| # taz.de -- Theaterstück „Fesche Lola, brave Liesel“: Ärger um die andere… | |
| > Ein Stück über Marlene Dietrichs unbekannte Schwester kommt in Celle zur | |
| > Premiere – und was die lokale Presse daraus macht, ärgert den Regisseur. | |
| Bild: Ungleiche Schwestern: Marlene Dietrich (Natascha Heimes, l.) und ihre äl… | |
| CELLE taz | Die eine war Weltstar, die andere harrte mit Mann und Sohn im | |
| heute niedersächsischen Örtchen Bergen aus, oder, genauer: im Lager | |
| Bergen-Belsen. Die eine wurde US-Bürgerin und unterstützte, im Rahmen ihrer | |
| ganz eigenen Möglichkeiten, die Alliierten im Krieg gegen das Deutsche | |
| Reich, die andere war mindestens ein Rädchen in dessen tödlicher | |
| Maschinerie: Ihr Mann betrieb das Truppenkino für Wehrmacht und SS. Es gibt | |
| also sehr viel schlechtere, sehr viel banalere Stoffe als diese beiden | |
| Berliner Schwestern, diese doppelte Lebensgeschichte – die von Marlene und | |
| Elisabeth Dietrich. | |
| So wird es sich Heinrich Thies gedacht haben, aus der Heide stammender | |
| Gymnasiallehrer und später Journalist: Der widmete den ungleichen | |
| Schwestern im vergangenen Jahr das Buch „Fesche Lola, brave Liesel. Marlene | |
| Dietrich und ihre verleugnete Schwester“. Und er hat auch mitgewirkt an der | |
| Bühnenfassung mit Musik, die in der vergangenen Woche am Schlosstheater in | |
| Celle Premiere hatte. | |
| Celle und Bergen-Belsen, das liegt geografisch nahe, keine 30 Kilometer | |
| Entfernung sind’s. Aber es fügt sich die Wahl des Stoffes auch ein in die | |
| immer wieder mal aufblitzenden Ambitionen des eher kleinen Hauses am | |
| pittoresk-touristischen Ort. | |
| Durchaus nicht zuletzt geht es dem Stück um etwas ganz Aktuelles, „die | |
| moralische Diskussion über politische Hetze und Populismus“ nämlich. Als | |
| „Kernthema“ bezeichnete die der Celler Intendant Andreas Döring, der selbst | |
| Regie führt bei dem Doppelte-Dietrich-Stück. Und getan hat er diese | |
| Äußerung in einem dann auch presseöffentlich gemachten Schreiben an die | |
| örtliche Cellesche Zeitung, über [1][deren Rezension] er sich erkennbar | |
| geärgert hatte. | |
| ## Kritik an den Kritikern | |
| Nun wird das ja weiß Gott nicht zum ersten Mal passiert sein: Da macht man | |
| Theater, vielleicht unter ständigem Austarieren von allerlei, das in ganz | |
| verschiedene Richtungen will, und dann kommt so eine Rezensentin und | |
| verreißt’s. Oder, andersherum erzählt: Ein unabhängiges Presseerzeugnis | |
| nennt die Schwächen so einer Inszenierung beim Namen, erkennt etwa ein | |
| Scheitern an der allzu großen Ambition, bemängelt „pompös überzeichnete“ | |
| Auftritte oder „langatmige, zerfaserte Szenen, ab und an unterbrochen von | |
| Musik“. Warum sollte die Journalistin etwas darauf geben, ob dem | |
| Theatermann das gefällt? | |
| Bloß: Döring wollte sich erkennbar nicht an Fragen unterschiedlicher | |
| ästhetischer Sichtweisen abarbeiten, wohl wissend, dass er sich auf arg | |
| rutschiges Terrain begibt, wenn er die Kritik kritisiert. Umso mehr sucht | |
| er in seinem Schreiben deutlich zu machen: Es geht ihm darum, dass die | |
| Zeitung wichtige Dimensionen des Stücks einfach nicht wiedergegeben habe – | |
| beziehungsweise „die politische Auseinandersetzung des Theaters mit der | |
| Gegenwart“, so Döring, „unterschlagen und umgedeutet“. | |
