im Weltfußball Erfolg hat,
macht ja etwa das, was Pep Guardiola, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel oder
eben Jogi Löw machen.
Die Alternative zu Löw sind dumpfe Schreihälse à la Mario Basler, Lothar
Matthäus oder Stefan Effenberg, vermutlich muss man auch Uli Hoeneß dazu
rechnen. Dass die mit Kampf, Härte und all diesen deutschen Tugenden den
Auswahlfußball gegen die Wand fahren würden, ist ziemlich gewiss. Aber, wie
sang schon Bob Dylan: „There’s no success like failure. And failure's no
success at all.“
14 Oct 2018
## LINKS
[1] /Deutschland-verliert-in-Nations-League/!5542707
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[3] /Gruppe-F-Deutschland--Schweden/!5515316
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Jogi Löw
Deutscher Fußballbund (DFB)
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