# taz.de -- Union nach Kauder-Abwahl: Tun, als sei nichts gewesen | |
> Die Union ist im Krisenmodus. Anmerken lassen wollte sie sich das am Tag | |
> nach der Aufregung um die Abwahl von Fraktionschef Kauder allerdings | |
> nicht. | |
Bild: Zumindest Gesundheitsminister Spahn (l.) kam am Mittwoch in den Bundestag | |
Berlin taz | Ob es der Kater danach war? Als Bundestagspräsident Wolfgang | |
Schäuble um 13 Uhr die Bundestagssitzung am Mittwoch eröffnete, verloren | |
sich gerade mal ein Dutzend der insgesamt 246 Unionsabgeordneten im | |
Plenarsaal, darunter weder ihr [1][neuer Fraktionsvorsitzender Ralph | |
Brinkhaus] noch sein Vorgänger Volker Kauder. Auch die CDU-Vorsitzende | |
Angela Merkel und ihr CSU-Pendant Horst Seehofer schwänzten den | |
Tagesordnungspunkt „Befragung der Bundesregierung“. Als einziges | |
Kabinettsmitglied nahm zunächst nur Gesundheitsminister Jens Spahn auf der | |
Regierungsbank Platz. Und der tat, als sei nichts gewesen. | |
Durch ihre Abwesenheit entging Merkel der Unannehmlichkeit, persönlich auf | |
lästige Fragen der Opposition [2][nach ihrer politischen Zukunft] antworten | |
zu müssen. Bereits unmittelbar nach der überraschenden [3][Niederlage ihres | |
Vertrauten Volker Kauder] bei der Wahl zum Unionsfraktionschef hatten | |
sowohl FDP-Chef Christian Lindner als auch Linksfraktionschef Dietmar | |
Bartsch bereits am Dienstagabend von der Kanzlerin gefordert, im Bundestag | |
die Vertrauensfrage zu stellen. | |
Die Absage an dieses Begehren ließ Merkel am Mittwoch von | |
Regierungssprecher Steffen Seibert übermitteln. „Ein ganz klares Nein“, | |
antwortete er am Mittwoch auf eine entsprechende Frage in der | |
Bundespressekonferenz. Seine Vorgesetzte hege keinen entsprechenden | |
Gedanken. „Die Bundeskanzlerin ist wie jeden Tag mit aller Kraft an der | |
Arbeit für die Ziele dieser Bundesregierung und für eine Politik, die den | |
Bürgern zugute kommt“, versuchte sich Seibert an der Simulation von | |
Normalität. | |
Am späten Dienstagnachmittag hatte sich Kauder nach dreizehn Jahren als | |
Fraktionschef überraschend mit 112 gegen 125 Stimmen seinem Herausforderer | |
Brinkhaus geschlagen geben müssen. Seitdem ist die Union in Aufregung, will | |
sich jedoch nichts anmerken lassen. Allen voran der siegreiche Brinkhaus | |
versichert unablässig, seine Wahl sei nicht als Misstrauensvotum gegen die | |
Kanzlerin und CDU-Chefin zu verstehen. „Eins ist klar: Die Fraktion steht | |
ganz fest hinter Angela Merkel“, sagte der 50-jährige Ostwestfale noch am | |
Abend nach seiner Wahl. Zwischen ihr und ihm passe „kein Blatt Papier“. | |
## Führungsriege hat Gefühl für die Stimmung verloren | |
Gleichwohl lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, dass die gescheiterte | |
Wiederwahl Kauders eine herbe Niederlage Merkels ist. Allerdings es wäre zu | |
einfach, den Aufstand gegen ihn so zu interpretieren, als habe er einzig | |
ihr gegolten. Die Wahl seines Gegenkandidaten zeigt vielmehr, wie sehr die | |
gesamte Führungsriege von CDU und CSU das Gefühl für die Stimmung in der | |
Unionsfraktion verloren hat. Deren Unzufriedenheit war eigentlich seit dem | |
schwachen Abschneiden bei der Bundestagswahl unübersehbar, der Ruf nach | |
einer wie auch immer gearteten „Erneuerung“ unüberhörbar. Aber er wurde | |
nicht gehört. | |
Dass Kauder bei seiner letzten Wiederwahl im Herbst vergangenen Jahres ohne | |
Gegenkandidaten bereits nur noch 77 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen | |
konnte, war ein mehr als deutliches Warnsignal, das jedoch tapfer ignoriert | |
wurde. Nun hat sich der Unmut in einem antiautoritäres Aufbegehren der | |
Hinterbänkler gegen die Unionsnomenklatura entladen. Nicht unterschätzt | |
werden sollte dabei, der Beitrag, den Kauder selbst mit seinem | |
autokratischen Führungsstil zu seiner Ablösung geleistet hat. | |
Letztlich könnte jedoch die [4][Causa Maaßen] den Ausschlag gegeben haben. | |
„Für manchen Abgeordneten hat der Umgang der drei Parteivorsitzenden mit | |
dem Fall Maaßen das Fass zum Überlaufen gebracht“, zeigte sich der | |
Generalsekretär der NRW-CDU, Josef Hovenjürgen, gegenüber dem Kölner | |
Stadt-Anzeiger überzeugt. Da könnte er nicht falsch liegen. | |
Auffällig ist jedenfalls, dass die Wahl von Brinkhaus quer zu den | |
Frontlinien der vergangenen Monate liegt. Denn es stimmt zwar, dass sich | |
Merkel in der Fraktionssitzung am Dienstag für ihre Verhältnisse geradezu | |
leidenschaftlich für ihren treuen Knappen Kauder eingesetzt hat. Doch auch | |
Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt standen hinter seiner | |
erneuten Kandidatur. Deren Scheitern belegt also nicht nur Merkels, sondern | |
auch ihren Autoritätsverlust. | |
## Kein „Erdbeben“ | |
Nun ist kollektive Schadensbegrenzung angesagt. Das Ergebnis der | |
Fraktionswahl sei kein „Erdbeben“, beteuerte CSU-Verkehrsminister Andreas | |
Scheuer. „Es war eine ganz normale Abstimmung, die fair und demokratisch | |
ausgetragen wurde.“ | |
Entschieden widersprachen die beiden stellvertretenden CDU-Vorsitzenden | |
Volker Bouffier und Armin Laschet am Mittwoch dem Eindruck, Kauders | |
Scheitern bedeute eine weitreichende Schwächung Merkels. „Ich bin sicher, | |
wenn sie gestern die Vertrauensfrage gestellt hätte, wäre das ein ganz | |
dickes Ergebnis geworden“, sagte der hessische Ministerpräsident Bouffier. | |
„Sie hat das Vertrauen der Fraktion“, sagte sein nordrhein-westfälischer | |
Amtskollege Laschet. Lediglich in der Frage des Fraktionsvorsitzes habe es | |
einen Wunsch nach Veränderung gegeben. | |
Doch trotz aller Beschwichtigungen: Die Union bleibt im Krisenmodus. | |
26 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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