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# taz.de -- Rückblick Demos in Chemnitz: Rechte waren fassungslos
> Die Polizei beendete die Demo von AfD, Pegida und Pro Chemnitz. Dann
> kippte die Stimmung, die Polizei konnte eine Eskalation verhindern.
Bild: Teilnehmer der AfD-Demos wurden für mehr als zwei Stunden blockiert
Chemnitz taz | Als es dunkel wird gegen 20 Uhr in Chemnitz, ist ganz und
gar nicht klar, was die nächsten Stunden bringen werden. Die Polizei
[1][hat die rechtsextreme Demonstration aufgelöst], doch immer wieder tun
sich kleine Gruppen von Rechten zusammen und ziehen skandierend die Straßen
entlang, „Widerstand, Widerstand“ und „Lügenpresse, Lügenpresse“ hallt
durch die Straßen. Die Polizei ist den ganzen Tag schon mit einem
Großaufgebot vor Ort, darunter auch Wasserwerfer und Pferdestaffeln.
Nichtsdestotrotz ist die Stimmung angespannt.
Bei den Gegendemonstranten mischen sich Freude über den unerwarteten
Erfolg, die Rechten blockiert zu haben, mit der Sorge, ob man sicher nach
Hause oder zum Bahnhof kommen wird. Um 15:30 Uhr hatte die Kundgebung „Herz
statt Hetze“ auf einem Parkplatz vor der Johanniskirche begonnen. Mehrere
tausend Menschen waren dem Aufruf gefolgt, den ein Bündnis von mehr als 70
Organisationen unterzeichnet hatte, vom Chemnitzer Alternativen
Jugendzentrum bis zur örtlichen CDU. Die Züge von Leipzig aus Chemnitz
waren so überfüllt, dass Aktivisten bei der Anreise auf dem Bahnhof zurück
bleiben mussten; aus Berlin, aber auch aus Erfurt oder Jena waren Hunderte
angereist.
Auch am Karl-Marx-Monument füllte sich der Platz schnell. Dort versammelten
sich die Teilnehmer der Veranstaltung von Pro Chemnitz, das Publikum war
ähnlich wie es auch schon bei der Demonstration am letzten Montag gewesen
war: Kameradschaftler, rechtsextreme Hooligans, Betrunkene. Nicht wenige
Deutschlandfahnen wurden hier falsch herum gehalten.
Vor der Geschäftsstelle der Chemnitzer AfD ein paar hundert Meter weiter
war man zu diesem Zeitpunkt noch auf Seriösität bedacht: Der
„Trauermarsch“, zudem unter anderem der thüringische
AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke aufgerufen hatte, war von den
Veranstaltern mit einer ganzen Reihe von Auflagen versehen, unter anderem
sollten die Teilnehmer nur Schwarz tragen und auf Trinken, Essen und
Rauchen verzichten.
Die beiden Demonstrationen starteten dann allerdings nicht getrennt.
Stattdessen löste pro Chemnitz seine Veranstaltung kurzerhand auf, damit
die Teilnehmer zum Auftaktort von AfD und Pegida gehen konnten. Das
erklärte Ziel: „Damit wir mehr sind.“ Die Polizei ließ die Demonstranten …
dieser Stelle gewähren.
In der Theaterstraße, wo sich nun mehr als 5.000 Menschen zu einem
gemeinsamen rechtsextremen Aufmarsch versammelt hatten, wurde die Stimmung
dann nach und nach aggressiver, weil der Beginn der Demonstration immer
wieder verschoben wurde. Erst gegen 18 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung,
tatsächlich ab diesem Moment als Schweigemarsch.
## Blockade mit Grundgesetzen
Doch schon nach einem knappen Kilometer kam der Zug wieder zum Stehen –
genau dort, wo die Nazis von Pro Chemnitz sich am Nachmittag versammelt
hatten: Vor dem Karl-Marx-Monument. Still schwenkten sie ihre
Deutschlandfahnen. Lange bekamen die Rechten keine Infos, gebetsmühlenhaft
dankte der Redner im Lautsprecherwagen ihnen für ihre „Disziplin“. Etwa
zwei Stunden sollten sie so verharren müssen, nachdem sich der Aufbruch des
Zuges bereits mehr als eine Stunde verzögert hatte.
Einige Meter weiter war der Ort, an dem wenige Tage zuvor Daniel H.
erstochen worden war. Dort, zwischen allen Absperrungen saß nun eine kleine
Gruppe von Menschen mit einigen Bierflaschen auf dem Boden und murmelte
davon, dass nun „komplett apolitische“ Gewaltlosigkeit das Gebot der Stunde
sei. Um die Ecke hatten sich schon seit dem Mittag etwa 5.000 Menschen zur
„Herz statt Hetze“-Kundgebung versammelt.
Jetzt säumten sie nicht nur die Marschroute, die die Nazis angepeilt
hatten. Etwa 500 von ihnen, teils aus dem autonomen „ums Ganze“-Bündnis
waren auf die Straße gedrängt – und blockierten diese nun. Die Polizei
hatte Hunde und Pferde vor Ort, ließ sie aber weitgehend gewähren. Auf der
Straße stellten einige von ihnen nachgebastelte Grundgesetze zu einer
symbolischen Blockade auf. Ein Teil der Gegendemonstranten wurde
eingekesselt, das Gros aber konnte neben oder auf der Demoroute vor dem
Kulturzentrum Tietz bleiben.
Die Bands Egotronic und Irie Revolted spielten auf einer Bühne neben der
Straße. Gegen 19:20 Uhr kam dann die Durchsage, dass die Demo der AfD
aufgelöst wurde – die Polizeiführung hatte entschieden, die Blockade nicht
zu räumen. Bei der Gegenkundgebung wurde dies mit Zufriedenheit quittiert,
gleichwohl versuchte ein Teil der Linken, näher an den Kundgebungsort der
Rechten zu gelangen, die Polizei verhinderte dies aber mit strategisch
Positionierten Wasserwerfern.
## Kameraleute geschubst
Vor dem Karl-Marx-Monument hingegen eskalierte die Stimmung nun völlig. Die
Rechten konnten schlicht nicht fassen, dass sie ihren so genannten
Trauermarsch nicht durchführen durften. Höcke und die übrige AfD-Prominenz
hatte sich aus der ersten Reihe zurückgezogen, dorthin drängten nun
stinkwütende Hooligans. Sie brüllten die Polizei an, schrien immer wieder
„Lügenpresse“. Die Stimmung kochte derart hoch, dass die Polizei gar einen
Räumpanzer neben den Wasserwerfern in Stellung brachte.
„Wenn ihr den Helm abnehmen würdet, wäre das hier in zehn Minuten vorbei“,
rief einer der Rechten. „Das linke Viehzeug boxen wir dann selber weg.“
Andere beschimpften die Polizisten als „Merkelficker“ und, versteht sich,
als Volksverräter. Auch für die Kameraleute wurde es nun zusehends
ungemütlich. Sie wurden nicht mehr nur angeschrien, sondern zunehmend auch
geschubst. Gegen 19:40 Uhr geleitete die Polizei dann die Rechten langsam
Richtung Bahnhof. Um 20:30 Uhr endete dann auch die Gegenkundgebung.
1 Sep 2018
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Jakob
Malene Gürgen
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