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# taz.de -- Verfassungsschutz brandmarkt AfD-Kritik: Linke Täter gebastelt
> Nach einem Anschlag auf einen LKW gibt es keinen Verdächtigen. Der
> Verfassungsschutz schiebt die Schuld trotzdem einer AfD-kritischen
> Kampagne zu.
Bild: Die Anwältin Lea Voigt vertritt die AktivistInnen
Bremen taz | Im Fall des Brandanschlags auf eine AfD-unterstützende Firma
in Gröpelingen sind die Ermittlungen eingestellt worden. Das bestätigte die
Staatsanwaltschaft Bremen der taz. Es habe kein Tatverdächtiger
identifiziert werden können, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft,
Frank Passade.
Fragen ergeben sich damit indes an das Landesamt für Verfassungsschutz.
Denn das hatte in seinem Jahresbericht für 2017 die Tat bereits einer
antifaschistischen Kampagne konkret zugeordnet. Deren AktivistInnen fühlen
sich diffamiert und prüfen rechtliche Schritte.
In der Nacht auf den 27. Dezember 2017 hatten Unbekannte auf dem Gelände
des „Betonwerks Thielen“ im Stadtteil Gröpelingen einen Lastwagen
angezündet, der völlig ausbrannte. Der Fall wurde von der
Staatsanwaltschaft als versuchtes Tötungsdelikt eingeordnet, weil in einem
nebenstehenden LKW ein Fahrer schlief. Er war von den Geräuschen aufgewacht
und hatte sich in Sicherheit gebracht.
Der 38-Jährige litt noch Monate später unter den Folgen. Er wurde
entlassen. Die Polizei schätzte den Sachschaden auf 200.000 Euro. Die
Staatsanwaltschaft lobte eine Belohnung von 3.000 Euro zur Ergreifung der
Täter aus, zudem bot die Alternative für Deutschland (AfD) nach eigenen
Aussagen weitere 25.000 Euro Belohnung – vergeblich, wie sich nun
herausstellte. Da der oder die Täter unbekannt blieben, könne die
Staatsanwaltschaft folglich auch nicht definitiv sagen, ob die Tat einen
linksextremistischen Hintergrund habe, erklärte Passade.
## Ungewöhnliche Bekennerschreiben
Ende Dezember 2017 war einen Tag nach der Tat auf dem Internetportal
„Indymedia“ ein Bekennerschreiben aufgetaucht, in dem es hieß, die Firma
bestehe aus NPD-Mitgliedern und habe der Bremer AfD für den
Bundestagswahlkampf ihre Logistik zur Verfügung gestellt.
Tatsächlich war der Firmengründer an der Gründung der NPD beteiligt, wurde
ihr erster Bundesvorsitzender und verließ 1967 die Partei. Im September
2017 hatte der jetzige Firmeninhaber Friedrich-Carl Thielen der AfD
erlaubt, das Gelände für ein Wahlkampffahrzeug zu nutzen.
Ungewöhnlich war ein [1][zweites Bekennerschreiben], das drei Monate später
veröffentlicht wurde. Darin reflektieren der oder die Verfasser, dass bei
der Aktion der schlafende Fahrer hätte ums Leben kommen können. „Die fatale
Auswirkung unserer Aktion hat uns intensiv beschäftigt. Sprachlosigkeit und
Zweifel blieben zurück“. Mit einem schlafenden Fahrer habe man nicht
gerechnet. „Wir möchten nicht, dass andere Militante dieselbe Erfahrung
machen müssen. Es darf nicht passieren, dass Unbeteiligte zu Schaden
kommen.“
Bei beiden Bekennerschreiben ist der gleiche Autor namens „161“ angegeben �…
ein Zahlencode, der für „AFA“ also unbestimmt für „Antifa“ steht. Der…
die Verfasser blieben somit anonym, sie gaben keinen Hinweis auf eine
Verbindung zu einer konkreten Gruppe.
Dennoch schrieb das Landesamt für Verfassungsschutz die Tat ganz direkt der
linken Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“ („Nika“) zu. In
seinem Jahresbericht für 2017 führt das Amt unter dem Titel „‚Militante
Aktionen‘ im Rahmen der Nika-Kampagne“ den Brandanschlag auf. Dieser stehe
„im Zusammenhang mit der Kampagne“.
Für Beobachter der linken Szene ist diese Schuldzuschreibung verwunderlich.
Denn „Nationalismus ist keine Alternative“ ist eine bundesweite Kampagne,
die sich gegen die „autoritäre Formierung“, den erstarkenden Nationalismus
und Rassismus richtet. Deren AktivistInnen werben dafür, sich zu
beteiligen, veranstalten offene Treffen, streben nach Bündnissen auch
außerhalb der linken Szene, organisieren regulär angemeldete
Demonstrationen, Pressesprecher treten vor die Kamera.
