| # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Elfmeter ohne Torwart | |
| > Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern, gibt sich die Ehre beim Talk von | |
| > Gregor Gysi – und darf sich richtig wohlfühlen. | |
| Bild: Hoeneß kam im Gysi-Kuschel-Talk ungeschoren davon | |
| Gestern Mainz, heute Berlin. In welchem Hotel Uli Hoeneß, Unternehmer, | |
| Präsident des FC Bayern, lebende Legende, untergekommen war, war nicht zu | |
| erfahren; es wird ein außerordentlich gutes Hotel gewesen sein. Und wenn es | |
| das nicht war, wird Uli Hoeneß höchstselbst dafür Sorge tragen, dass es das | |
| in Zukunft sein wird. | |
| Gregor Gysi wird zu Hause geschlafen haben, so viel ist anzunehmen. Die | |
| Zeitumstellung war den beiden Protagonisten dieses Talk-Formats ohne | |
| Fernsehkameras im Deutschen Theater Berlin am Sonntagmorgen jedenfalls | |
| nicht anzumerken. „Gregor Gysi trifft Zeitgenossen“ heißt dieses recht | |
| sympathische kleine Format, das der umtriebige kleine Rechtsanwalt und | |
| Spitzenpolitiker der Linkspartei seit einiger Zeit pflegt, um selbst im | |
| Gespräch zu bleiben, seine kleinen Eitelkeiten zu pflegen und | |
| Bekanntschaften aus der Promiwelt vorzuführen, natürlich in einem absolut | |
| positiven Sinn. | |
| Den verurteilten Steuerhinterzieher Uli Hoeneß kennt er seit dessen | |
| „schwerer Zeit“, als irgendwie alle einen Bogen um den mächtigen | |
| Bayern-Boss gemacht haben, außer ihm selbst halt, denn auch Gysi hat ja, | |
| das ist allgemein bekannt, eine soziale Ader. | |
| Und so saß er da, der Uli H., vor dem einschläfernd wirkenden Publikum, das | |
| von Hause aus kein Fußballpublikum, sondern eher gesetzterer Natur war und | |
| altersmäßig im Schnitt ungefähr den Protagonisten auf der Bühne entsprach: | |
| durchweg breitbeinig und selbstgewiss. Gregor Gysi hingegen, inzwischen | |
| auch schon siebzig und vier Jahre älter als Hoeneß, verschachtelte seine | |
| Beine immer mal und klebte ansonsten an seinen Stichwortzetteln. | |
| ## Kritische Themen aber keine kritischen Fragen | |
| Um zum Wesentlichen zu kommen: Es gab Fragen zu kritischen Themen, wie dem | |
| der Steuerhinterziehung oder zur jüngsten legendären Pressekonferenz der | |
| Bayern-Granden. Allein, kritisch waren sie nicht. Gregor Gysi suchte nicht | |
| einen Zweikampf an diesem Sonntag, sondern überließ dem Gegner jovial Ball | |
| und Raum. Und Vollstrecker Hoeneß wäre nicht der Patriarch, der er ist, | |
| würde er diese Chancen nicht alle auch nutzen. | |
| Im Wesentlichen konnte er also seine Lieblingsgeschichten erzählen, bei | |
| denen man inzwischen eigentlich nur denkt: Story, Alta. Erstens, die | |
| Geschichte von der sozialen Ader, die er immer noch hat und pflegt. | |
| Zweitens die Geschichte des Selfmademans, vom Metzgersohn zum | |
| Wurstfabrikanten, klassisch neoliberale Aufstiegsgeschichte, und also auch | |
| die Story vom FC Bayern als dem Selfmade-Weltklub, der er auch dank ihm | |
| geworden ist (und der sich leider, leider inzwischen mit dem globalen | |
| Großkapital herumschlagen muss). | |
| Und drittens die von der Familie, also von der eigenen, die immer hinter | |
| ihm steht und ohne die nichts läuft, und vom FC Bayern als ebensolche. La | |
| famiglia. Wobei diese Geschichte vermutlich sogar die Wahrste ist, weil | |
| sich hier die Parallelen zu, sagen wir, „Der Pate“ (das Buch, der Film, die | |
| Wirklichkeit) am deutlichsten zeigen. | |
| ## Gysi scheut die Debatte | |
| Die Details hingegen interessieren weniger. Der gefallene Kaiser, der | |
| abtrünnige Paul Breitner, der verlorene Sohn Lothar, die Machenschaften in | |
| den Hinterzimmern des DFB, des FCB, der an den Bayern-Erfolgen beteiligten | |
| deutschen Großwirtschaft, die von Uli H. nur salopp „Triple A“ genannt wird | |
| – also Audi, Allianz, Adidas, die Anteilseigner der FC Bayern München AG. | |
| Alles eher egal. Gregor Gysi, vorgetäuschter Fan des „1. FC Union“, hat eh | |
| keine Ahnung vom Fußball und behandelt den Großkapitalisten Hoeneß in | |
| seiner Doppelfunktion als Unternehmer wie als Aufsichtsratsvorsitzender | |
| lieber als Phänomen, als sich in Debatten zu verstricken, die zu | |
| Systemkritik, Sozialneid oder auf sonst wie heikles politisches Glatteis | |
| führen könnten. Am Ende ist Gysi sein Sonntagsformat einfach zu lieb | |
| geworden. Und mit Hoeneß versteht er sich gut. Wie es halt so ist, so unter | |
| Prominenten. | |
| 28 Oct 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
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