| In der Tat: In der gedruckten – wie auch der ersten online veröffentlichten | |
| – Version der Rezension fand sich nicht ein einziges Wort zum historischen | |
| Kontext der Schwestern-Hauptfiguren; keines zum Krieg, keines zum nahe | |
| gelegenen Konzentrationslager, ohne das es den regionalen Bezug der | |
| Dietrich’schen Familiengeschichte ja vermutlich nie gegeben hätte. | |
| Gerade mal vom „kleinen Örtchen Bergen“ war da die Rede, in dem die eine | |
| Schwester „ein kümmerliches Dasein“ verbracht habe, während die andere �… | |
| den Metropolen der Welt zu Hause“ war. Wohlwollend gesprochen, könnte sich | |
| die Autorin der Premierenkritik aufs Verhältnis zweier ungleicher | |
| Schwestern konzentriert haben – das sei ja, wie sie betont: „angekündigt“ | |
| gewesen. | |
| Bloß muss sie dazu über ganz schön viel hinweggesehen haben, denn das Stück | |
| ist voller Hinweise auf den historischen Hintergrund. Das beginnt mit den | |
| Uniformen und dem Umstand, dass eben die den Rahmen stiftende Zeitebene | |
| unmittelbar nach Kriegsende im Lager Bergen-Belsen angesiedelt ist: Dort | |
| trifft, in US-Uniform, der Weltstar (Natascha Heimes) ein, in Sorge um die | |
| Schwester (Johanna Marx), deren Existenz sie gleichwohl fast drei | |
| Jahrzehnte lang verheimlichen wird. Die Dietrich trifft auf einen | |
| britischen Offizier (Gintas Jocius), der sich prompt als ein ins Exil | |
| getriebener Berliner Jude entpuppt, dessen Eltern in Deutschland geblieben | |
| waren – in der falschen Hoffnung, als vorbildliche Deutsche werde man sie | |
| verschonen. | |
| Auch dass Liesels Mann (Dirk Böther) 1933 sein Herz für die nationale Sache | |
| (und vor allem die dazu gehörige Partei) erkennt, allen voran gegangenen | |
| Umgang mit linken und, ja: jüdischen Künstlern in seinem Berliner Theater | |
| als Irrung bezeichnet – und ihm das doch wenig nützt: kein ohne Anstrengung | |
| auszublendender Teil des Ganzen. Und, und, und: Wer, wie Marlene Dietrich, | |
| ein paar Jahrzehnte lang allerbeste Verbindungen hatte, der kann vermutlich | |
| keinen Schritt tun, ohne historisch bedeutenden Staub aufzuwirbeln. | |
| So wenig man Theaterleuten wirklich empfehlen möchte, sich in den Clinch zu | |
| begeben mit – aus ihrer Sicht – falscher Bewertung mit der eigenen Arbeit: | |
| Bemerkenswert ist, dass die Zeitung nachgab: Die Rezension wurde | |
| überarbeitet, Hinweise auf Krieg und KZ kamen hinzu. | |
| An der insgesamt durchwachsenen Einschätzung hat sich nichts geändert – und | |
| das ist legitim. Es muss nicht jede überzeugen, dass da eine Jazzband – um | |
| den Celler Musiker Moritz Aring – beinahe durchgängig spielt, obwohl die | |
| echte Marlene doch mit diesem Genre nichts am Hut gehabt haben soll. Es | |
| lässt sich auch bemängeln, dass wir vom Innenleben so schrecklich viel | |
| nicht erfahren haben, wenn erst der letzte Vorhang fällt: Zu viel äußere | |
| Handlung will da in Szene gesetzt werden. Dieser Adaption eines nicht ganz | |
| dünnen Buches hätte eine Straffung gut getan. | |
| Und schließlich kann man diesem fast dreistündigen Theaterabend eine | |
| Unwucht ankreiden, die schon Thies’ Vorlage prägte: Von beiden Lebensläufen | |
| ist der eine um ein Vielfaches besser dokumentiert als der andere. Sie | |
| ahnen schon, welcher. | |
| 14 Sep 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alexander Diehl | |
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