In Bremen wird die Kampagne von der „Basisgruppe Antifaschismus“ und der
„Antifaschistischen Gruppe Bremen“ getragen, die im bundesweiten
kommunistischen „Ums Ganze“-Bündnis organisiert sind. Aufrufe etwa zu
Blockaden von AfD-Parteitagen gehören zum Repertoire – nicht aber zu
klandestinen militanten Aktionen wie Brandanschlägen.
Wie also kommt der Verfassungsschutz zu einer konkreten Schuldzuweisung,
obwohl die Staatsanwaltschaft überhaupt keine Tatverdächtigen ermitteln
konnte?
In Bremen, heißt es dazu in einer Antwort von Verfassungsschutz-Chef Dierk
Schittkowski an die taz, habe die Kampagne „Nika“ „die Bekämpfung der
Partei „Alternative für Deutschland“, die als „erste Klasse-Gegner“
betrachtet wird, und konkret die Beeinträchtigung und Störung ihrer
Wahlkämpfe zum Ziel. „Seit Ausrufung der Kampagne gab es in diesem
Zusammenhang bundesweit zahlreiche Sachbeschädigungen zu Ungunsten der
Partei und ihrer Mitglieder sowie körperliche Angriffe auf Mitglieder.“
In Bremen hätten dem Nika-Aufruf folgend Angehörige der
linksextremistischen Szene Wahlkampfveranstaltungen der AfD gestört und
darüber hinaus Sachbeschädigungen, so an einem Auto und einer Wohnung von
Parteimitgliedern, vorgenommen. „Vor diesem Hintergrund“, so Schittkowski,
„reiht sich der Brandanschlag auf den auf dem Gelände der Firma Thielen
abgestellten Lastwagen am 27. 12. 2017 in die „militanten Aktionen“ ein,
die Linksextremisten gegen die AfD und ihre (vermeintlichen) Unterstützer
begehen.“
Außerdem lieferten die beiden Bekennerschreiben „dem LfV weitere
Anhaltspunkte dafür, den Brandanschlag im Zusammenhang mit der
Nika-Kampagne zu sehen.“ Welche Anhaltspunkte damit gemeint sind, sagt
Schittkowski nicht.
## Gruppe sieht sich vom Verfassungsschutz diffamiert
Die AktivistInnen der Kampagne indes sehen sich durch das Landesamt für
Verfassungsschutz diffamiert. „Die Anschuldigungen sind völlig haltlos“,
erklärte ein Sprecher der Kampagne aus Bremen, der seinen Namen nicht in
der Zeitung veröffentlicht sehen will. „Linke und antifaschistische
Strukturen sollen dadurch vom Verfassungsschutz diskreditiert und
geschwächt werden. In allem, was wir tun, agieren wir völlig legal.“ Die
Kriminalisierung linker Strukturen durch den Verfassungsschutz sei
allerdings „gängige Praxis“.
Wegen der Anschuldigungen des Verfassungsschutzes haben sich die
AktivistInnen nun an die Bremer Anwältin Lea Voigt gewandt. „Wir prüfen,
wie wir rechtlich gegen die falschen Anschuldigungen vorgehen können“,
sagte Voigt. „Das Bremer Oberverwaltungsgericht hat erst kürzlich klar
gestellt, dass öffentliche Behauptungen des Verfassungsschutzes von der
Behörde erläutert und im Streitfall auch belegbar sein müssen. Geschieht
dies nicht, verletzt die Verlautbarung die Grundrechte der Betroffenen.“
Die Anwältin verweist damit auf einen Beschluss vom Januar 2018, in dem das
Gericht [2][der linken Solidaritätsorganisation „Rote Hilfe e. V.“ darin
Recht gab], im Bremer Verfassungsschutzbericht von 2016 nicht ohne weitere
Erläuterung als „gewaltorientiert“ bezeichnet zu werden. Dies war laut
Gericht ein ungerechtfertigter Eingriff in die allgemeinen
Persönlichkeitsrechte der Organisation.
Voigt erklärte, die Einschätzungen des Verfassungsschutzberichtes würden
von anderen Behörden und Organisationen oft eins zu eins übernommen. „Der
aktuelle Fall zeigt, dass zunächst eine kritische Prüfung angezeigt wäre.“
5 Sep 2018
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!5493019&s=lkw+gr%C3%B6pelingen/
[2] /Archiv-Suche/!5457678&s=ROte+hilfe/
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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AfD Bremen
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