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# taz.de -- Kommentar Thilo Sarrazins neues Buch: Braucht kein Mensch
> Thilo Sarrazin is back. Sein neues Buch „Die feindliche Übernahme“ eignet
> sich für Smalltalk auf einer Pegida-Demonstration – für mehr nicht.
Bild: Ein verbitterter alter Mann, der aus seinem Ohrensessel im Wintergarten i…
In Thilo Sarrazins Welt hat eigentlich nur einer recht: Thilo Sarrazin.
Steif steht er in einem Raum der Berliner Bundespressekonferenz an einem
Pult und liest vom Blatt. Nach seinem 2010 erschienenen Buch
[1][„Deutschland schafft sich ab“] hätten Medien versucht, ihn zur
„bürgerlichen Unperson“ abzustempeln, referiert er. Nichts sei in dem Buch
falsch gewesen. Hätte man seine Analysen in der Politik intensiver
studiert, wäre es der SPD besser ergangen. „Es hätte keine AfD gegeben.“
[2][Thilo Sarrazin is back]. Der Mann, der mit seiner These, die
Unterschicht sei genetisch bedingt dümmer als die Oberschicht, den Humus
für den diskursiven Rechtsruck in der Republik schuf, ist wieder da. Und er
hätte, säße er im Kanzleramt, die AfD verhindert.
Zu einer solchen Hybris muss man erst mal fähig sein. Sarrazin steht am
Rednerpult, um sein neues Buch „Die feindliche Übernahme“ zu promoten.
Seine wenig überraschende These ist für den Verfolgungswahn der
potenziellen Kundschaft maximiert: Der Islam, so Sarrazin, überrenne die
westlichen Demokratien mit einer demografischen Attacke. „Bei unveränderter
demografischer Dynamik und unveränderter Einwanderung ist der Islam in
Deutschland und Europa langfristig auf dem Weg zur Mehrheitsreligion.“
Sarrazin entwirft auf 495 Seiten eine dystopische, mit Dutzenden Tabellen
und Statistiken gespickte Zukunftsvision. Dafür hat er den Koran gelesen
und interpretiert munter drauflos – als „kundiger Laie“, wie er sagt. Was
für eine Drohung! Nehme man den Koran beim Wort, sagt dieser kundige Laie
also, sei er keine Religion der Toleranz oder Friedensliebe – „sondern eine
Gewaltideologie, die im Gewand der Religion daherkommt“.
## Für Smalltalk auf der Pegida-Demo
In der Tat: Wenn man einige Koran-Suren wörtlich nimmt, sind sie mit
liberalen Demokratien unvereinbar. Aber wer tut das eigentlich – außer
Islamisten und Sarrazin? Der Möchtegern-Koranausleger übernimmt hier
lustigerweise die Logik eines salafistischen Predigers.
Sein Buch strotzt vor Sätzen, die für Smalltalk auf einer
Pegida-Demonstration taugen. Die Muslime produzierten zu viele Kinder. Die
Muslime seien unterdurchschnittlich gebildet [3][und leistungswillig]. Die
Muslime seien krimineller als der Rest der Bevölkerung. Am Ende steht für
Sarrazin ein Szenario, wie es Michel Houellebecq in seinem Roman
„Unterwerfung“ schildert. Muslime reißen die Macht im Staate an sich,
zwingen Frauen unters Kopftuch und Universitäten unter das Joch der
Religion.
Es bleibt der Eindruck: Da redet ein verbitterter alter Mann vor sich hin,
der aus seinem Ohrensessel im Wintergarten in den dunklen Garten schaut –
und sich von Feinden umstellt fühlt. Sarrazin tut so, als betrachte er die
Zahlen wie ein Wissenschaftler. Nüchtern, unvoreingenommen und präzise.
Doch in Wirklichkeit sortiert er so, dass alles in sein ideologisches
Raster passt.
## Originell oder neu? Nö
Sarrazin ignoriert nicht nur, dass die riesige Mehrheit der in Deutschland
lebenden Muslime rechtstreue, hart arbeitende BürgerInnen sind. Er geht
auch davon aus, dass Zuwanderer ihre Einstellungen in einer liberalen
Demokratie nicht ändern. Einmal dummer Muslim, immer dummer Muslim. Auch
Daten, die zeigen, dass die Geburtenraten von ZuwandererInnen in
Folgegenerationen sinken, etwa durch höhere Bildung, ignoriert er.
Sarrazin benennt reale Probleme, die schon lange diskutiert werden: die
Rolle der Frau in muslimischen Gesellschaften etwa oder
Integrationsprobleme. Originell oder neu ist das nicht. Dieses Buch braucht
kein Mensch.
30 Aug 2018
## LINKS
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[3] /Essay-Rechtspopulismus-und-Armut/!5344226
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Rechter Populismus
Schwerpunkt Rassismus
Islamophobie
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Schwerpunkt Stuttgart 21
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