# taz.de -- Parteiwechsel von der AfD zur Linken: Eine AfDlerin sieht rot | |
> Tanja Bojani, Abgeordnete im Osnabrücker Kreistag, wechselt von der AfD | |
> zu den Linken. Die werden damit so stark wie die Rechtspopulisten. | |
Bild: Neues Fraktionsmitglied bei der Linken: Tanja Bojani | |
OSNABRÜCK taz | In diesen Tagen scheint es manchmal, als laufe alles immer | |
für die AfD. Überall. Nur nicht in Osnabrück: Dort hat am 3. September | |
Tanja Bojani ihren Austritt aus der AfD-Kreistagsfraktion erklärt, die | |
damit auf drei Köpfe schrumpft. Tags zuvor war sie aus der Partei | |
ausgetreten. Und damit nicht genug. Eine Woche später hat Bojani nun einen | |
Radikalwechsel ans entgegengesetzte Ende des politischen Spektrums | |
verkündet: Fortan ist die 42-Jährige Mitglied der Fraktion Die Linke. Aus | |
der vorher fast unbekannten Busfahrerin aus Rieste bei Bramsche wird eine | |
Symbolfigur des Widerstands gegen den Rechtspopulismus – ob zu Recht, muss | |
sich zeigen. | |
Von „abstrusen Diffamierungen“ in der AFD berichtet Bojani, von | |
Einschüchterungsversuchen: „Ich fühlte mich psychisch unter Druck gesetzt; | |
man verlangte von mir, mich zu politischen Themen nicht zu äußern.“ | |
Fraktionssitzungen habe sie „aus Angst“ nicht mehr besucht. Bojani | |
distanziert sich nicht zuletzt von „menschenverachtender Hetze“, beklagt | |
„ein unsachliches und inhumanes Niveau“. | |
Tanja Bojani stößt 2015 zur AfD. Es ist ihr erstes politisches Engagement. | |
Was sie erlebt, ist ernüchternd: „Viel Pauschalisierung, flache | |
Propagandasprüche. Da herrschte völlige Eindimensionalität. Alles wurde | |
aufs Thema Asyl umgebogen, ob es passte oder nicht.“ | |
Bojani verteilt Flyer, diskutiert an Infoständen. Es dauert, bis sie | |
erkennt: „Kleine Leute wie ich sind denen im Grunde überhaupt nichts wert: | |
Du kannst nichts, du bist niemand, also sei still! In der AfD gilt nur was, | |
wer was hat, wer was darstellt.“ Auch der kalte, harte Ton missfällt ihr. | |
„Der ständige Zoff, das Intrigieren, das Schikanieren. Wirkliches Arbeiten | |
war fast unmöglich. Das war nicht das, was ich wollte.“ | |
## Bojani will nie rechts gewesen sein | |
Sie habe Sätze zu hören bekommen wie: „Stell dich nicht so an, wir sind | |
keine Wohlfühlpartei!“ Ihr Facebook-Account sei gehackt worden: „Ich | |
fühlte sich regelrecht überwacht.“ Manche Gespräche, sagt sie, hätten | |
Verhören geglichen. Von Frauenfeindlichkeit erzählt Bojani, von | |
Psychoterror. | |
Irgendwann reicht es ihr. Bojani ruft Andreas Maurer an, den | |
Linken-Fraktionschef. Sie kennt ihn aus den Ausschüssen. Oft hat sie | |
Linken-Anträgen ihre Stimme gegeben. „Da lag das für mich nahe.“ Und dann | |
geschieht, was Bojani den Einzelkampf im Kreistag erspart: Die Fraktion der | |
Linken nimmt sie auf – durch den Neuzugang ist sie jetzt genauso stark wie | |
die der AfD. Bojani: „Ich bin sehr dankbar, das ist mutig.“ Und dann sagt | |
sie noch: „Ich war immer bunt, aber nie rechts.“ | |
## Verbotene Kandidatur | |
Wer Tanja Bojani erzählen hört, fühlt sich an Franziska Schreibers Buch | |
„Inside AfD – Der Bericht einer Aussteigerin“ erinnert. Abenteuerlich | |
allein die Geschichte ihrer Kandidatur zum Bundestag 2017. Bojanis | |
