# taz.de -- Neuer Fraktionsvorsitzender der Union: Die CDU bebt | |
> Angela Merkel hatte Volker Kauder als ihren Vertrauten angepriesen. Was | |
> bedeutet nun seine Abwahl – und wie geht es weiter? Ein Q&A. | |
Bild: Das Ergebnis sorgte für eine Schockstarre innerhalb der Partei | |
Was war da los? | |
Die Mehrheit der CDU und CSU im Bundestag hat Angela Merkel [1][die | |
Gefolgschaft aufgekündigt]. Die Kanzlerin hat noch vor der Abstimmung am | |
Dienstagnachmittag ganz klar Volker Kauder als ihren Vertrauten | |
angepriesen. Den Abgeordneten war somit sehr präsent, dass eine Stimme | |
[2][für Brinkhaus] als Stimme gegen Angela Merkel gelten würde. | |
Warum haben die Abgeordneten Kauder abgesägt? | |
Es ist [3][eine Revolte mit Ansage]. Rückblende: Schon nach der | |
Bundestagswahl 2017 könnte Merkel mit einem neuen Fraktionsvorsitzenden ein | |
Zeichen der Erneuerung setzen. Tut sie aber nicht. Nachdem die Abgeordneten | |
bei Eurorettung und Flüchtlingspolitik nichts zu sagen hatten, dürfen sie | |
auch Kauder nur abnicken. 77 Prozent sind das Ergebnis, ein hörbares | |
Murren. 2018 wird es lauter: Über Kauder, der den Crash mit der CSU um | |
Horst Seehofers Masterplan nicht kommen sieht und nicht rechtzeitig | |
Widerstand organisiert. Über Merkel, die nicht führt, sondern in der Groko | |
aberwitzige Kompromisse hinklempnert. Die Botschaft der Parlamentarier | |
lautet: Wir sind keine Abteilung des Kanzleramts, sondern die gewählten | |
Volksvertreter. Die Abgeordneten haben an diesem Dienstagnachmittag in | |
einer Krisensituation die Chance, selbst zu handeln. Das tun sie. | |
War das nur ein erstes Beben? | |
Das Beben war heftig. Selbst ein Merkel-Kritiker in der Fraktion sprach | |
kurz nach dem 125 zu 112-Stimmen Ergebnis von „Schockstarre“, ein anderer | |
Abgeordneter meinte, hier gehe es gerade rund. Doch die Feuerwehr kam | |
schnell – in Person der Kanzlerin, die schlau von „Stunde der Demokratie“ | |
sprach und davon dass es „nichts zu beschönigen“ gebe. Und in Person des | |
neuen Fraktionschefs Brinkhaus, der sagte, es passe „kein Blatt Papier“ | |
zwischen ihn und die Kanzlerin und der Sacharbeit in der Koalition | |
ankündigte. Tatsächlich hat Brinkhaus zunächst mal Interesse daran, sich | |
als Fraktionschef in der Koalition zu beweisen. Aber selbst wenn | |
unmittelbar nach diesem Beben keine weiteren folgen: die Schäden sind da, | |
die Risse in Merkels Autorität sind tiefer geworden. | |
Kommt Merkel aus der Sache noch mal raus? | |
Angela Merkel ist nervenstark, sie regeneriert sich leichter als andere. | |
Und sie hat in der CDU durchaus auch noch Fans. Aber die Situation ist | |
strukturell keine, die sie aussitzen oder in Moskau oder Washington | |
pulverisieren könnte. Denn ihr Machthaushalt ist deutlich defizitär: Es | |
fließt Macht ab und es kommt keine neue nach. Sie könnte – „Stunde der | |
Demokratie“ – im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, schon um mal wieder | |
zu gewinnen. Aber sicher ist das vor allem nach diesem Dienstagnachmittag | |
keineswegs. Sie begäbe sich in eine noch schwerer kontrollierbare | |
Situation. Sie könnte auch bis zum Jahresende den Parteivorsitz | |
einigermaßen gesichtswahrend abgeben. So machte es Gerhard Schröder 2004, | |
als er nach Rückschlägen den Parteivorsitz an Franz Müntefering übergab. | |
Merkel könnte beim CDU-Parteitag Anfang Dezember in Hamburg nicht mehr für | |
den Vorsitz kandidieren – und sich unter dem munteren Applaus der | |
Delegierten zur Wegbereiterin des Generationenwechsels umlabeln. Kanzlerin | |
könnte sie noch eine Weile bleiben, als Lame Duck. Oder Merkel sagt doch | |
überraschend Tschüß, weil ihr das alles zu doof ist. So wie sie auch nicht | |
willens war, ihren Getreuen Kauder dranzugeben. | |
Wie stehen nun die Chancen im CDU-Rennen um Merkels Nachfolge? | |
Nach der Abwahl von Kauder ist die Debatte um die fällige Verjüngung nun | |
der heiße Scheiß der CDU. Bevor Jens Spahn Gesundheitsminister wurde, | |
spielte er mit der Option, den einflussreichen Fraktionsvorsitz zu erobern. | |
Der Job ist zwar nun weg, aber Ralph Brinkhaus wird trotz seines Coups | |
erstmal kein Konkurrent für den smarten und bestens vernetzten Ehrgeizling | |
Spahn sein. Und: Eine aus dem Koma erwachte Bundestagsfraktion kann für den | |
38 Jahre alten Spahn vielversprechend sein, wenn der Moment da ist, in dem | |
Merkel geht. Vor allem weil Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer | |
auf die Fraktion, der sie ja selbst nicht angehört, kaum zurückgreifen | |
kann. Dafür ist 56-Jährige in der Partei angesehen, nicht nur, weil sie | |
einst im Saarland Wahlen gewonnen und als Ministerpräsidentin | |
Regierungserfahrung gesammelt hat. Sondern weil sie sich als | |
Generalsekretärin auch ein Stück von ihrer Fördererin Merkel emanzipiert | |
hat. Gäbe Merkel den Parteivorsitz ab, wäre Kramp-Karrenbauer automatisch | |
Aspirantin, aber Spahn könnte nicht tatenlos zusehen. | |
Und Seehofer? | |
Fast vergessen wird nun, dass auch CSU-Chef Horst Seehofer für den | |
unterlegenen Kauder eingetreten ist. Dass umfangreiche Urheberrechte am | |
Murks der GroKo ihm gehören, ist dagegen ziemlich klar. Im Kanzleramt, der | |
SPD-Zentrale und in den Oppositionsbüros sowieso hoffen deshalb alle, dass | |
er nach der Bayernwahl und einer happigen Niederlage seiner Partei nicht | |
mehr herumspuken darf. Aber ein politisches Schlossgespenst lässt sich gar | |
nicht so einfach vertreiben. | |
26 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Anja Maier | |
Georg Löwisch | |
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