# taz.de -- Kampf um Lulas Mehrheit: Haddad soll die Stimmen holen | |
> Ex-Präsident Lula da Silva hat seine Kandidatur für die Wahlen im Oktober | |
> zurückgezogen. Fernando Haddad soll ihn nun ersetzen – kann er das? | |
Bild: Fernando Haddad soll für Lula da Silva die Stimmen holen | |
RIO DE JANEIRO taz | Keine vier Wochen vor der Präsidentschaftswahl in | |
Brasilien ist der haushohe Favorit ausgeschieden. Die Arbeiterpartei PT | |
beugte sich der Justiz und zog die Kandidatur von Expräsident Luis Inácio | |
Lula da Silva zurück. An seiner Stelle wird der ehemalige Bürgermeister von | |
São Paulo, Fernando Haddad, ins Rennen gehen. | |
Monatelang hatte Lula versucht, trotz [1][seiner Verurteilung] zu über | |
zwölf Jahren Haft wegen Korruption eine Kandidatur durchzusetzen. Wie | |
erwartet [2][hatte das oberste Wahlgericht dies nicht zugelassen] und der | |
Partei eine Frist bis zum Dienstag gesetzt, einen Ersatzkandidaten zu | |
benennen. Obwohl die PT vor dem obersten Gericht Berufung einlegte, wollte | |
sie offenbar nicht riskieren, am Ende ohne einen Kandidaten dazustehen. | |
In einem offenen Brief forderte Lula seine Anhänger auf, für Haddad zu | |
stimmen. „Von heute an wird Haddad für Millionen Brasilianer Lula sein“, | |
schrieb der 72-Jährige. Er werde niemals die Ungerechtigkeit, die ihm | |
widerfahren sei, akzeptieren und zusammen mit Fernando Haddad für eine | |
neue Regierung und die Hoffnung kämpfen, erklärte Lula. | |
In Umfragen lag Lula mit 40 Prozent weit vor all seinen Mitbewerbern. | |
Haddad liegt derzeit bei gut 10 Prozent. Umstritten ist, wie gut der | |
Stimmentransfer von Lula auf Haddad, auf den „Kandidaten Lulas“ | |
funktionieren wird. Meinungsforscher gehen von mindestens einem Viertel der | |
Lula-Stimmen für Haddad aus, also rund weitere 10 Prozent Zustimmung für | |
den jetzigen PT-Kandidaten. Die PT hofft auf deutlich über 50 Prozent | |
Stimmentransfer. Allerdings werden in Brasilien meist Personen und nicht | |
Parteien gewählt. | |
## Er ist Sohn einer gutbürgerlichen Familie | |
In Führung liegt jetzt der rechtsextreme ehemalige Fallschirmspringer Jair | |
Bolsonaro. Nach einer Messerattacke während eines Wahlkampfauftritts | |
vergangene Woche liegt er derzeit im Krankenhaus. Ein offenbar verwirrter | |
Mann hatte ihm in den Bauch gestochen, angeblich „auf Befehl Gottes“. Diese | |
Gewalttat hat Bolsonaro bekannter gemacht und ihm noch mehr Unterstützung | |
eingebracht. | |
In jüngsten Umfragen steigerte er sich von 20 auf nun 26 Prozent | |
vorausgesagten Stimmenanteil. Er gilt als Trump Brasiliens, will das | |
Gewaltproblem mit der Bewaffnung aller Bürger lösen, wettert gegen | |
Homosexuelle und Afrobrasilianer und ist bereits wegen diskriminierender | |
Hetze gegen Frauen verurteilt worden. | |
Gleichauf mit Haddad liegen drei weitere Kandidaten, denen Chancen auf den | |
Einzug in die Stichwahl Ende Oktober eingeräumt werden. Der gemäßigt linke | |
Ciro Gomes, die ehemalige Umweltministerin Marina Silva und der | |
konservative Geraldo Alckmin, der als bevorzugter Kandidat des breiten | |
rechten Lagers gilt, das 2016 die Amtsenthebung von Lulas Nachfolgerin | |
Dilma Rousseff durchsetzte. | |
Haddad, der mit Manuela d’Ávila von der kommunistischen Partei PCdoB als | |
Vizekandidatin antritt, muss nun das Feld von hinten aufrollen. Als | |
langjähriger Bildungsminister ist er politisch erfahren, hat aber nichts | |
von Lulas Charisma. Im Gegensatz zu Lula gilt Haddad als Intellektueller | |
mit wenig Draht zu Parteibasis und der breiten Anhängerschaft. | |
Er ist Sohn einer gutbürgerlichen Familie, die in den 1940er Jahren aus dem | |
Libanon nach Brasilien migrierte. In São Paulo machte er sich vor allem als | |
Umweltpolitiker und Stadterneuerer einen Namen. Vielen in den eigenen | |
Reihen galt dies als eine Politik, die anders als sein Ziehvater Lula die | |
sozialen Belange nicht ausreichend berücksichtigte. Die erfolgreichen | |
Sozialprogramme und die Umverteilungspolitik, die Millionen einen Weg aus | |
der Armut wiesen, gelten als wichtigster Faustpfand der Arbeiterpartei. | |
12 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Behn | |
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