# taz.de -- Fragwürdige Boni beim Großbäcker: Menschenfeindlichkeit statt Li… | |
> Der Lila-Bäcker zahlt seinen MitarbeiterInnen einen ordentlichen Bonus, | |
> wenn sie sich möglichst lange nicht krank melden. Das ist zynisch. | |
Bild: Lecker Schrippen, doch die Arbeitsbedingungen der VerkäuferInnen sind we… | |
„Herzlich Willkommen in der Lila-Welt!“ So nett bescheuert wird die | |
geneigte Besucherin auf der Webseite des Lila-Bäcker begrüßt, einem | |
Backwarenunternehmen aus dem mecklenburg-vorpommerischen Pasewalk. Die | |
Backshop-Kette hat Filialen im gesamten Nordosten der Republik, auch in | |
Berlin. In der Lila-Welt haben die Papiertüten einen lustigen lila | |
Streifen, doch die Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen können einem die | |
Lila-Laune so gründlich verhageln, dass man die trockene Schrippe vor | |
Schreck glatt zurück auf den Tresen hustet. | |
Von einer Art „Gesundheitsbonus“ für die Angestellten war da am Donnerstag | |
in der Berliner Zeitung zu lesen, eine Mitarbeiterin aus der Lila-Welt | |
hatte sich an die Zeitung gewandt. Da wird aus einem Merkblatt zitiert, | |
wonach die Angestellten 100 Euro Bonus pro Monat bekommen, wenn sie sich | |
acht Monate nicht krank gemeldet haben. Wer 18 Monate durchhält, hat die | |
Höchststufe erreicht und bekommt ein Plus von 250 Euro. | |
Angeblich liegt das Gehalt der Verkäuferin nur knapp über dem Mindestlohn, | |
da sind 250 Euro jeden Monat eine Menge Geld. Und ist sie einmal krank oder | |
muss wegen einem hustenden Kind zu Hause bleiben, fällt sie wieder auf null | |
zurück. Auf Presseanfragen, auch der taz, ob man dieses Bonusmodell näher | |
erläutern möge, antwortet die Firma nicht. | |
## Selbstausbeutung für Extrageld | |
Wow, so viel unternehmerischer Zynismus kann einen schon mal krank machen. | |
Der Berliner Landesverband des Deutschen Gewerkschaftsbund kritisierte am | |
Donnerstag prompt die „familienfeindliche“ Philosophie hinter diesem | |
Bezahlmodell des Großbäckers. | |
Man könnte es auch noch härter formulieren: Wenn man Menschen gering | |
entlohnt und das dann auch noch benutzt, damit sie sich für ein bisschen | |
(mehr) Extrageld selbst ausbeuten, ist das ganz einfach menschenfeindlich. | |
Wer Migräne hat, sollte weder Schrippen noch Streuselkuchen verkaufen | |
müssen, sondern im Bett liegen dürfen. Wer Schnupfen oder Magen-Darm-Grippe | |
oder eine andere ansteckende Krankheit hat, darf auch gar keinen | |
Streuselkuchen verkaufen. | |
Bleibt zu hoffen, dass der Gesundheitsbonus – auf der Webseite der Firma | |
ist von einem „attraktiven Gehaltsmodell mit Sach- und Geldprämien“ die | |
Rede – also nicht zu etwaigem Brechdurchfall bei der Kundschaft führt. Na | |
dann: Gesundheit allerseits! | |
13 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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