# taz.de -- Hartz IV und Familiengeld: Besser leben in Ingolstadt | |
> In bestimmten Kommunen in Bayern wird das neue Familiengeld nicht auf | |
> Hartz IV angerechnet. Die Frage ist nur, wie lange das gut geht. | |
Bild: Wenn er in Ingolstadt lebt, wird seiner Familie das Familiengeld nicht au… | |
Berlin taz | Seit dem 1.September ist es besser, in Ingolstadt zu leben | |
oder in Schweinfurt, jedenfalls, wenn man Hartz IV-EmpfängerIn ist und | |
kleine Kinder hat. Die beiden Städte gehören wie Erlangen und Kaufbeuren | |
sowie einige Landkreise zu den sogenannten Optionskommunen und diese | |
Gemeinden wollen die neue bayrische Sozialleistung, [1][das Familiengeld], | |
nicht mit Hartz IV verrechnen. | |
„Bei uns wird das Familiengeld nicht auf das Arbeitslosengeld II | |
angerechnet“, sagt Ingrid Schmutzler, Sprecherin der Stadtverwaltung | |
Ingolstadt, der taz. Immerhin 250 Euro pro Monat gibt es ab 1. September | |
vom bayrischen Staat pro Kind, ab dem 13. Lebensmonat, maximal zwei Jahre | |
lang. Ab dem dritten Kind sind es sogar monatlich 300 Euro. Das Geld wird | |
vom Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) direkt und relativ | |
unbürokratisch an die Eltern überwiesen, da die meisten beim Zentrum schon | |
mal einen Antrag auf Elterngeld gestellt haben und deshalb dort bereits | |
registriert sind. | |
Nur den meisten Hartz-IV-Empfängern nutzt das nichts: Die Familienleistung | |
müssen sie beim Jobcenter angeben und sie wird ihnen dort wieder von Hartz | |
IV abgezogen. „Das Familiengeld gilt als Einkommen und wird mit der | |
Leistung verrechnet“, sagt Olga Saitz, Sprecherin der Regionaldirektion | |
Bayern der Bundesagentur für Arbeit. | |
## Cool wie die Gallier | |
93 Jobcenter gibt es in Bayern, 83 davon unterstehen der Bundesagentur für | |
Arbeit und sind damit dem Bundesarbeitsministerium nachgeordnet. Zehn | |
Jobcenter aber gehören zu sogenannten Optionskommunen. Diese führen ihre | |
Jobcenter in Eigenregie unter Aufsicht des bayerischen Staates. Sie wollen | |
das Familiengeld nicht mit den Hartz IV-Leistungen verrechnen, ganz im | |
Sinne der bayerischen Landesregierung. | |
Dies ist aber höchst strittig. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) | |
hat bereits angekündigt, Hartz IV-Zahlungen, die ja Bundesleistung sind, | |
von diesen Kommunen zurückzufordern. Doch in den Kommunen bleibt man cool | |
wie ein gallisches Dorf angesichts der Römer. „Es gilt der | |
Vertrauensschutz“, erklärt Schmutzler in Ingolstadt. Die Hartz-IV-Empfänger | |
werden nicht damit beunruhigt, dass der Bundesarbeitsminister unter | |
Umständen eine rückwirkende Anrechnung des Familiengeldes auf die | |
Hartz-IV-Leistung fordern könnte. „Das wird nicht kommuniziert“, sagt die | |
Sprecherin. | |
Die Bayerische Staatsregierung ist bislang der Überzeugung, dass eine | |
Anrechnung des Familiengeldes auf Hartz IV nicht in Betracht kommt, weil | |
das Familiengeld nicht den Zweck der „bloßen Existenzsicherung“ verfolge | |
wie Hartz IV, sondern Eltern einen „größeren finanziellen | |
Gestaltungsspielraum“ eröffnen soll in der „frühen Erziehung und Bildung | |
der Kinder einschließlich gesundheitsförderlicher Maßnahmen“. So steht es | |
im Bayerischen Familiengeldgesetz. | |
## Das Erziehungsgeld gab es auch on top | |
Der Streit zwischen der bayrischen CSU-Landesregierung und dem | |
SPD-Bundesarbeitsminister erinnert an einen alten Konflikt: Bis zum Jahre | |
2011 wurde das staatliche Elterngeld und zuvor auch das sogenannte | |
Erziehungsgeld nicht oder nicht voll auf Hartz-IV-Leistungen | |
beziehungsweise die frühere Sozialhilfe angerechnet. Eine Alleinerziehende | |
konnte noch zu Zeiten des Erziehungsgeldes bis zu zwei Jahre lang monatlich | |
300 Euro Erziehungsgeld zusätzlich zur Grundsicherung für sich und ihr Kind | |
beziehen. Dies wurde dann im Rahmen der Spargesetze gekippt. | |
Der Anrechnungs-Streit schwelt bis heute weiter, in wechselnden Varianten, | |
weil Hartz-IV-EmpfängerInnen heute weder von einer Erhöhung des | |
Kindergeldes noch des Elterngeldes profitieren. Beides wird immer auf die | |
Leistung vom Jobcenter angerechnet. So nun auch das Familiengeld in Bayern | |
bei den 83 Jobcentern, die der Bundesagentur und damit dem | |
Bundesarbeitsministerium unterstehen. | |
Insider vermuten, dass der Streit zwischen der bayrischen Landesregierung | |
und dem Bundesarbeitsministerium am Ende pragmatisch enden wird. Die | |
gegenwärtige Ungleichbehandlung von Hartz-IV-Empfängern etwa in Augsburg | |
und Schweinfurt ist auch für Bayern ein Problem. Nach der bayerischen | |
Landtagswahl lenkt die Landesregierung möglicherweise ein, die | |
Optionskommunen rechnen dann das Familiengeld auch auf Hartz-IV-Leistungen | |
an, zurückgefordert wird aber nichts. Schließlich spart das Familiengeld | |
aus der bayerischen Landeskasse den Jobcentern, bei denen es auf die | |
Bundesleistung Hartz-IV angerechnet wird, auch eine Menge Geld. | |
6 Sep 2018 | |
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[1] /Streit-um-bayerisches-Familiengeld/!5529521 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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