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# taz.de -- Datenjournalismus gegen Facebook: 20 Millionen Dollar für Kritik
> Das Recherche-Projekt „The Markup“ will Daten auswerten, die
> Tech-Konzerne nicht rausrücken. Geld gibt's von einem Großspender.
Bild: Facebook und andere datenjournalistisch untersuchen – das will „The M…
Das neueste Investigativ-Projekt in den USA beginnt mit einer Starthilfe
von „Craigslist“. „Craigslist“ ist ein erfolgreiches und auch auf dem
deutschen Markt tätiges Gratis-Anzeigenportal. Dessen Gründer, Craig
Newman, hat den Enthüllungsjournalist*innen Julia Angwin und Jeff Larson 20
Millionen Dollar für den Aufbau einer Redaktion gegeben. Einer Redaktion,
die Internetriesen wie Google und Facebook nachspüren soll.
„The Markup“ wird das Nonprofit-Startup heißen, derzeit suchen Angwin und
Larson noch nach bezahlbaren Büroräumen in New York. Wenn die gefunden,
sind, soll „The Markup“ mit datenjournalistischen Methoden über die
Auswirkungen der Digitalisierung aufklären.
„Nicht nur Facebook profitiert von Automatisierung“, sagt Julia Angwin im
Gespräch mit der taz. „Auch für Journalist*innen eröffnet sie neue
Möglichkeiten.“
Es geht um die Arbeit mit großer Datenmengen. Angwin und Larson gehörten
bis April dieses Jahres der Recherche-Organisation ProPublica an. Dort
landeten sie vor zwei Jahren einen journalistischen Erfolg mit einer
Recherche über lernfähige Softwares, die im Justizsystem der USA genutzt
werden – um vorherzusagen, wie wahrscheinlich Straftäter*innen wieder
straffällig werden.
Anhand von 10.000 Fällen errechneten Angwin, Larson und ihr Team, [1][dass
die genutzte Software erheblich zum Nachteil schwarzer Straftäter*innen
entschied]. Datenrecherchen wie diese sind so umfangreich, dass die meisten
Nachrichtenorganisationen dafür weder die Geduld haben noch die Ressourcen
zur Verfügung stellen.
Diese Lücke soll „The Markup“ füllen – und damit eine Art journalistisc…
Kontrollinstanz von Akteuren wie Google und Facebook werden. „Es geht uns
zwar nicht um die ganz großen ethischen Fragen“, sagt Angwin. „Ob Facebook
mehr Regulierung braucht oder nicht, das wollen wir nicht sagen. Aber
denjenigen, die diese Fragen zu klären haben, wollen wir die nötigen Daten
beschaffen – damit ihre Entscheidungen mehr als reine Gefühlssache sind.“
Auch Facebook-Daten hat Julia Angwin schon für Recherchen ausgewertet. In
diesem Jahr veröffentlichte sie zusammen mit Kolleg*innen ein leicht
bedienbares Web-Interface, mit dem sich zurückverfolgen lässt, welche
Personengruppen, etwa nach Alter, Geschlecht und Wohnort, [2][welche
Wahlwerbung auf Facebook sehen]. Angwin arbeitete dabei mit Tausenden
freiwilligen User*innen, die ihre Aktivitäten im Netz sozusagen
„mitschneiden“ ließen. Bei diesem Vorgehen ist die Journalistin nicht
darauf angewiesen, dass Facebook freiwillig Daten preisgibt. „Wenn die
Konzerne selbst Daten zur Verfügung stellen, haben sie die in der Regel
bereits so ausgewählt, dass sie wenig aussagen“, sagt Angwin.
## Die Philantropen im Hintergrund
„The Markup“ startet mit einem 20-köpfigen Team aus Reporter*innen und
Programmierer*innen. Sämtlicher Content soll unter Creative-Commons-Lizenz
veröffentlicht werden. Bezahlschranken soll es nicht geben. Julia Angwin
schätzt, dass die Redaktion mit den 20 Millionen von Craig Newman sowie
einigen kleineren Spenden etwa vier Jahre lang arbeiten kann. Bis dahin
soll sich eine stabilere Finanzierung entwickelt haben. „Wir hoffen, dass
mehr Menschen spenden werden, wenn sie sehen, dass wir gute Arbeit machen“.
Mit dem Ende der anzeigenfinanzierten Printzeitungen wird
Investigativ-Journalismus in den USA immer häufiger von so genannten
„Philanthropists“ finanziert – Großspendern, die Millionenbeträge in
journalistische Projekte stecken. Craig Newman etwa, der mit seiner
Gratis-Anzeigenplattform „Craigslist“ vielen als Mitschuldiger an der Krise
der Zeitungen gilt, betätigt sich schon seit einiger Zeit als
„Philanthropist“ im journalistischen Bereich. Aber auch ProPublica
finanziert sich seit seiner Gründung vor allem über eine jährliche 10
Millionen-Spende von zwei kalifornischen Immobilienmilliardären.
Diese Finanzierung aus einer Hand ist in den USA keineswegs verpönt. Sie
ist eine Fortsetzung aus dem Papierzeitalter, als die großen Zeitungen
meist Unternehmerfamilien gehörten. Julia Angwin jedenfalls arbeitet lieber
mit Großspendern zusammen, als auf Finanzierung aus öffentlichen Geldern zu
hoffen. „Wird unsere Regierung, die die Presse als ‚Feind des Volkes‘
bezeichnet, Projekte wie das unsere unterstützen? Wohl kaum.“ Erste
Geschichten sollen im Frühjahr 2019 auf [3][themarkup.org] erscheinen.
9 Oct 2018
## LINKS
[1] https://www.propublica.org/article/machine-bias-risk-assessments-in-crimina…
[2] https://projects.propublica.org/facebook-ads/?age_bucket=65&location_bu…
[3] https://themarkup.org/
## AUTOREN
Peter Weissenburger
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