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# taz.de -- Theaterstück „Am Königsweg“: Miss Piggy im Kugelhagel
> Felicitas Braun macht aus Elfriede Jelineks Anti-Trump-Zornrede „Am
> Königsweg“ in Osnabrück einen klugen, skurril überspitzten Theaterabend.
Bild: Von sich selbst geblendet: The Donald
Osnabrück taz | Es gibt Inszenierungen, die sperren dich aus. Schon drei
Viertelstunden rum, und du weißt immer noch nicht, was das Ganze soll?
Furchtbar.
Felicitas Brauns soghaft leichthändige, sprechend verspielte Adaption von
Elfriede Jelineks handkantenharter Anti-Trump-Zornesrede „Am Königsweg“ ist
das genaue Gegenteil davon: Keine drei Minuten sind in der eigens für die
Osnabrücker Aufführung auf gut anderthalb Stunden eingedampften Fassung
vorüber, dann ist die Sache klar: Ein skurril überspitzter, ebenso
bitterernster wie hochkomischer Abend liegt vor uns, gut anderthalb Stunden
voller hellsichtiger Klugheit und abgedrehter Schauwerte.
Kermit der Frosch taucht auf und kräht irgendwas über Jelinek selbst. Miss
Piggy tastet sich rein, angeblich so blind, wie Orakel es nun mal sind. In
Videos posieren affektierte Upper-Class-Golfer auf übergrünen Greens. In
einer Tribüne, an der alles Fake ist, vom Teppich in Holzoptik bis zur
Pflanze in Plastik, geht immer mal wieder eine Klappe auf: für einen
cholerischen Dino; für einen plüschigen Igel, der was von „dunklen Kräften…
piepst; für den Røm-Pøm-Pøm-Pøm-Koch, der signalisiert: Trump? Den habt ihr
euch selbst eingebrockt! Nun löffelt die Suppe aus, so eklig sie auch
schmeckt!
Ein Bühnengeschehen, das auf Symbolismus setzt, von den Muppets bis zum
Mobiliar. Rechts eine Edel-Sitzgruppe, auf der psychoanalysiert wird. Links
ein News-Desk, der so schnell zerfällt wie die Wahrheit, die niemand mehr
kennt.
Nicht lange und Stefan Haschke als The Donald himself stolziert raus, mit
Edelsteinkrone und Hermelinmantel, mit Glitzeruhr und Glitzerschuhen,
Golfschläger als Zepter, der „Blinde unter Blinden, von sich selbst
geblendet“. Erst trägt er Maske, später wird er enttarnt. Zwischendrin
baumelt sein Riesengemächt fast bis zum Boden.
Schräg ist all das, schrill. Aber Jelinek rechnet so schonungslos mit Trump
ab, mit seiner Egomanie und seinen Lügengespinsten, seiner Machtgeilheit
und Reichtumsprotzerei, seiner Amoralität und Klientelpolitik, dass das
Lachen gefriert. Es geht um seine Schuldenberge und phallischen Immobilien,
seine Hetze und Gold-Obsession, sein Frauenbild. Verstörende Bilder kommen
da heraus.
Einmal schüttet Trump sich Wasser über den Kopf, zu zuckenden Blitzen und
Regenrauschen – klar, der angeblich so sonnige Tag seiner Amtseinführung.
Einmal fährt Miss Piggy mit einem Teil des News-Desks über die Bühne –
klar, Melissa McCarthy alias Trump-Pressesprecher Sean Spicer, die in
Saturday Night Live das White House-Rednerpult zwischen die Reporter rammt.
Wiedererkennungseffekte, jeder ein satter Wirkungstreffer.
Ein Trommelfeuer an Regieeinfällen, optisch, gedanklich und technisch
allesamt grandios. Oft ist es schwer, bei dieser Atemlosigkeit mit dem
Dechiffrieren mitzuhalten: Hier eine Konfettibombe, da ein Nebelmeer; hier
ein zerfallendes Kartenspiel, da ein Livevideo, mit einer zusätzlichen
Realitätsebene. Irrwitzig schnelle Orts-, Kostüm- und Rollenwechsel.
Sprechend, all das, perfekt durchdacht. Aber schweißtreibend. Wie das
gesamte Phänomen Trump.
Wann war das noch, als diese Sturmgewehrsalve Miss Piggy niedermäht? Wann
kamen nochmal diese drei Typen, an- und ineinandergewachsen, mit ihrem
Song, dass Krüppel was Rührendes haben? Vor der Umbaupause? Danach? Man
weiß es nachher kaum mehr, aber das ist nicht schlimm. Das Gesamtbild
zählt, und das ist stark.
Apropos Pause. Das Publikum bleibt dabei im Saal: „Schauen wir den
Arbeitern beim Arbeiten zu!“ Die Holzteppich-Tribüne wird demontiert. Auf
den Monitoren sehen wir, wie die Darsteller neu geschminkt werden, sich
umziehen. Ein Slum-Ölfass wird reingerollt, für die Obdachlosenszene, die
gleich kommt – natürlich geht die Trump-Welt gehörig den Bach runter.
Alles sprechend, alles Symbol. Christina Dom trottet minutenlang immer in
die Runde, treppauf, treppab. Auch Katharina Kessler und Monika Vivell,
übersät mit Blutergüssen und Wunden, erstarren in Zwangshandlungen. Abraham
opfert (fast) Isaak. Wild ist das, seltsam, mutig. Die Spielzeit ist erst
ein paar Tage alt. Aber es wird schwer sein, in ihr Timo von Kriegsteins
„Königsweg“-Bühnenbild zu toppen, Aleksandra Kicas Kostüme.
Was bleibt? Sätze wie: „Die Worte sind aufgebraucht, es herrschen die
Aufgebrachten!“ Hoffentlich tun sie das nicht mehr lange.
4 Sep 2018
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Theater Osnabrück
Donald Trump
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Elfriede Jelinek
Schauspielhaus
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