Wahlflyer sind schon gedruckt, aber sie darf zur Wahl nicht antreten, denn | |
„in den Augen der Parteispitze war mit mir die Falsche aufgestellt worden“. | |
Bojanis Kandidatur wird beim Wahlamt gecancelt. Ein Vorgang, der | |
symptomatisch ist für den desolaten Zustand der AfD in Stadt und Landkreis | |
Osnabrück. Bojani: „Es würde mich nicht wundern, wenn sie noch vor Ende der | |
Wahlperiode auseinanderfällt.“ | |
Linken-Fraktionschef Maurer, braucht dringend Erfolge, nachdem ihn das | |
Landgericht Osnabrück im Juni wegen Wahlfälschung bei der Kommunalwahl 2016 | |
zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt hat. Er sagt: „Wir haben | |
lange beraten, in der Fraktion, mit Parteimitgliedern, ob wir das riskieren | |
wollen. Schließlich setzt uns das ja auch unter Erklärungsdruck. Aber wir | |
werden keine 100 Tage brauchen, um zu beweisen, dass das eine gute | |
Entscheidung war.“ | |
## Die AfD kritisiert Bojanis AfD-Kritik | |
Der AfD-Fraktionschef Felix Elsemann kritisiert, dass Bojani ihr Mandat | |
nicht niederlegt: „Mit den politischen Zielen der AfD brechen, die | |
Geldbezüge aber weiterhin einstreichen – Glaubwürdigkeit sieht anders aus.�… | |
Bojanis Rücktritt habe bei der AfD „Verwunderung“ ausgelöst. | |
Frauenfeindliche Diffamierungen habe es nicht gegeben, nur | |
„innerparteiliche Kritik“. | |
Vor wenigen Wochen sei Bojani „mit Begeisterung“ zum Bundesparteitag | |
gefahren. „Auf etlichen Fotos wurde sich medienwirksam u. a. mit Herrn | |
Gauland, Herrn Höcke und Frau von Storch präsentiert. Die Personen, die sie | |
jetzt stellvertretend für das Klima in diesem Land verantwortlich macht!“ | |
Gab es das schon mal? Raus aus der AfD, rein zu den Linken? „Ich glaube“, | |
sagt Maurer, „das ist das erste Mal.“ Bojani werde sich bei ihrer „zweiten | |
Chance“ auf Soziales konzentrieren. Was Maurer durch Bojani gewinnt? Mehr | |
Geld für seine Fraktion, mehr Abstimmungsgewicht. Aber jeden genommen hätte | |
er nicht: „Seehofer“, sagt er, „hätte bei uns keine Chance gehabt.“ | |
11 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
## TAGS | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Die Linke | |
Osnabrück | |
AfD Niedersachsen | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Rechtsextremismus | |
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rücktritte wegen Nazi-Kontakten: AfD schämt sich | |
Der Kreisvorstand der AfD in Osnabrück ist zurückgetreten. Mitglieder | |
sollen mit Neonazis beim „Schild und Schwert“-Festival gefeiert haben. | |
Kommentar Ex-AfDlerin bei der Linken: In Scharen, bitte! | |
AfD-Aussteiger müssen wir wieder in unseren Reihen aufnehmen. Sonst werden | |
sie den Rechten nicht den Rücken kehren – mangels Perspektive. | |
Aussteigerin über rechte Szene: „An der Wand hingen Salzteig-Runen“ | |
Heidi Benneckenstein wuchs in einer Nazifamilie auf, besuchte | |
Neonazi-Zeltlager, verprügelte einen Fotografen. Dann stieg sie aus. | |
Extremismusexperte über Nazi-Aussteiger: „Raus allein reicht nicht“ | |
Zwei Angeklagte im NSU-Prozess haben die rechte Szene verlassen. Wirklich? | |
Nur ein glatter Bruch hilft, sagt der Leiter der Arbeitsstelle | |
Rechtsextremismus und Gewalt. |